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Weniger Lebensmittelabfall in Großküchen: Auf dem Weg zu einem neuen Branchenstandard

Die Initiative United Against Waste hat gemeinsam mit 15 namhaften österreichischen Großküchenbetreibern ein ambitioniertes Projekt zur Vermeidung von Lebensmittelabfall in der Gemeinschaftsverpflegung z.B. in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Betriebsrestaurants gestartet. Im Rahmen einer Pilotphase wurde eine einheitliche Messmethodik erarbeitet.

Markus Hlousek (KH Floridsdorf), Petra Götz (KAV), Andreas Zotz (United Against Waste), Michael Freitag (Sodexo Austria), Herbert Nentwich (KAV) und Christina Schmidt (KH Hietzing). Foto: UAW
Markus Hlousek (KH Floridsdorf), Petra Götz (KAV), Andreas Zotz (United Against Waste), Michael Freitag (Sodexo Austria), Herbert Nentwich (KAV) und Christina Schmidt (KH Hietzing). Foto: UAW uaw_mg_kh hietzing_01

In der österreichischen Gemeinschaftsverpflegung fallen jährlich rund 60.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle (exklusive unvermeidbare Zubereitungsreste) an – mehr als in der Gastronomie (45.000 t) und in der Beherbergung (50.000 t). An einzelnen Großküchen-Standorten mit hohen Ausspeisemengen kann der Warenwert vermeidbarer Lebensmittelabfälle deutlich über EUR 200.000 liegen. Das zeigt eine in den Jahren 2014 bis 2015 durchgeführte Studie der Initiative United Against Waste (UAW) in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien.
Um diese enormen Einsparpotenziale zu nutzen, hat UAW in Zusammenarbeit mit Großküchenbetreibern ein ambitioniertes Projekt gestartet: Gemeinsam wird ein branchenweites System zur Überwachung und nachhaltigen Reduktion des Lebensmittelabfalls entwickelt. „Ziel ist die Etablierung eines Instrumentes zur breiten Anwendung in der Gemeinschaftsverpflegung. Es soll eine verlässliche Kennzahl zur Performance von Großküchen beim Lebensmittelabfall liefern und je nach Handlungsbedarf zielgerichtete Maßnahmenpakete vorsehen. Wichtig dabei ist, dass für die Unternehmen nur wenig Zeit- und Kostenaufwand entsteht!“, so Axel Schwarzmayr, Geschäftsführer von Unilever Austria und Mitbegründer von UAW.

Unternehmensübergreifende Methodik für laufendes Abfallmonitoring entwickelt

Als erster Schritt wurde im Rahmen einer Pilotphase eine einheitliche und einfache Messmethodik für die Dauerbeobachtung von Lebensmittelabfällen getestet. Über sechs Monate lang haben insgesamt 69 Großküchenstandorte ihre bestehenden Daten zusammen mit einmaligen Profilinformationen (u.a. zu Betriebsgröße, Öffnungszeiten, Produktions- und Ausgabesysteme, Vielfalt des Speiseangebotes u.v.a.) anonym in eine zentrale Datenbank eingespeist.

Die Ergebnisse zeigen den Teilnehmern zum ersten Mal, wo ihre Standorte beim Lebensmittelabfall stehen – sowohl im Vergleich intern als auch mit anderen Betrieben – und wo die größten Hebel für weiterführende Maßnahmen liegen. Die einzigen Datengrößen die dafür nötig sind: Ausspeise- und Entsorgungsmenge pro Standort. Filtermöglichkeiten bei der Auswertung stellen sicher, dass nur Standorte mit ähnlichen Rahmenbedingungen miteinander verglichen werden.
Petra Götz, Küchenprogrammleiterin beim Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) hierzu: „Für uns als eine der größten Gesundheitseinrichtungen in Europa mit jährlich zirka 400.000 stationär aufgenommenen Patientinnen und Patienten sowie über 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, spielt der respektvolle Umgang mit Lebensmitteln eine wichtige Rolle. Ziel ist, gesunde, schmackhafte Speisen und so wenig Lebensmittelabfall wie möglich zu produzieren. Die Teilnahme am Projekt von UAW bietet nun die Gelegenheit, über den eigenen Tellerrand zu blicken sowie Sichtweisen und Erfahrungen mit anderen Institutionen auszutauschen.“
Neben dem KAV nahmen seitens der öffentlichen Einrichtungen auch das Österreichische Bundesheer, die Oberösterreichische Gesundheits- und Spitals AG (gespag), das Landesklinikum Mauer und die Seniorenwohnhäuser der Stadt Salzburg sowie führende private Betreiber wie Eurest, Gourmet, Sodexo, SV-Group, Contento, Kulinario, SANA Catering, Go Gastro, business lounge und das Ordensklinikum Linz an der Pilotphase teil.
 

Organisationsstrukturen und Produktionssysteme haben Auswirkung auf Lebensmittelabfall

Aufgrund der Pilotergebnisse lassen sich erstmals handfeste Hypothesen zum Lebensmittelabfallaufkommen in der Gemeinschaftsverpflegung ableiten. So zeigt sich beispielsweise, dass Betriebsrestaurants niedrigere Abfallquoten aufweisen als Krankenhäuser oder Pflegeheime. Die Ergebnisse legen zudem nahe, dass die Organisationsstruktur bzw. Unternehmenskultur eines Betreibers einen wesentlichen Einfluss auf das Entstehen von Lebensmittelabfall hat. Darüber hinaus fällt an Standorten mit Frischproduktion tendenziell weniger Lebensmittelabfall an als dort, wo Speisen regeneriert werden (trotz der mit eingerechneten Zubereitungsreste). Auch schneiden Standorte mit wählbaren Komponenten z.B. bei Beilagen besser ab, ebenso wie Betriebsstätten mit wenigen Essensausgabestellen (z.B. nur einem einzigen Speisesaal). Diese und weitere Erkenntnisse sollen künftig im Rahmen eines größeren Gesamtsamples vertiefend untersucht werden.

Ausbau zu Branchenstandard für flächendeckende Umsetzung von Reduktionsmaßnahmen

„Die Ergebnisse der Pilottests zeigen einmal mehr, wie wichtig das Thema für uns als Großküchen-Betreiber ist und wie hoch das Einsparpotenzial an bestimmten Standorten sein kann. Jetzt ist es wichtig, die Kräfte in der Branche für eine gemeinsame Vorgehensweise zu bündeln und möglichst viele Akteure zur Ausweitung des Projektes zu gewinnen.“, fasst Michael Freitag, Geschäftsführer von Sodexo Solutions Austria GmbH und Vizepräsident des Dachverbandes GV-Austria zusammen.
Die Erfahrungen aus der Pilotphase werden derzeit mit den Partnern nachbesprochen und die Erhebungssystematik optimiert. Ab Frühjahr 2018 soll das Monitoring-Tool den Normalbetrieb aufnehmen und mit einheitlichen Vorgehensweisen für Reduktionsmaßnahmen kombiniert werden. Dann kommen, je nach Handlungsbedarf eines Standortes, verschiedene Eskalierungsstufen zum Einsatz: Angefangen von Selbstevaluierungen durch die Standortverantwortlichen mit eigenständiger Festlegung von Kernmaßnahmen über Peer-to-Peer Workshops bis – bei fortlaufend hohen Abfallmengen – hin zu detaillierten Abfallanalysen und Vor-Ort-Beratungen.