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Öl- und Gasbranche in schwierigem Terrain

oekom research die Nachhaltigkeit von 149 Unternehmen aus der Öl- und Gasindustrie analysiert

Ob in der Arktis, in der Tiefsee oder in Naturschutzgebieten in Alaska: Um die Nachfrage zu decken, zapft die Ölindustrie immer schwieriger zu erreichende Vorkommen an. Dabei fehlt es häufig an Technologien, um die damit einhergehenden Risiken beherrschen zu können. Die Kontrolle der Umweltrisiken ist aber nur eine der Nachhaltigkeitsherausforderungen, denen sich die Branche stellen muss. Insgesamt erreichen in der aktuellen Branchenanalyse lediglich neun der 149 bewerteten Unternehmen den oekom Prime Status. Er wird an Unternehmen vergeben, die die von oekom research definierten Mindeststandards an das Nachhaltigkeitsmanagement erfüllen. 26 Unternehmen konnten sich auf Basis ihrer Nachhaltigkeitsleistungen für ein detailliertes Rating qualifizieren. Als bester integrierter Öl- und Gaskonzern erhält die österreichische OMV die Note B- auf der von A+ (Bestnote) bis D- reichenden Skala. Auf den weiteren Plätzen folgen Total (FR) und Hess Corp (US), die beide ebenfalls ein B- erreichen. Bei mehr als 75 Prozent der Unternehmen reichen die bisherigen Maßnahmen im Nachhaltigkeitsbereich nur für ein Rating im D-Bereich.

Im Rahmen ihrer „Save the Arctic“ Kampagne hat die Umweltorganisation Greenpeace aktuell Royal Dutch Shell (NL) und deren Explorationsaktivitäten in der Polarregion im Visier. Der niederländische Ölkonzern steht hier nach Einschätzung von oekom research nur stellvertretend für zahlreiche Unternehmen der Branche. „Der Druck der Aktionäre auf die Unternehmen ist groß, verbrauchte Öl- und Gasreserven schnellstmöglich und vollständig durch neue Vorkommen zu ersetzen,“ erläutert Kristina Rüter, verantwortliche Branchenanalystin bei oekom research, die Situation. „Die Erschließung dieser Vorkommen ist häufig mit schwerwiegenden Umweltverschmutzungen verbunden.“ Ursache hierfür ist unter anderem, dass für kritische Situationen wie einem unkontrollierten Ölaustritt in großer Tiefe keine Technologien zur Verfügung stehen, um die Situation zügig unter Kontrolle zu bringen. Die Vorgänge um die Plattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko im Jahr 2010 haben dies eindrücklich gezeigt. Vergleichbare Fälle sind für die Zukunft keineswegs ausgeschlossen. Neben der Förderung bleiben die Raffination und der Transport mit Schiffen oder Pipelines mit Umweltrisiken behaftete Schritte in der Wertschöpfungskette.

Gleichzeitig muss immer mehr Energie in die Förderung und Aufbereitung von Öl und Gas gesteckt werden, was wiederum die Treibhausgasemissionen ansteigen lässt. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen: Während die norwegische Statoil nur 22,9 Kilogramm CO2 je geförderter Tonne Rohöl ausstößt, sind es bei Royal Dutch Shell 63,0 Kilogramm und bei ConocoPhillips (US) sogar 103,0 Kilogramm. Ursächlich für die Unterschiede sind neben den unterschiedlichen natürlichen Gegebenheiten die verwendete Technologie und die Effizienz des Anlagenbetriebes. Aus Klimaschutzsicht dramatisch hoch sind die Treibhausgasemissionen bei der Gewinnung von Öl aus Teersanden (bis zu 400 Kilogramm) und der Produktion von Kraftstoffen aus Kohleverflüssigung (bis zu 3.000 Kilogramm).

Insgesamt bleiben die Klimaschutzanstrengungen der Konzerne halbherzig. Zwar bekennen sich alle 26 detailliert analysierten Unternehmen zum Klimaschutz, konkrete Reduktionsziele setzen sich aber nur drei Unternehmen (Hess Corp, Statoil und Total). Auch der Einstieg in die Erzeugung erneuerbarer Energie lässt weiter auf sich warten. Viele Jahre, nachdem der britische Ölkonzern BP die „Beyond Petroleum“ Ära ausgerufen hat, fehlt es weitgehend an strategischen Zielen und konkreten Investitionsprogrammen, um die Unternehmensstrategie auf sinkende Förderraten und steigende Klimaschutzbestimmungen auszurichten.

Obwohl die vielfach diskutierte Parallelität der Preisentwicklungen an den Tankstellen der Ölkonzerne von den Wettbewerbshütern bisher nicht als Kartellvergehen bestraft wurde, weisen aktuell mehr als 40 Prozent der detailliert analysierten Unternehmen einen Wettbewerbsverstoß auf. Ursache sind meist Preisabsprachen bei petrochemischen Produkten wie Paraffin oder Bitumen. Auch die Korruptionsbekämpfung bleibt in der Öl- und Gasbranche ein heikles Thema. „Korruption ist in vielen ressourcenreichen Ländern ein massives Problem“, erläutert Kristina Rüter. „Zwar haben sich zahlreiche Unternehmen der Extractive Industry Transparency Initiative (EITI) angeschlossen und sich damit verpflichtet, ihre Zahlungen an Regierungen in kritischen Ländern gegenüber der Organisation offenzulegen. Es ist aber ein Manko, dass viele Unternehmen diese Zahlen nicht öffentlich zugänglich machen.“

Die Impulse für eine stärkere Berücksichtigung von Umwelt- und Klimaschutzzielen in der Öl- und Gasindustrie müssen nach Ansicht von Kristina Rüter primär aus der Politik kommen: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die freiwilligen Initiativen des Sektors nicht die erforderliche Trendwende bringen.“ Mögliche Maßnahmen sind hier beispielsweise die Streichung von Subventionen und Steuererleichterungen für die Branche und strengere Umweltauflagen für Aktivitäten in sensiblen Naturräumen.

Zur Zusammenfassung der Branchenanalyse

Weitere Informationen:

oekom research – die Nachhaltigkeits-Ratingagentur
Die oekom research AG zählt zu den weltweit führenden Rating-Agenturen im Bereich des nachhaltigen Investments. Die Agentur analysiert Unternehmen und Länder hinsichtlich ihrer ökologischen und sozialen Performance. Als erfahrener Partner von institutionellen Investoren und Finanzdienstleistern identifiziert oekom research diejenigen Emittenten von Aktien und Rentenpapieren, die sich durch ein verantwortungsvolles Wirtschaften gegenüber Gesellschaft und Umwelt auszeichnen. Mehr als 75 Asset Manager und Asset Owner beziehen das Research der Rating-Agentur regelmäßig in ihre Anlageentscheidungen ein. Die Analysen von oekom research beeinflussen dadurch aktuell über 140 Milliarden Euro Assets under Management.

www.oekom-research.com