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Frauenquote – kein Grund zur Aufregung

Kommentar von Dr. Brigitta Schwarzer, MBA, Geschäftsführende Gesellschafterin der INARA GmbH.

Portraitfoto von Dr. Brigitta Schwarzer. Foto: Wilke
Dr. Brigitta Schwarzer. Foto: Wilke brigitta_schwarzer-c-wilke

Ab 2018 soll es also eine verpflichtende Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen und solchen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern nach deutschem Vorbild geben. So will es das neue Regierungsprogramm der Koalitionspartner SPÖ und ÖVP. Was in den letzten Jahren heftig und höchst kontroversiell diskutiert worden ist, wurde nun zum ersten Mal in Österreich schwarz auf weiß niedergeschrieben.

Wie ist das möglich? Haben wir keine drängenderen Probleme?

Ich möchte diesen Beitrag mit einer persönlichen Rückschau beginnen:

Als ich im Jahr 1976 mein Jusstudium an der Universität Wien begann, hieß es „eine Frau studiert Jus, um sich einen Herrn Doktor zu angeln. Und nur, wenn ihr das nicht gelingt, macht sie den Doktor selbst“. Ganz so schlimm war es dann zwar nicht, aber dennoch: Waren von den rund 1.500 Studienanfängern knapp die Hälfte Frauen, ging der Anteil der Studentinnen mit jedem Semester weiter zurück. Im dritten und letzten Abschnitt war das weibliche Geschlecht nur mehr spärlich vertreten.

Frau Dr. als Exotin

Meine berufliche Karriere startete ich dann 1980 mit eigenem, nicht am Standesamt erworbenen Doktorat in der Rechtsabteilung eines großen börsennotierten Industrieunternehmens. Kolleginnen mit akademischem Abschluss gab es so gut wie keine und der Generaldirektor, dessen Büro Tür an Tür mit der Rechtsabteilung war und dem ich daher täglich begegnete, hielt es nicht für nötig, mich zu grüßen. Auch für meinen Chef war ich eine Exotin. Da er nicht so recht wusste, wie er mit mir umgehen sollte, entschied er sich für den autoritären Führungsstil nach dem Prinzip Lehrer und Schüler. Immerhin hielt ich drei Jahre durch und lernte viel, vor allem wie ich mir Akzeptanz verschaffen konnte.

Im nächsten Job, wieder einem Industrieunternehmen, war schon vieles anders. Man begegnete mir, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf Augenhöhe. Ich erhielt 1986 als erste Frau in der Firmengeschichte die Handlungsvollmacht und ein paar Jahre später die Prokura. Nur dass ich nach der Geburt meiner drei Kinder jeweils schnell wieder auf meinen Arbeitsplatz zurückkehrte und nicht in Karenz ging, gefiel so manchem Mann nicht und hinter vorgehaltener Hand - gelegentlich auch direkt - wurde ich als „Rabenmutter“ bezeichnet. Ich aber dachte mir, „was einen nicht umbringt, macht einen stärker“.

Viel hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Die Frauen in unteren, mittleren und höheren Führungspositionen wurden mehr und mehr und auch die Zahl derer, die die „gläserne Decke“ durchstoßen konnten, wurde größer. Leider waren jene, die das geschafft haben, nicht immer ein gutes Vorbild, betonten einige von ihnen doch immer wieder, dass ihre Funktionen so arbeits- und zeitaufwändig seien, dass eine Vereinbarkeit von Beruf und Kindern gar nicht möglich wäre.

Hitzige Debatten pro und contra AR-Quote

Aber auch das wurde im Laufe der Zeit besser und mit der im Jänner 2009 in Kraft tretenden Fassung des Österreichischen Corporate Governance Kodex hielt das Thema Geschlechterdiversität auch in den Aufsichtsräten österreichischer Unternehmen Einzug. Dabei wollten einzelne Männer – ich habe es selbst im ÖCGK-Arbeitskreis erlebt – die Frauenfrage zu Beginn der Diskussion zur Kodexneufassung in den Bereich Corporate Social Responsability abschieben – gleichauf mit den Themen Farbige und Behinderte.

Spätestens damit war jedenfalls die AR-Quotendiskussion auch in Österreich eröffnet – und sie verlief quer durch die Firmen, die politischen Parteien und die Interessensvertretungen. Die Befürworter und Befürworterinnen formierten sich und ebenso die männliche und weibliche Gegnerschaft einer Frauenquote im Aufsichtsrat.

Hauptargument pro Quote: Es wird sich erst dann wirklich etwas ändern, wenn es eine gesetzliche Vorgabe gibt. Auch in anderen Ländern – beginnend mit Norwegen – ist es nur auf diese Weise gelungen, Männer in Aufsichtsräten zu bewegen, den Firmeneigentümern Frauen zur Wahl in ihr Gremium vorzuschlagen.

Diesem „Killerargument“ können die Kritiker nicht viel abgewinnen. „Selbstverständlich soll es mehr Frauen in Aufsichtsräten geben, aber wegen ihrer Kompetenz und nicht über eine Quotenregelung“ betonen sie. Eine Quote diskriminiere in Wahrheit weibliche Bewerber, weil jeder annimmt, sie seien nur deswegen und nicht wegen ihrer Qualifikation zum Zug gekommen.

Das klingt auf den ersten Blick überzeugend. Aber ist eine gesetzliche Vorgabe tatsächlich ein Zeichen, Frauen nicht auf gleicher Höhe mit Männern zu sehen? Noch dazu, wo fast alle Frauen mit Aufsichtsratsmandaten beteuern, ausschließlich aufgrund ihres entsprechenden Backgrounds in diese Funktionen berufen worden zu sein – und viele von ihnen das mittlerweile auch bewiesen haben.

Niemand will Quotenfrau sein

Ich stimme mit ihnen überein. Fachliche sowie persönliche Kompetenz und Erfahrung sind die einzigen Kriterien, die – Männer wie Frauen – für eine Aufsichtsratsfunktion legitimieren. Kein Mandatsträger soll sich nachsagen lassen müssen, dass andere Kriterien für die Auswahl entscheidend waren. Kleine Nebenbemerkung: So mancher Mann säße nicht in einem Aufsichtsrat, wäre die Auswahl nach jenem Maßstab erfolgt, den man bei Frauen anlegt.

Entscheidend ist aber letzten Endes das Vertrauen: So bedeutsam die Expertise jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ist, so ist und bleibt die Berufung in das Gremium eine persönliche Vertrauenssache. Wichtig ist, dass die Chemie zwischen Aufsichtsrat und Kernaktionär bzw. zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsleitung stimmt. Wie sonst kann das einzelne Aufsichtsratsmitglied seinen Aufgaben - Kontrolle und strategische Begleitung des Vorstands oder der Geschäftsführung - angemessen nachkommen?

Warum wird dem Thema „Mehr Frauen in Aufsichtsräte“, überhaupt ein solcher Stellenwert beigemessen, wo es doch insgesamt nur so wenige Personen betrifft? Es ist der Aufsichtsrat, der den Vorstand bzw. die Geschäftsführung bestellt. Wenn wir davon ausgehen, dass Frauen andere Frauen fördern oder zumindest fördern sollten, dann bewirken mehr Frauen im Kontrollgremium, dass es mittelfristig mehr Frauen in den Vorstand oder in die Geschäftsführung schaffen.

Quote auf Zeit wäre die Lösung

Damit die derzeit überschaubare Anzahl von Frauen in Organfunktionen österreichischer Großunternehmen in absehbarer Zeit spürbar ansteigt, brauchen wir eine Quotenregelung zunächst für den Aufsichtsrat. Nicht auf ewig, aber auf Zeit. Vielleicht auf 5 Jahre, vielleicht auf etwas länger. Quasi als Beschleuniger. Die Quote ist nicht das Ziel, kann es auch gar nicht sein. Warum sollten wir den Frauenanteil im Aufsichtsrat mit 30 % deckeln und einzementieren? Ziel muss es sein, dass die Auswahl der KandidatInnen nach dem jeweiligen Anforderungsprofil erfolgt. Der oder die Beste soll zum Zug kommen, egal, ob Mann oder Frau. Das kann dazu führen, dass es Gremien gibt, die ausschließlich mit Männern besetzt sind, aber genauso Aufsichtsräte, die nur aus Frauen bestehen.

Bei aller Gleichberechtigung, Männer und Frauen „ticken“ unterschiedlich. Sie denken und handeln nicht besser oder schlechter, jedoch anders. Mehr als 50 % der Bevölkerung sind Frauen und Kaufentscheidungen – sei es in den Bereichen Wohnung, Haushalt, Finanzen und Versicherungen (ausgenommen vielleicht Autoanschaffungen) - in gemischten Partnerschaften werden mehrheitlich von Frauen getroffen. Sie gelten als überlegter und eher risikoavers. Das hat sowohl negative Aspekte, als auch positive Seiten - dem werden hoffentlich auch die Männer zustimmen. Die bisherigen Erfahrungen mit gemischten Boards sind übrigens durchwegs gut und sollten zur weiteren Durchmischung ermuntern.

Lassen Sie mich noch zwei Gedanken entwickeln:

Es stimmt, dass vielen Frauen der Mut und das Selbstvertrauen fehlen, den Anforderungen eines Aufsichtsratsmandats gerecht zu werden. Hier hat sich aber bereits viel zum Besseren gewandelt, die jüngeren Frauen haben wesentlich mehr Selbstbewusstsein als wir älteren. Die vielerorts von Männern getroffene Aussage „wir würden gerne eine Frau für eine Funktion nominieren, finden aber leider keine“, halte ich für eine Augenauswischerei. Jeder, der ernsthaft sucht bzw. suchen lässt, wird fündig. Dabei denke ich nicht unbedingt an die diversen Datenbanken. Dort findet man viele Personen, die zwar einschlägige Lehrgänge besucht haben, jedoch nicht über mehrjährige und aktuelle Management- und Führungserfahrung verfügen, die das Um und Auf für erfolgreiche Aufsichtsratsarbeit sind. Viel eher sehe ich hier breit aufgestellte Executive Search-Netzwerke berufen, im Anlassfall geeignete Damen zu finden.

Machtverlust tut weh…

Mehr „Gleichberechtigung“ in den Aufsichtsräten bedeutet, dass künftig weniger Männer zum Zug kommen. Das bedeutet eine Machtverschiebung und ich verstehe, dass niemand gerne Einfluss abgibt. Es führt aber kein Weg daran vorbei. Die Männer mussten sich seinerzeit ans Frauenwahlrecht und damit an die politische Mitbestimmung der Frauen gewöhnen und mit der Familienrechtsreform 1975 akzeptieren, dass ihre Frauen sie nicht mehr um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie einen Beruf ausüben wollen. Genauso werden sie sich daran gewöhnen (müssen), dass ihr Gewicht im obersten Kontrollgremium eines Unternehmens schwinden wird.

Last but not least: Wenn es salonfähig ist, dass nicht jeder einzelne Mann im Aufsichtsgremium überragend kompetent ist, so wird die Welt auch dann nicht untergehen, sollte sich da und dort herausstellen, dass eine Frau keine High Performerin ist.

Ich freue mich auf Ihr Feedback und bin für jede Diskussion rund um die Frauenquote offen.

Beste Grüße

Brigitta Schwarzer

Dr. Brigitta Schwarzer, MBA
Geschäftsführende Gesellschafterin der INARA GmbH.
Die INARA ist eine Governance & Compliance Plattform für Vorstände und Aufsichtsräte.