zum Inhalt springen

Perrine Schober, Gründerin Shades Tours

Mit Obdachlosen durch Wien.

Shades Tours bietet Stadtrundgänge, die von Obdachlosen geführt werden. Sie geben authentische und fachkundige Einblicke in eine unbekannte und meist ungesehene Welt mit vielen Geschichten vom Leben und Überleben in der Großstadt. Sie verbindet Fakten mit persönlichen Geschichten und bringt damit Licht in die komplexe Welt der Obdachlosigkeit. Mit welchen Herausforderungen leben obdachlose Menschen? Wie funktioniert das Wiener Sozialsystem? Welche Lösungsansätze werden von welchen Sozialeinrichtungen angeboten?

Perrine Schober, die Gründerin von Shades Tours hat Tourismus-Management studiert und sich auf „Tourismus als volkswirtschaftliches Instrument der Armutsverringerung” spezialisiert. 2014 hat sie ihren Job als Marketing und Sales Managerin bei der Französischen Zentrale für Tourismus in Wien gekündigt. „Ich fand heraus, dass Marketing und Sales meine persönlichen Stärken sind und dass das Soziale meine Leidenschaft ist. Das galt es zu verbinden. 2015 bin ich dann auf einen Artikel gestoßen, der „Touren geführt von Obdachlosen“ in Amsterdam, Prag, Barcelona und Berlin präsentierte. Ich habe die Touren besucht und gleich erkannt, dass das in Wien schwer möglich sein werden, da das strenge Fremdenführergewerbe nur wenig Platz für alternative Tourenarten gibt.“

Sie hat es trotzdem versucht. Ein wichtiger Schritt für Shades Tours war es, die unterschiedlichen Wiener Sozialeinrichtungen von der Idee zu überzeugen. Dies gelang vor allem mit intensiven und offenen Gesprächen. „Sie haben mich zu Beginn vor allem unterstützt, die ersten Guides zu rekrutieren.“

Die Zusammenarbeit mit den Guides ist auch der wichtigste Baustein im Unternehmen. „Zuerst galt es ihnen die Philosophie und Werte von Shades Tours zu übermitteln. Offenheit, detaillierte Erklärungen und Transparenz sind hier sehr wichtig. Ich erkläre sowohl die Möglichkeiten, jedoch auch, dass es sich um harte Arbeit handelt. Wer dann zum nächsten Gesprächstermin kommt, ist im Normalfall an der Zusammenarbeit wirklich interessiert. Es muss auch klar sein, dass ich unternehmerisch handle und keine Sozialarbeiterin bin.“

Beim Personal ergeben sich jede Menge technische Herausforderungen, etwa wenn für die Mitarbeiteranmeldung eine gemeldete Postadresse, ein Bankkonto oder eine Versicherungsnummer fehlt. Das ist für die Guides aber auch ein Anreiz sich darum zu kümmern. Die Kooperation mit der Gemeinde Wien, den Wiener Sozialeinrichtungen und Sozialträgern ist dabei ganz wesentlicher Bestandteil.

Neben der sozial-politischen Bildung der TeilnehmerInnen bieten die Touren den Guides ein Einkommen, Motivation, Selbstvertrauen und sind somit ein Instrument, den steinigen Weg wieder raus aus der Obdachlosigkeit zu finden.

Für die Zukunft hat Schober schon einige Pläne: „Wir arbeiten sowohl an der Produktdiversifikation als auch an Möglichkeiten des Social Franchisings für andere nationale und internationale Städte.“ Ihr wichtigstes Ziel ist, dass Shades Tours auf eigenen Beinen stehen kann. „Dann weiß ich, dass die Nachhaltigkeit sowohl im sozialen aber auch im wirtschaftlichen Aspekt gegeben ist. Das bedeutet aber auch, dass die Qualität bestechend gut sein muss, um am Markt bestehen zu können. Ich glaube ich bin einfach ein ‚Wirkungs-Junkie‘ mit einem ausgeprägten Sinn für Kundenzufriedenheit.“

SHADES TOURS E.U.
Gegründet: 2015
Sitz: Wien
Geschäftsfeld/Branche: Tourismus / Soziales
Anzahl der MitarbeiterInnen: 3 Guides

Die Tour kostet 15 Euro pro Person, findet regelmäßig statt und kann auch auf Anfrage organisiert werden. Anmeldung und Tourentermine finden Sie unter www.shades-tours.com.

Foto: Ludwig Schedl

Das sagt ein Guide

Robert: Shades Tours hat auf vielfältige Weise mein Leben verändert. Es fällt mir schwer dies in Worten auszudrücken, aber als ich Perrine kennen lernen durfte, dachte ich noch, dass ihre Unternehmensidee ziemlich verrückt klingt. Damals war ich noch tief in den Schatten Wiens als Obdachloser gefangen und dass ich dadurch in einer gewissen Weise ein Experte des Sozialsystems sei und es im Gegenzug Menschen geben würde, die diese Aufklärung suchen, klang einfach außerirdisch für mich. Doch in der Tat gab es viele Interessierte und auch ich merkte schnell, was es überhaupt wieder bedeutet eine Aufgabe und eine gewisse Regelmäßigkeit in meinem Leben zu haben. Wie ich langsam begann wieder mehr aus mir heraus zu kommen und selbstbewusster zu werden. Perrine bietet obdachlosen Menschen eine Chance, die grade die Nicht Anspruchsberechtigten des Sozialsystems hier in Wien sonst nie haben würden. Einen Zwischenschritt der fehlt und einem wirklich dabei hilft wieder in das normale Leben integriert zu werden. Ich habe einen Menschen gehabt in Perrine, die wieder an mich und meine Fähigkeiten glaubte. Im Gegenzug glaubte ich auch selbst wieder daran und aus einer Chance wurde wirklich eine Perspektive. Ich bin nun seit 10 Monaten bei Shades Tours und bin seit über 3 Monaten nicht mehr obdachlos, habe eine Krankenversicherung, bin überall gemeldet und empfinde auch oft Stolz. Nicht nur wegen den Veränderungen in meinem Leben, sondern auch durch die vielen Nachrichten, Briefe, Anrufe und Mails von früheren Teilnehmern, denen ich auch eine komplette neue Sicht auf dieses schwierige und komplexe Thema geben konnte und die mir immer das Gefühl gaben auf Augenhöhe mit ihnen reden zu können und keine Verurteilung zu sehen, sondern Verständnis. Wie heißt es so schön ein Mensch ohne Zweck wandert ziellos. SHADES TOURS gab mir und meinem Leben wieder einen Sinn.

Das sagen TeilnehmerInnen

Sabine aus Kärnten: Unglaublich tolle Erfahrung! Plötzlich sieht man die Obdachlosigkeit mit anderen Augen. Aber das Tollste daran ist, dass dieses Programm dazu beitragen kann, Obdachlosen aus ihrer Situation zu helfen.

Julia aus Wien: Ausgesprochen Empfehlenswert, auch für Jugendliche! Die Tour ist eine gelungene Mischung aus einer Sightseeing Tour durch meist unbekannte Stadtteile aber auch ausgesprochen informativ und horizonterweiternd in Sachen Blick auf die Stadt Wien und ihr soziales Ungleichgewicht. Seit der Tour nehme ich viele Ecken der Stadt neu wahr. Das Thema der Obdachlosigkeit bekam für mich nach dieser Führung eine ergänzende Blickrichtung. Die Tour hat einen großen und vielfältigen Mehrwert, der Kostenbeitrag/Preis erfüllt einen guten Zweck und ist mehr als fair für das was man als Teilnehmer bekommt.

Klaudia aus Graz: Die zweistündige Tour war wohl eines der bereicherndsten Erlebnisse, das man in Wien erfahren kann. So tiefe Einblicke in ein facettenreiches Schattendasein, soviel Menschlichkeit und wertvolle Aufklärungsarbeit.