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Wasser sparen in der Landwirtschaft

Tullner Forscher entwickeln Hydrogel gegen globale Wasserkrise der Landwirtschaft

Der Klimawandel lässt die Temperaturen steigen und Wasser immer knapper werden. In Zusammenarbeit mit dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und der BOKU Wien hat das Tullner Unternehmen Agrobiogel ein natürliches, holzbasiertes Hyrogel entwickelt, das ein Vielfaches seines Gewichtes an Wasser aufnehmen,  speichern und über lange Zeiträume kontinuierlich an Böden abgeben kann. Das ermöglicht der Landwirtschaft – die mit 70 Prozent der globalen Wasservorräte als Hauptverbraucher gilt – zukünftig Wasser effizienter nutzen und vor allem vom Klimawandel stark betroffene Gebiete mit Wasser versorgen zu können. Die Technologie hat das Potenzial, die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030, welche die nachhaltige Bewirtschaftung von Wasserressourcen offiziell zu einem Menschenrecht erklärte, wesentlich zu unterstützen.

Tulln, Wien Die weltweit kontinuierlich steigenden Temperaturen ziehen eine sich verschärfende Wasserkrise nach sich. Insbesondere in der Landwirtschaft wird Wasser vielerorts ineffizient genutzt. Weltweit gehen ca. 70 Prozent der Wasservorräte aus Flüssen, Seen und Grundwasserleitern auf das Konto der Agrarindustrie, in Europa sind es laut Europäischer Umweltagentur bereits 24 Prozent der Wassereinnahmen.

Auf der einen Seite wird dadurch die Umwelt zerstört, was sich in der Erschöpfung von Grundwasserleitern, der Verringerung des Abflusses von Flüssen, der Zerstörung von Lebensräumen für Wildtiere und ganzer Ökosysteme sowie einer steigenden Schadstoffbelastung zeigt. Auf der anderen Seite wird laut „UN-Weltwasserbericht 2021“ die Landwirtschaft zur Nahrungsmittelproduktion bei unveränderten Trends und aufgrund der anwachsenden Weltbevölkerung schon in wenigen Jahren um die Hälfte mehr Wasser benötigen als derzeit verwendet wird. Das Problem: Es ist schlichtweg zu wenig Wasser dafür vorhanden. Daher ist dringend eine neue Bewertung von Wasser erforderlich. Technologien müssen entwickelt werden, die der weltweiten Landwirtschaft und großen Wasserverbrauchern wie der Industrie eine effizientere Nutzung von Wasser erlauben. Nicht zuletzt ist die nachhaltige Bewirtschaftung von Wasserressourcen als eines der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 offiziell zu einem Menschheitsziel erklärt worden.

Agrobiogel, acib und BOKU wollen weltweite Wasserkrise verhindern

Um die weltweite Landwirtschaft gegen prognostizierte Dürreperioden zu immunisieren, hat das Tullner Start-up Agrobiogel in enger wissenschaflicher Zusammenarbeit mit dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib ) und der BOKU – Universität für Bodenkultur Wien ein natürliches Hydrogel entwickelt.

„Hydrogele - auch Superabsorber genannt - sind polymere Materialien, die in der Lage sind, ein Vielfaches ihres eigenen Gewichtes an Wasser aufzunehmen und zu speichern. Die Technologie ist an sich nicht neu, jedoch sind bisher am Markt verfügbare Hydrogele zumeist toxisch und sensitiv gegenüber Salz. Nachteile, die sie für den Einsatz in der Landwirtschaft ungeeignet machen. Unser Hydrogel ist ein natürliches, superabsorbierendes Biogel, basierend auf Holz, welches bei der Herstellung von Papier als Abfallprodukt anfällt. Agrobiogel ahmt nicht nur Humus nach, es zerfällt mit der Zeit sogar zu Humus und verbessert damit die Fruchtbarkeit von Böden. Somit verwandelt es unfruchtbare Böden in fruchtbare Böden, und etwa auch auf sandigen oder losen Böden, z.B. in Wüstengebieten oder in städtischen Zentren für Kulturpflanzen und -bäume, eingesetzt werden. Da es über einen längeren Zeitraum kontinuierlich Flüssigkeit abgibt, können wir vor allem vom Klimawandel stark betroffene Gebiete mit Wasser versorgen“, erklärt Gibson Nyanhongo, Co-Gründer und Cheftechnologe von Agrobiogel GmbH.

In ersten Anwendungsversuchen konnten dank der innovativen Technologie z.B. Pflanzen bis zu 52 Tage ohne Gießen überleben.

Reduktion von Dünger- und Wassereinsatz

Da 80 Prozent der Bauern weltweit auf regenwassergespeiste Landwirtschaft setzen, könnte die Tullner Technologie zukünftig sowohl den Verbrauch von Wasser als auch bis zu 70 Prozent an Dünger reduzieren.

„Zuerst wird das Regenwasser aufgesaugt und dann kontinuierlich an den Boden abgegeben. Der Vorteil ist, dass Hitzeperioden darauf keinen Einfluss nehmen, da Pflanzen ja mit Wasser versorgt werden. Andere Technologien basieren meist auf Stärke- oder Polysaccharide und lösen sich schon in wenigen Monaten auf, wohingegen unser Gel viele Jahre im Boden seinen Dienst verrichtet. Bis dato hat es lediglich 11 Prozent seiner Wasserspeicherkapazität verloren – nach drei Jahren im Boden. Verrichtet es irgendwann nicht mehr seinen Dienst, wandelt sich das Material einfach in Humus um. Dem Ansatz der zirkulären Bioökonomie folgend, schließt das Gel also den Produktkreislauf “, verrät Nyanhongo.

Laufende Verbesserung dank wissenschaftlicher Expertise

In Zusammenarbeit mit dem acib und der BOKU Wien am Department für Agrarbiotechnologie untersuchen die Forscher, wie sich das die enzymatisch-polymerisierte Lignin auf die Verbesserung der Bodeneigenschaften, das mikrobielle Ökosystem des Bodens und auf das Pflanzenwachstum und die Pflanzengesundheit auswirkt. Ziel der gemeinsamen Zusammenarbeit ist, das Produkt laufend zu verbessern.

Testphase erfolgreich absolviert

AgroBiogel ist ein Spin-off der BOKU, welche die die patentierte Erfindung entwickelt hat und bei der diesjährigen Unternehmensgründung von Agriobiogel unterstützte.

„Wir haben aktuell die Testphase erfolgreich abgeschlossen und produzieren mit eigenen Maschinen unser Produkt bereits für den weltweiten B2B-Markt“, freut sich Nyanhongo. „Agrobiogel zählt zu einem der heimischen Vorzeigebeispielen für erfolgreiche Innovation. Wir sind davon überzeugt, dass das Produkt in unterschiedlichen Anwendungsgebieten eingesetzt werden und eine Reihe an Herausforderungen lösen kann“, erklärt Mathias Slatner, Innovationsmanager am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib).

Erste Kunden stammen zum Beispiel aus der Landwirtschaft, der Pharma-, Medizin- und Baubranche sowie Tierheimen. Auch Vertical Farming für die Begrünung von Autobahntrassen oder Häuserfassaden ist angedacht. Kunden können derzeit zwischen einem Gel oder einem Granulat wählen.

Ausgezeichnete Technologie

Die zukunftsweisende Technologie gewann neulich den riz up GENIUS Ideen- und Gründerpreis 2021 in der Kategorie Geniale Forschung & Entwicklung. Bleibt zu hoffen, dass die Technologie schon in Bälde der Landwirtschaft helfen wird, das knapper werdende Gut Wasser sparender einzusetzen.

Über acib

Das 2010 gegründete Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Biotech-, Chemie- und Pharmaindustrie und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild. Das acib, eine Non-Profit-Organisation, ist ein internationales Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie mit weltweiten Standorten und Hauptsitz in Graz. acib versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen. Eigentümer des acib sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen des COMET-Programms durch das BMVIT, BMDW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.