Interview - Filmemacher, die bewegen
Eva Stotz
Was hat Dich motiviert, Filmemacherin zu werden? Was waren Auslöser für diese Entscheidung? Schlüsselerlebnisse?
Wie jedes Kind habe ich Geschichten geliebt. Geschichten zu hören, in seinem eigenen Kopf auf die Reise zu gehen, und sie schliesslich selber erfinden.
Da wir keinen Fernseher hatten, wurde ich von der Kinoleinwand geprägt. Da entstand sicherlich die Liebe zu diesem dunklen Raum, in den man mit fremden Menschen zusammen sitzt, und eine kollektive Reise unternimmt. Das kam mir vor wie ein Ritual das ich lieben lernte, und mir wünschte irgendwann selber diese Geschichten für die Menschen im Kino zu erzählen.
Wie bist Du auf die Idee gekommen, Global Home zu machen?
Auf die Idee kam ich, als ich zum ersten mal in Istanbul Couchsurfing ausprobierte. Bis zu dem Moment wo wir mein Gastgeber die Tür öffnete konnte ich nicht wirklich glauben dass das funktionieren wird. Ich sah mich schon mitten in der Nacht nach einem Hotel suchen. Dass hinter einem online Profil und ein paar ausgetauschten Emails ein Mensch steht, der ganz uneigennützig Lust hat, Gäste zu haben und gerne seinen Wohnraum teilt, war ein neues Konzept für mich. Als ich dann wirklich am Leben meines Gastgebers teilhaben konnte, seine Freunde kennenlernte, sah wie er arbeitet und alltägliches tut, da wurde mir bewusst welche Möglichkeiten in dieser Art zu reisen liegen.
Den Entschluss darüber einen Film zu machen fällte ich nachts am Bosporus sitzend.
Wie ist die Reiseroute entstanden / die Orte / die Gastgeber? Gibt es etwas, das Dir hier besonders wichtig war? Worauf hast Du geachtet?
Ich suchte nach Protagonisten, die Visionen haben, spannende Initiativen gestartet haben, oder einen eigensinnigen Lebensweg gehen. Alle fünf Episoden sollten zusammen ein anderes Bild von globalisierter Welt zeichnen. Statt deprimierenden Nachrichten wollte ich meinen Fokus auf Menschen lenken, die auf ihre Art einen positiven Beitrag leisten. Dadurch hoffte ich, auch anderen Lust zu machen neue Perspektiven einzunehmen und über ihre eigenen Möglichkeiten nachzudenken. Ebenso folgte ich bei der Länderauswahl meinen Fragen: Welchen Einfluss hat die zunehmende Technik in unserem Leben auf unser Miteinander und unser Wissen? Ich wollte gerne in ein Land reisen das in technologischer Hinsicht wenig weit entwickelt ist. Wer erwartet schon einen Tuareg im Mali im Couchsurfing Netzwerk? Dies kontrastierte ich mit einem Land das technologisch von uns aus gesehen in der Zukunft liegt, und suchte nach Protagonisten in Tokio. Mamatal, der Tuareg, fasziniert mit seiner weisen Haltung zum Leben, und Michiko, die japanische Lehrerin ist bewunderswert in ihrem Engagement den Tokiokindern einen Sinn für Natur zu vermitteln. Dann war mir wichtig ein Gegengewicht zu meiner mühelosen Couchsurfing Erfahrung zu setzen, wo Grenzüberschreitungen keine Rolle zu spielen scheinen. Dieses europäische Privileg ist leider fern der Realität für viele Menschen. Ich fand eine spannende Protagonistin in der Westbank - Alice, eine Ökoaktivistin, die die palästinensische Bevölkerung auf ökologischer Ebene unterstützt. Casey, in San Francisco, ist der erste Programmierer von Couchsurfing. Er ist ein sehr interessanter Protagonist, da er die Verbindung von Computer-Geek und Visionär darstellt. Und Clara, die brasilianische Tänzerin die in der Türkei lebt, kannte ich als einziges vor meinen Dreharbeiten. Ich habe sie beim Couchsurfen kennengelernt, und wollte sie und den Ort an dem sie lebte unbedingt in dem Film haben. In dieser Episode wird Massentourismus thematisiert. Das war für mich ein sehr wichtiger Aspekt, da er anregt darüber nachzudenken welche Erfahrungen wir auf Reisen machen möchten.
Was war schwierig für Dich? Wie bist Du mit Problemen umgegangen? Wie hast Du sie gelöst?
Es war schwierig sich jedes mal wieder schnell in die fremde Umgebung einzuleben, die Regeln zu verstehen und Zugang zu den Protagonisten zu finden. Es half sehr dass ich und der Tonmann immer eine Woche bei unseren Gastgebern lebten, und in der Zeit sehr wenig drehten. Erst dann legten wir los.
Anstrengend war dass ich sowohl Regie wie auch die Kamera führte. Die technisch-kreative Doppelbesetzung war eine große Herausforderung. Am meisten hat mich der Dreh in der Westbank belastet. Es war eine Zeit der täglichen Alpträume. Was es heißt in einem besetzten Gebiet zu leben, und ständige Anspannung durch Kontrolle oder Willkür zu befürchten, konnte ich an eigenem Leib nachvollziehen. Gleichzeitig war ich sehr froh eine Innensicht auf einen Konflikt zu bekommen, den ich nur aus den Medien kannte, und dadurch wunderbare Menschen kennen zu lernen.
Was war Dein schönstes/ berührendstes Erlebnis?
Am meisten hat mich die gelebte Gastfreundschaft in Mali berührt. Ich habe dort ganz viel über den Umgang mit Gästen und den Zusammenhalt von Familie erfahren. In dem Leben der Tuareg zählen Gäste als große Bereicherung der Familie. Mir wurde da bewusst wie sehr sich dieser Wert in meiner Familie und meinem Kulturkreis schon verloren hat. Das lebe ich seitdem viel mehr. Ich habe für mich erkannt, dass es die gemeinsam verbrachte Zeit ist, die wirklich wertvoll ist.
Was sind Deine wichtigsten Erkenntnisse?
Es ist möglich überall auf der Welt Gleichgesinnte zu finden. Durch das Internet ist es noch einfach geworden. Es lohnt sich diese online Begegnungen in der echten Realität stattfinden zu lassen, denn da entsteht plötzlich das Gefühl weltweiter Netzwerke. Wir reisen für Arbeit und Beziehungen immer mehr durch die Welt, und nur persönliche Kontakte geben einen Einblick in ein anderes Leben. Gleichzeitig wächst dadurch die Empathie füreinander. Und die ist, angesichts der massiven Probleme die in der Welt existieren, unbedingt notwendig.
Worin bestehen die weltweiten Gemeinsamkeiten? Worin die Unterschiede?
Sicher ist, dass die Gemeinsamkeiten weit offensichtlicher sind als die Unterschiede. Diese sind vor allem optisch, und in der Art wie wir die Dinge tun. Doch letztlich tun wir alle das gleiche. Überall wird gekocht, waschen wir unsere Wäsche, arbeiten, wohnen, lieben, streiten - nur sieht es eben anders aus. Die Gemeinsamkeiten sind endlos, und lassen sich rund um die Gefühle gruppieren die uns alle bestimmen. Spannend ist für mich welche Sprachen und welche Art der Kommunikation universell funktioniert. Natürlich Worte, aber auch Gestik und Mimik können leicht missverständlich sein.
Wenn Du einen Wunsch frei hast? Was wünscht Du Dir?
Ich wünsche mir, dass ich weiterhin persönliche Geschichten von Menschen und ihrem universellen Kern, verfilmen kann. Denn ich träume von der poetischen und transformierenden Kraft von Filmen. Ich möchte mit meinen Filmen Gedankenanstöße geben, Empathie und Lust auf neue Perspektiven wecken.
Was möchtest Du anderen weitergeben?
Durch Couchsurfing bin ich zum ersten mal mit dem Konzept in Berührung gekommen zu Geben, ohne gleich etwas im Gegenzug zurück zu erwarten. Anfangs war mir das fast etwas unheimlich. Ich musste schon eine gewisse Grenzen überschreiten, einen Gast bei mir zuhause aufzunehmen. Ich bin froh dass ich es getan habe. Mein Weltbild hat sich dadurch ziemlich verändert. Ich fühlte mich plötzlich Teil von einem Kreislauf der nicht geschlossen ist. Die Erfahrung zeigte, dass oft auf ganz unerwartete Weise etwas zurück kommt. Es würde mich sehr freuen wenn so etwas wie Couchsurfing eine Normalität, quer durch alle Bevölkerungsschichten bekommt. Ich möchte weitergeben einfach mal diesen Schritt zu wagen und die eigene Sicherheitszone zu verlassen. Das Erweitern der persönlichen Grenze wird belohnt.
Was sind Deine nächsten Schritte?
Ich habe gerade einen Tanzfilm abgedreht, One Million Steps. Meine Protagonistin, eine Stepptänzerin aus Amsterdam kommt nach Istanbul und kann sich nicht verständigen. Das einzige Mittel das sie hat um in Kontakt mit den Menschen zu treten ist ihr rhythmischer Tanz. Der Film ist ein Experiment in dem ich Musik, Rhythmus, Tanz als grenzenübergreifende Sprache erforsche.
Konstantin Faigle
Was hat Sie motiviert, Filmemacher zu werden? Was waren Auslöser für diese Entscheidung? Schlüsselerlebnisse?
Ein Erlebnis gab es in meiner Jugend: Als 14-Jähriger habe ich einen Ferienjob in einer Werkzeugteilefarbrik an einer Fräßmaschine gemacht. Teil einspannen, fräßen lassen, ausblasen, nachmessen, nächstes Teil, die Werkuhr dabei immer im Blick. Nach 4 Wochen stupider, aber "gut bezahlter Arbeit" wusste ich: So will ich nie arbeiten in meinem Leben (und zum Teil standen die Leute über 40 Jahre an einer solchen Maschine). Ich will wach bleiben, neugierig, etwas sinnvolles erschaffen und das alles in meinem Rhythmus und auch viel Muße haben. Ich war ein guter Schüler, begabt in jedem Bereich. Ich konnte alles, aber alles nicht perfekt -das hat mit dann zwangsweise und irgendwann einmal zum Filmemachen geführt, wo ich all meine Talente zusammenführen konnte. Und wo ich eine "Schaffenswelt" jenseits meines Ferienjoberlebnisses als Jugendlicher gefunden habe.
Wodurch sind Sie auf die Idee gekommen, „Frohes Schaffen“ zu machen?
Aufgewachsen in einem Gemischtwarenladen auf dem Land und somit ein Teil der "Arbeitsmasse" dieses Ladens (s. mein Film "Out of EDEKA") , beschäftige ich mich schon lange mit dem Thema "Arbeit". Konkret der Impuls für einen langen Kinofilm kam aber 2008. Ich hatte gerade eine Dokumentation für die WDR-Sendereihe "Menschen hautnah" gemacht mit dem Titel "Glückliche Nichtstuer" über zwei zufriedene Arbeitslose. Nach der Ausstrahlung explodierte der Blog der Redaktion. Die heftigen Reaktionen der Zuschauer gingen von "Das sind die Helden der neuen Zeit!" bis "Die sollte man doch wieder in ein Arbeitslager stecken!" Das hat mir gezeigt, dass es sich beim Thema Arbeit um weit mehr als nur das Materielle dreht. Arbeit ist eine Ideologie, eine weltliche Ersatzreligion, die uns Identität, Sinn und Halt gibt –und die absolut keine Ketzer duldet!
Wie ist das Konzept entstanden / die Menschen / die Orte?
In den Schriften des amerikanischen Sozialhistorikers Benjamin Hunnicutt habe ich dann meine Vermutungen und Thesen bestätigt gefunden. Er war einer der ersten, den ich unbedingt in dem Film haben wollte. Danach habe ich mir weitere interessante Interviewpartner auf der Welt gesucht, die mir wirklich neues und Überraschendes zum Thema Arbeit erzählen konnten. Die fünf, sechs Experten, die man in jeder Talkshow in Deutschland sieht, habe ich dabei bewusst ausgelassen. Dann ging es darum die Absurditäten unserer momentanen Arbeitswelt dokumentarisch zu beleuchten. Da war es schwierig eine Auswahl zu treffen, denn alles hat irgendwie mit Arbeit zu tun, da dieses Konstrukt die komplette Gesellschaft und unser Leben vereinnahmt. Die szenischen Teile waren sicher am schwierigsten zu schreiben. Doch diese Teile waren mir wichtig, da sie die Prototypen unserer Arbeitsgesellschaft beleuchten und zwischen den ganzen sprechenden Köpfen in Interviews und Dokuteilen auch für Erholung und Unterhaltung sorgen.
Was war / ist Ihnen besonders wichtig? Worauf haben Sie geachtet?
Bei den Interviewpartnern habe ich wie gesagt darauf geachtet, dass sie mir wirklich etwas Neues erzählen können, dass sie auch aus Bereichen kommen, der nicht im ersten Zusammenhang mit dem Thema Arbeit stehen (wie z.B. der Philosoph und Religionskritiker Michael Schmidt-Salomon oder die "Mem"-Expertin und Evolutionsbiologin Susan Blackmore). Bei den dokumentarischen Teilen habe ich mich dann oft von meinem Bauchgefühl leiten lassen, und dass die Phänomene auch nochmals einen Bereich zeigen, den man sonst nicht in den Medien sieht. Die Inszenierungen sollten dem Film dann die Möglichkeiten geben, Dinge mit fiktiven Figuren auf den Punkt zu bringen, ohne dabei reale Menschen zu diffamieren.
Was war schwierig? Wie sind Sie mit Problemen umgegangen? Wie haben Sie sie gelöst?
Viele der Interviewpartner hatten wenig Zeit z.B. Jeremy Rifkin in Washington. Ich habe allerdings viel Zeit und Geduld mitgebracht. Als er dann gemerkt hat, dass ich wirklich interessiert bin und mich nicht mit Medienstatements abspeisen lasse, hat er wahrscheinlich mit mir das längste Interview seines bisherigen Lebens geführt. Bei den dokumentarischen Drehs gab es auch einige Probleme: Z.B. im "Real life center" in Hamburg, der absurden Maßnahme für Langzeitarbeitslose, wollte niemand vor die Kamera, weil tags zuvor ein ARD-Team "verbrannte Erde" hinterlassen hat. Da ich jedoch genau wusste, dass wir das anders drehen wollen und das Phänomen absolut wichtig war und als pars pro tot für die ganze Arbeitswelt steht, war ich hartnäckig und wieder geduldig. Ich glaube, es hat drei Stunden gedauert, bis ich dann die zwei Männer gefunden und überzeugt habe, dass dies nicht der schnelle Medienschuss wird und ich sie nicht verfeure. Beim Spielfilmdreh und dem Stress mit einem fast 30-köpfigen Team hat mir dann oft geholfen zu sagen: "Ist ja nur ein Film!"
Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse aus dem Film?
Geduld und Spucke zahlen sich aus. Und zwar in dieser Reihenfolge: Erst Geduld und Muße, dann Spucke und Anstrengung. Immer nur verbissen rackern klappt nicht, genauso wenig wir nur rumhängen und wie es so schön neudeutsch heisst "chillen"
Was sollen die Zuseher mitnehmen?
Arbeit ist nicht per se richtig und wichtig und Muße nicht per se falsch und abzulehnen. Erst wenn die Matrix der Arbeitsideologie bröckelt (und damit auch die unserer marktwirtschaftlichen und um jeden Preis produzierenden Welt), kann man über weitere Dinge wie z.B. ein Grundeinkommen nachdenken.
Wenn Sie einen Wunsch frei haben? Was wünschen Sie sich?
Schwierig... Zwei tolle Töchter habe ich schon. Naja, weiterhin so mußevoll und sinnvoll schaffen zu können, damit ich dann einst auf meinem Sterbebett sagen kann: Danke für das Leben und Tschüss!
Was möchten Sie anderen weitergeben?
Vielleicht meine Haltung als Mensch und Filmemacher und dass ich keiner bin, der jetzt schnell einen Film über das Phänomen macht und dann über jenes, das sich dann auch gut verkaufen lässt. Ich bin ein ganzheitlicher Mensch und keine Filmmaschine -womit wir wieder bei meinem Ferienjob in der Jugend und meinen vielen Fertigkeiten wären.
Was sind Ihre nächsten Schritte?
Das hängt mit dieser Sicht auf mein Schaffen zusammen: Ich habe gerade die "Akademie des Frohen Schaffens" gegründet. Dies soll eine multimediale Internetplattform werden mit weiteren kleinen Filmen, Hörstücken, Interviews, Musik, Visionen und Lösungsansätzen – und natürlich mit mir. Hier soll ein breites Austauschforum zum Thema frohes Schaffen, Muße und Menschlichkeit entstehen, in dem ich das Thema Arbeit, das ja eigentli