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DI Markus Meissner, Projektkoordinator

BauKarussell konzentriert sich auf die Wiederverwendung (=Re-Use) von Baumaterial beim Rückbau von Gebäuden (großvolumige Objekte. 

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In Zusammenarbeit mit großen Wiener Bauträgern werden Re-Use-fähige Bauteile und Komponenten ausgebaut und für die Wiederverwendung im Neu- oder Umbau zur Verfügung gestellt. Parallel dazu werden recyclingfähige Baustoffe manuell getrennt und der stofflichen Verwertung zugeführt. Diese Arbeiten werden von Arbeitskräften aus sozialwirtschaftlichen Unternehmen durchgeführt, die damit Qualifizierung, Jobtraining und bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten.

Wie sind Sie auf die Idee des BauKarussells gekommen? Was war der Auslöser und wann war das?

Aus vielen Jahren der Entwicklung von Re-Use-Netzwerken im Bereich der kommunalen Abfallwirtschaft und sozialer Einrichtungen. Dort zielen wir darauf ab, dass wir Altstoffsammelzentren nutzen um dort Gegenstände zu sammeln, die noch in Ordnung sind, aber vom Besitzer nicht mehr gebraucht werden. Diese Waren werden an Soziale Einrichtungen weitergegeben und in deren Gebrauchtwarenhäusern verkauft. Um dies so zu tun gab und gibt es einige Voraussetzungen, die rechtlich und operativ zu meistern sind.

Das dort erworbene Wissen wollten wir auch im mengenmäßig größten Abfallstrom (nämlich Bauwirtschaft) einsetzen, um die Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft weiter zu bringen.

Die ersten Gespräche dazu erfolgen in der zweiten Hälfte 2015.

Welches Ziel hatten Sie zu Beginn Ihrer Aktivitäten und wie hat es sich in der Zwischenzeit verändert?

Nach wie vor geht es um die Realisierung eines Spielers , der die Schnittstelle bildet zwischen der Bauwirtschaft (insbes. Bauträgern und Bauherrn) und sozialen Einrichtungen, die im Rückbau tätig werden wollen. BauKarussell soll als kompetenter Partner im Feld Rückbau wahrnehmbar sein. Wir wollen Arbeit und Qualifizierung ermöglichen und durch diese Arbeit die Umwelt entlasten, Ressourcenverschwendung verringern und sozial nachhaltigen Zusatznutzen schaffen.

Was bedeutet Erfolg für Sie?

Einen Erfolg feiere ich mit meinen KollegInnen, wenn wir es schaffen, dass eine Idee, die wir haben in der Umsetzung gelingt und zeigt, dass etwas möglich ist.

Möglichkeiten zu realisieren, um unser Wirtschaften in Richtung weniger planetaren Raubbau der Spezies Mensch zu verändern.

Was waren die größten Hindernisse am Weg? Wie haben Sie sie bewältigt?

Bewältigen konnten wir großteils:

  • Abklärung der unzähligen Details, bevor tatsächlich operative Arbeit zustande kommt.
  • Bewusstseinsbildung auf vielen Ebenen.
  • Öffentlichkeitsarbeit unter Einbeziehung jener Firmen, die mit uns zusammenarbeiten.
  • Dranbleiben und sich von einzelnen Misserfolgen nicht aufhalten lassen.

Womit wir noch immer kämpfen:

  • Widerstände etablierter Player am Markt, weil die derzeitige Ausgestaltung der Wertschöpfungskette im Rückbau und im Bau Gesetzeskonformität oft bestraft und durch Preisdumping nachhaltige Lösungen verhindert.
  • Zeit- und ortsnahe Verkaufsmöglichkeiten unserer potentiell re-usefähigen Bauteile, hier bedarf es noch intensiver Vermarktungsanstrengungen – es ist uns schon mehr als nur ein mal passiert, dass sich Interessenten für Bauteile erst bei uns gemeldet haben, als das Zeitfenster für den schonenden Ausbau bereits vorüber war, zur großen Enttäuschung aller Beteiligten.

Was war Ihr größter Misserfolg? Was haben Sie daraus gelernt?

Dass einige unserer besten Ideen und Konzepte für Rückbauten leider nicht von den Bauherren realisiert wurden, weil es billigere aber dafür weniger nachhaltige Konkurrenz gab. Wir haben darauf inzwischen mit einer Adaptierung und Konkretisierung unserer Konzepte und Angebote an Bauherren reagiert, man kann fast sagen wir verbessern uns im Monatsrhythmus.

Was waren die wichtigsten Argumente um Ihre Partner und Ihre Kunden zu überzeugen?

Zeitersparnis im Rückbau, legal compliance, Sozialer Mehrwert, Ausdruck von Kompetenz

generell gesprochen: ein kompetentes Auftreten mit Anerkennung des Fachwissens anderer. Wir arbeiten an einer Schnittstelle dreier sehr unterschiedlicher Bereiche (Bau, Abfallwirtschaft, Sozialwirtschaft), ohne gegenseitigen Respekt geht das nicht.

Und nicht zuletzt: Zukunftsfähigkeit und Branchenführerschaft, denn Bauherren wie ÖSW, oder BUWOG oder BIG die mit uns kooperieren, gemeinsam mit uns lernen und sich weiter entwickeln, wappnen sich bereits heute für das Bauen von Morgen, bei dem die Grenze zwischen Rück- und Neubau immer mehr fließend wird.

Nimmt die Nachfrage zu? Bzw. was braucht es, damit die Nachfrage steigt?

Anfragen nehmen zu, ja. Die Gespräche verlaufen jedoch oft im Sand. [RR3] Wir eröffnen einen neuen Markt, ein anders Handeln. Das Verständnis für Chancen [RR4] ist dzt. nur vereinzelt vorhanden. Das kann es aber auch noch nicht. Wir benötigen daher passende Bildungsangebote auf verschiedensten Ebenen (tertiär, BHS, Lehre etc.) um junge Menschen in die Branche zu bringen, die dieses Verständnis schon haben.

Erfolgreich umgesetzte operative Bauvorhaben, die zeigen, dass es möglich ist. Dazu brauchen wir immer mehr aufgeschlossene Bauherrn, die sich, die Zeichen der Zeit zu interpretieren.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Aufbau von Kooperationen, um verwertungsorientierten Rückbau in Objekten Realität werden zu lassen. Dazu laden wir Bauherrn, Projektentwickler, Architeken, Planer etc. ein!

Definition der internen Strukturen, um vom Projektansatz weg zu kommen zu einem kontinuierlichen Arbeiten.

Sicherlich kennen Sie die Sustainable Development Goals (SDGs)? Welche sind für Ihren Bereich besonders wichtig? Wo tragen Sie ganz besonders bei?

Im Wesentlichen sind dies die SDG 9, 11 und 12

Mit BauKarussell wenden wir das Konzept der Kreislaufwirtschaft im Feld des Rückbaus an. Kreislauf ist weit mehr als nur „besseres“ Recycling. Das ist es natürlich auch, aber es greift viel zu kurz. Wir müssen die Funktionalitäten der Bauteile erhalten, anstatt nur den Materialwert, um Ressourceneffizienz zu verbessern. Wir entwickeln ein innovatives Modell des Wirtschaftens (9) auch um unsere Lager (Bestand) im Sinne des Urban Minings  - in unserem Sinne sollte man vielleicht konkretisieren und „Social & Functional Urban Mining“ sagen - verfügbar zu machen (11 und 12).

Wie schätzen Sie die internationale Entwicklung ein?

Wir steuern langfristig auf Rohstoffknappheiten zu. Von den 60 Mio Tonnen Abfall in Österreich sind mehr als 70 % dem Bausektor zu zuordnen. (BAWP 2017). Gleichzeitig setzen wir rund 200 Millionen Tonnen Ressourcen pro Jahr um. Damit bauen wir pro Jahr ein Materiallager von geschätzten 140 Millionen Tonnen auf. Auch wenn die Zahlen global unterschiedliche Verhältnisse haben mögen: Wir müssen es schaffen, dass wir das Wissen darüber erhalten, was genau wo verbaut, abgelegt, deponiert wird. Denn dieses Lager werden wir in mehreren Jahrzehnten dringend brauchen. Aber wieder greift das meiner Meinung nach zu kurz: Ressourcen länger, effektiver, effizienter Nutzen. Darum geht es. Wir müssen weniger Primärmaterial gebrauchen. Egal hinter welchen Schlagwörtern, Konzepten, Masterplänen. Es geht um gesteuerte Veränderung. Schaffen wir das nicht werden wir mit von uns nicht kontrollierbaren Veränderungen konfrontiert werden. Sich bereits jetzt mit Kompetenzaufbau im Bereich Re-Use und Remanufacturing zu wappnen, wäre gut, bringt aber keine kurzfristigen Profitperspektiven. Ich bemerke, dass die Politischen Ebenen derzeit eher diese kurzfristigen Perspektiven durch simple Fokussierung auf noch mehr Wachstum unterstützen. Für meine Branche wünsche ich mir, dass wir SDG, NH, NE, CE, ZeroWaste, Klimaschutz und all diese schönen, wohlklingenden Begriffe und Abkürzungen nur dann in den Mund nehmen, wenn tatsächlich positive gesellschaftliche (und damit auch ökologische) Wirkungen damit verbunden sind. Denn dann, und nur dann, verdienen meiner Meinung nach jene, die diese Begriffe tragen auch Respekt und Anerkennung.

Um wieviel müssen wir unser Tempo steigern um die Ziele 2030 auch zu erreichen?

Um ein Vielfaches. Es geht lt. Klimastrategie des Bundes um -36%, nicht um -3% oder 5%. Wenn wir nicht begreifen, dass das mit „more of the same“ nicht klappt, dann werden wir dort nicht hinkommen.

Der letzte IPCC-Bericht spricht es deutlich aus. Wir müssen begreifen, dass diese Veränderung uns direkt betrifft. Es geht nicht (bzw. nicht nur) um die Eisbären, oder die Korallenriffe. Die sind sehr abstrakt, weit weg und machen wenige emotional betroffen, die dann handeln. Die Veränderungen werden uns als Gesellschaft treffen, hier, direkt und indirekt. Sie tun es jetzt schon.

Etwas philosophisch: Letztlich ist Klimaschutz der Schutz des Homo Sapiens. Die Erde wird sich noch lange drehen, auch ohne der Spezies Mensch. Es gab schon fünf Erd-Ereignisse bei denen weit mehr als 90 % aller Arten ausgestorben sind. Ein Klimakollaps mehr? Für die Erde ein Klaps, für Homo Sapiens das k.o.

Eckdaten zum Unternehmen:

  • Pulswerk Gmbh, Wien
  • gegründet: 2012
  • Branche: Umweltunternehmensberatung im Bereich Umwelt
  • MitarbeiterInnen: 21
  • www.pulswerk.at