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Unbequeme Wahrheiten.

Über das komplizierte Verhältnis von Ethik, Gestaltung und Populismus. - Gastkommentar von Dr. Fred Luks -

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Es ist alles sehr kompliziert. Ethik zum Beispiel. Oft hört man die Forderung nach „ethischem Verhalten“. Was dabei kaum thematisiert wird: welche Ethik hier eigentlich gemeint ist. Es kann ja auch eine Ethik rücksichtsloser Profitmaximierung oder der monomanischen Befriedigung eigener Bedürfnisse geben. Auch das ist dann eine Ethik, die aus Sicht der „Nachhaltigkeit“ vielleicht keine gute ist – aber eben dennoch eine Ethik bleibt.

Denn Ethik heißt wesentlich: Reflexion. Was uns zu den Gestalterinnen und Gestaltern der „Nachhaltigkeit“ bringt: denn manche agieren bisweilen, so scheint mir, recht unreflektiert. Nach meiner Auffassung sollten sie keine Gutmenschen sein, die das staunende und nach Orientierung lechzende Publikum mit einfachen Sinnangeboten abspeisen. Gestalterinnen und Gestalter sollten ihrer Verantwortung gerecht werden – und das schließt ein: den eigenen Standpunkt hinterfragen und im Ringen über „Nachhaltigkeit“ unbequeme Wahrheiten aussprechen. Stattdessen werden heute, wenn es um die „Nachhaltigkeit“ geht, immer öfter einfache „Lösungen“ präsentiert. Das ist populistisch.

Dieser Populismus hat viele Formen. Bildungsbashing ist eine davon. Ich finde es unerträglich, wenn man vor jungen Leuten ein Universitätsstudium als verschwendete Zeit schlechtredet. Gewiss: Nicht alle müssen studieren. Aber dass Menschen mit Hochschulabschluss in der Regel sehr hohe Chancen auf einen guten Arbeitsplatz haben, sollte sich herumgesprochen haben – und auch, dass man im Studium durchaus nachhaltigkeitsrelevante Kompetenzen erlernen kann. Mit Verlaub: Wenn Kräuterhersteller sich öffentlich und abschätzig und unter aufbrandendem Gesinnungsapplaus über universitäre Bildung lustig ma­chen, hat das wenig mit verantwortungsvoller Gestaltung und viel mit verantwortungslosem Populismus zu tun. Ähnlich verhält es sich, wenn Schuhhersteller im Fernsehen als Finanzmarktexperten durchgehen, und wenn Weltrettungsplanhersteller am Schreibtisch eine neue Wirtschaftsordnung entwerfen, die historisches wie fachliches Wissen gelinde gesagt unzureichend berücksichtigt.

Bei diesen Beispielen geht es nicht um Personen, sondern um Positionierungen. Wer die Freiheit zur Gestaltung hat, muss sich auch der Verantwortung stellen, die mit dieser Freiheit einhergeht. Wer im öffentlichen Diskurs Gehör findet, sollte entsprechend agieren, und das heißt ganz wesentlich: den Leuten die Erkenntnis zumuten, dass „Nachhaltigkeit“ nicht „einfach“ zu haben ist, sondern Meinungsunterschiede, Paradoxien und mühsame Aushandlungsprozesse impliziert. Es kann nicht oft genug betont werden – die Originalfassung des Sinowatzschen „Es ist alles sehr kompliziert“ enthält eine wichtige Botschaft für das Ringen um „Nachhaltigkeit“: „Ich weiß schon (…), das alles ist sehr kompliziert so wie diese Welt, in der wir leben und handeln, und die Gesellschaft, in der wir uns ent­falten wollen. Haben wir daher den Mut, mehr als bisher auf diese Kom­pliziertheit hinzuweisen; zuzugeben, daß es perfekte Lösungen für alles und für jeden in einer pluralistischen Demokra­tie gar nicht geben kann.“ Genau: Perfekte Lösungen gibt es nicht, und einfache auch nicht. Wer den Leuten etwas anderes verkauft, kann nicht verantwortungsvoll gestalten, sondern agiert populistisch.

Ich finde, das musste mal gesagt werden.

Fred Luks ist Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zu seinen Publikationen zählen die Bücher „Endlich im Endlichen“ und „Irgendwas ist immer. Zur Politik des Aufschubs.“ Vor kurzem ist bei Metropolis sein neues Buch „Öko-Populismus“ erschienen.