zum Inhalt springen

CSR-Circle: Von der Zukunft her führen

Die »Theorie U« des amerikanischen Wirtschaftsforschers Otto Scharmer

Foto: Draper
v.l. Mag (FH) Thomas Traudtner (Der Standard), Mag. Christoph Wirl (Magazin Training),Ronny Hollenstein (Gruppe Hollenstein),Mag.a Cornelia Dankl,Roswitha M. Reisinger, MBA (Lebensart/Businessart),Reinhard Herok,Mag.a Susanne Heidrich(ARS) draper

Es war ein ganz besonderes Thema, das am 4. Mai mehr als 120 Mitglieder des CSR- und des HR-Circle in die Räumlichkeiten der ARS (Akademie für Recht, Steuern und Wirtschaft) in Wien geführt hat. Ronny Hollenstein (Geschäftsführer Gruppe Hollenstein, Trainer, Coach und Berater) hielt einen Vortrag über die »Theorie U« des amerikanischen Wirtschaftsforschers Otto Scharmer mit dem Titel »Von der Zukunft her führen«.

Am Anfang des Vortrags spricht Hollenstein über die Krise der Gegenwart, die aus den Haltungen der Vergangenheit resultiert: »Das Alte stirbt, das Neue ist noch nicht geboren«, sagt Hollenstein und zitiert Vaclav Havel: »Ich denke, es gibt gute Gründe für die Annahme, dass das moderne Zeitalter zu Ende geht. Es gibt heutzutage viele Hinweise darauf, dass wir uns in einem Übergangsstadium befinden, es sieht so aus, als ob etwas auf dem Weg hinaus ist und als ob etwas anderes unter Schmerzen geboren wird.

Viele Menschen sehen ein System wie z. B. die Politik oder die Unternehmensführung als ein von sich selbst getrenntes Naturgesetz. Auch die Handlungsfähigkeit der Entscheidungsinstanzen hat in den letzten Jahren abgenommen, so sind auch viele Politiker nur Marionetten. Das alles führt zu einem gewissen Ohnmachtsgefühl vieler Menschen, und das wiederum erzeugt schlechte Ergebnisse des »alten Systems«.

Otto Scharmer drückt das in seinem Buch über die Theorie U mit folgenden Worten aus: »Wir haben eine florierende globale Wirtschaft geschaffen, die gleichzeitig 850 Millionen Menschen hungern und 3 Milliarden Menschen in Armut leben lässt (mit weniger als 2 Dollar pro Tag). Wir geben Unsummen Geld für Gesundheitssysteme aus, die auf der Symptomebene herumstochern und nicht in der Lage sind, die ursächlichen Gründe für Gesundheit und Krankheit in unserer Gesellschaft anzugehen. Wir produzieren mit viel Aufwand Gesundheitsergebnisse, die nicht viel besser sind als die Ergebnisse anderer Länder, die viel weniger Geld dafür ausgeben. Wir setzen beträchtliche Ressourcen für unsere Landwirtschaft und Nahrungssysteme ein und das nur, um eine nicht nachhaltige Nahrungsproduktion mit immer minderwertigerem Junk-Food zu schaffen, das sowohl unsere Körper als auch unsere Umwelt vergiftet. Wir kippen große Mengen an Geld in unsere Bildungssysteme, waren aber bislang nicht in der Lage, Schulen und Institutionen für höhere Bildung zu schaffen, die die tief im Menschen veranlagte Fähigkeit, die eigene Zukunft zu empfinden und zu aktualisieren, entwickeln.

Mehr als die Hälfte der Kinder auf der ganzen Welt wachsen heute unter eklatanten Mangelbedingungen auf wie z. B. in Armut, Krieg und mit HIV.« Im Plenum macht sich eine gedämpfte Stimmungbreit, die der Vortragende sofort zu nutzen weiß. Hollenstein: »Unsere Welt ist natürlich nicht nur schlecht, es gibt auch positive Veränderungen.

Foto: Draper
ronny_in_action_c_draper

« In einer kurzen Gruppenübung diskutieren wir mit unseren Nachbarn, was sich alles in den letzten 3 Jahren gesellschaftlich zum Guten verändert hat. Es werden Dinge wie steigende Toleranz und eine neue Einstellung zur Arbeit genannt.

Nun geht es an den Kern des Themas. Welche Elemente umfasst die Theorie U? Ronny Hollenstein fasst zusammen:

  • Räume schaffen: Es müssen in Unternehmen neue Räume geschaffen werden, wo nachgedacht und angstfrei zugehört wird. Nur so schaffen wir es, aus einer reaktiven Kultur zu einer proaktiven zu werden. Einmal alle 3 Wochen für 30 Minuten nur nachdenken über das Produkt, das Unternehmen oder die Kollegen, schafft Innovationskraft.
  • Das eigene Handeln zu hinterfragen: Muster des Handelns und des Denkens zu entdecken und infrage zu stellen. Otto Scharmer: »Erst wenn die, die das Neue ablehnen, sich in der Rolle – Altes erhalten und Neues verhindern – erkennen, geschieht ein Durchbruch.«
  • Hebelpunkte des sozialen Feldes herauszufinden: Das bedeutet, alle Beteiligte im System anzuschauen und deren Rolle zu kennen.
  • Was nähren wir alles und was könnten wir loslassen? Zum Beispiel veraltete Prozesse, die nie hinterfragt wurden. Oder Beziehungen zu Menschen, die uns mehr schaden als nützen.
  • Was wird Neues sichtbar? Welche neuen Chancen ergeben sich, wenn ich Altes weglasse?
  • »Prototyping«. Neue Prototypen zu entwerfen, auszuprobieren, aus Fehlern lernen.
     

Nach dieser Zusammenfassung der Theorie geht es bei diesem Circle wieder in eine interaktiven Übung: »Von der Zukunft her führen.« Die Aufgabe: »Finden Sie Hinweise auf die Nacht, die Sie jemandem geben könnten, der unsere Nacht nicht kennt?« In dieser kleinen Übung geht es nur um die nahe Zukunft. Wir diskutieren und kommen zu banal klingenden Ergebnissen wie: »Es wird dunkel«, »Vögel hören auf zu zwitschern«, »es wird kälter« etc. Danach reflektieren wir gemeinsam, woran wir die Zukunft der Gesellschaft erkennen können, welche Anzeichen wir sehen, oder eben nicht.

Anwendbarkeit

Als Otto Scharmer letztes Jahr bei einer Konferenz gefragt wurde, was das Schwierigste an seiner Theorie U ist, hat er angeblich gesagt: »Die Kunst ist es, die Theorie in die Praxis umzusetzen… sie ist doch etwas philosophisch.«

Ronny Hollenstein hat jedoch einige Punkte herausgearbeitet, die sich recht einfach für Unternehmen umsetzen lassen. Das sind zum einen die »Räume der Aufmerksamkeit«. Denken Sie hier z. B. an Walt Disney, der schon vor vielen Jahren eigene Räume zum Denken, zum kreativ sein und zum verrückt sein hatte.

Auch die eigenen Muster erkennen und deren Nahrung zu identifizieren, funktioniert sowohl auf individueller als auch auf organisatorischer Ebene recht einfach. Weiters ist es möglich, das Scheitern in manchen Punkten einzuplanen. Bei einem neuen Projekt bzw. einem neuen Prototyp bewusst zu schauen, woran man scheitert. Das ist häufig ganz woanders, als man es vermutet hätte. Am Ende entsteht ein neuer Lösungsweg, vielleicht nicht sofort der beste, aber es ist ein Anfang.

Um das Gesagte wirken zu lassen, schweigt der Vortragende an dieser Stelle für eine Minute und bietet den Teilnehmern somit die Möglichkeit, die Gedanken setzen zu lassen. Und gleich danach kommen einige Fragen aus dem Publikum.

Im Anschluss kommt Barbara Guwak (Geschäftsführerin promitto) auf die Bühne und erzählt aus ihrer Praxis mit der Theorie U: »Im Alltag werden viele Ressourcen verwendet, um ein perfektes Team zusammenzustellen und dann wird dieser Schatz kaum genützt. Durch das Anwenden von der Theorie U in der Praxis kann durch ein neues Miteinander viel Neues entstehen.« Auch sie plädiert nochmals starkfür das Protoyping und sagt: »Wollen zeigt sich in der Handlung, nicht im Reden.« Sie erzählt, wie z. B. Banken oder Supermarktketten eine Filiale auswählen und dort Neues ausprobieren. Sprechende Einkaufswagen oder SB-Kassen konnten so geboren werden.

Im Anschluss an den Vortrag wurde heftig diskutiert und es wurden viele Fragen beantwortet. Wie beim HR-Circle und beim CSR-Circle üblich, wurde dennoch pünktlich der offizielle Teil beendet und der Abend klang bei gutem Essen, gutem Wein und anregenden Gesprächen aus.

Autor: Christoph Wirl, magazin training