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Wolfgang Mader, Obmann Otelo eGen

Kombiniere Unternehmertum mit Sicherheit.

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Wolfgang Mader Wolfgang Mader

Bereits während des Studiums Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Boku in Wien & Cork begeisterte sich Wolfgang Mader für den Vorsorgeorientierten Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Regionalentwicklung. Begegnungen mit Pionieren aus der Forschung & Praxis im Nachhaltigkeitsbereich und Biobereich z.B. Alois Tragler (Gründungsobmann SPES Verein und Biopionier) Frithjof Bergmann, Gerald Hüther, Dennis Meadows, Josef Radermacher, u.a. prägten ihn nachhaltig. Eines seiner wichtigsten Themenfelder „Arbeit im Wandel“ wandelte auch ihn selbst, veränderte seinen Arbeitsplatz und führte zur Gründung der Otelo eGen., gemeinsam mit seinen KollegInnen Marianne Gugler, Hannelore Hollinetz, Karin Hufnagl, Martin Hollinetz, Markus Luger, Georg Ottinger, Harald Prochaska, Daniela Waser, Daniela Enzinger, Tobias Haider, Gerda Haunschmid.

Die Gründung der Genossenschaft basiert auf mehreren Wurzeln und Fragestellungen.

  • Wie können EPU´s und die Kreativwirtschaft im ländlichen Raum gestärkt werden?
  • Wie schaffen wir ein attraktives und spannendes Umfeld und einen Organisationsrahmen für uns und andere neugierige Menschen, die selbstorganisiert und möglichst eigenständig agieren wollen?
  • Was braucht es für einen organisatorischen Rahmen um die Ideen, die in den Otelo Vereinen entstehen, zu machbaren und organisierbaren Projekten zu machen? Die einzelnen Standortvereine waren definitiv nicht die richtigen Organisationsformen, weil die Abwicklung von Projekten in der Größenordnung von 250.000,- Euro für ehrenamtliche Kassiere und Rechnungsprüfer nicht zumutbar ist. Die Vereine hatten als Vereinszweck nicht Anstellungen zu schaffen, sondern einen Freiraum, wo nach dem Motto „Druck raus, Lust rein!“ experimentiert werden konnte.
  • Grundidee war auch ein Modell für ein lernendes, kooperatives Unternehmen, dessen AkteurInnen sowohl UnternehmerInnen als auch ArbeitnehmerInnen sind, zu entwickeln.

Die „alte“ Organisationsform Genossenschaft schien für diese Anliegen am besten geeignet. Auch das Prinzip „Ein Kopf, eine Stimme unabhängig von den Anteilen“, die Haftung und die Summen sind überschaubar.

Was/Wer hat Sie unterstützt? Wo waren Hindernisse? Gab es auch Punkte, an denen das ganze Projekt hätte scheitern können? Wie ist es gelungen, die Hindernisse zu überwinden?

Sehr kritisch war am Anfang das österreichische Genossenschaftsrecht mit dem verpflichteten Beitritt zu einem der zwei großen Genossenschaftsverbände (Raiffeisen oder Schulze-Delitzsch, also Volksbanken). Nach den ersten Begegnungen und auch die intensive Unterstützung wurde das Vertrauen zum Raiffeisen Genossenschaftsverband aufgebaut.

Generell ist das Genossenschaftsrecht sehr verstaubt und es war sehr spannend einen Weg zu finden zwischen unseren Vorstellungen (Soziokratie mit Konsententscheidungen, Gendern, ….) und dem Genossenschaftsrecht. Wir mussten einen „Chaordic Path“ finden, der ja sehr innovativ sein soll. Die Rechtsabteilung des Genossenschaftsverbandes war oft mit uns beschäftigt und es fand sich immer ein Weg.

Intern gab es meiner Meinung nach die größten Spannungen aufgrund von Vertrauensmangel zwischen den Akteuren. Es war doch nicht so ohne, ein Unternehmen dieser Art zu führen, in Abhängigkeiten und auch in finanzielle Risiken zu geraten.

Überwunden wurde es durch den Aufbau von sogenannten „Sicherheitspuffern“, die die finanziellen Risiken verkleinerten. Je nach Höhe des jeweilig selbstbestimmten Gehalts bleibt ein Teil des Umsatzes als Sicherheitspuffer = Eigenkapital im Unternehmen. Die Höhe des Sicherheitspuffers ist begrenzt und würde am Ende des Dienstverhältnisses ausbezahlt werden.

Psychologisch waren die Puffer notwendig und sie sind es bis jetzt, auch wenn sie kompliziert sind und noch nie gebraucht wurden. Sie erhöhen das Eigenkapital des Unternehmens und damit auch die Liquidität.

Eine weitere Herausforderung ist die Führung und die Verteilung der „Overheadaufgaben“ unserer Organisation. Es arbeiten sehr eigenständige und selbstorganisierte Menschen (Ist ja ein Wunsch vieler Unternehmen) miteinander und doch braucht es rechtlich einen Vorstand und einen Obmenschen. Für diese beiden Herausforderungen haben wir mit dem Soziokratischen Kreismodell einen für uns sehr gut gehbaren und sympathischen Weg gefunden.

Wie sieht die Führung/Steuerung aus? Wer macht was? Wer bringt was ein? Wie klappt die Zusammenarbeit? Was ist dafür wichtig? Was können andere von Ihnen lernen?

Nach innen sind sie in soziokratischen Kreisen organisiert und teilen die geschäftsführenden Aufgaben untereinander auf. Der Vorstand besteht aus fünf Personen, die jeweils die Hosts für die Hauptkreise sind: diese sind der Koordinationskreis, Personalkreis, Finanzkreis, Öffentlichkeitsarbeitskreis und Organisationskreis.

Der Obmann ist Host vom Koordinationskreis, der sich fix einmal monatlich trifft. Im Koordinationskreis treffen sich alle angestellten Mitglieder der Genossenschaft. Derzeit sind wir 11 Personen. Die Otelo eGen will einen transparenten Unternehmensrahmen zur Verfügung stellen, in dem sich eine gute Vertrauensbasis entwickeln kann und in der sich die einzelnen Mitglieder füreinander interessieren. Durch unsere Organisation und den gemeinsamen Datenserver, weiß jeder über den anderen Bescheid.

Herausfordernd sind die gerechte Verteilung der „Overheadaufgaben“, wobei es derzeit außergewöhnlich gut und reibungslos funktioniert. Wir haben uns innerhalb sehr kurzer Zeit organisiert und abgestimmt. Ich persönlich habe sogar bei manchen Mitgliedern die Sorge, dass sie derzeit sehr viel in unbezahlte Arbeit stecken und dafür sich im Vergleich in einer zu geringen Höhe anstellen. Als Beispiel entsteht zurzeit ein internes, superpraktisches Wiki, eine elektronische Entscheidungssoftware wird getestet und die Serverstruktur wird umgebaut. Dies macht hauptsächlich im Moment ein Mitglied, weil er es kann und es unbedingt will.

Eine gute Arbeitsteilung inkl. der Kompetenzen, der Verantwortung und der Entscheidungsbefugnis finde ich sehr wichtig. Ebenso gönnen wir uns miteinander regelmäßige Supervision im Koordinationskreis.

Gibt es eine Beschränkung der Mitglieder nach unten bzw. oben? Planen Sie zu wachsen? Will jemand aussteigen?

Unser Plan beinhaltet derzeit max. 16 angestellte Mitglieder. Die maximale Anzahl der angestellten Mitglieder ist dort, wo noch alle gut an einem Tisch feiern können.

Ab Jänner 2017 sind wir zu zwölft. Es wird auch weiterhin Wechsel geben aber derzeit haben wir ein organisches Wachstum. Es gibt dazu auch eine Kennenlernphase / Einstiegsphase und durchaus auch Gründe, nicht dabei zu sein. Das kann sein, dass man besser als Kleinstunternehmer/in mit weniger als 30.000,- Euro Umsatz arbeitet, oder das mehr unternehmerisches selbständiges Agieren gefragt ist, als man vermutet hat.

Beschränkung nach unten haben wir noch nie diskutiert.

Was war die bisher tollste Erfahrung für Sie?

Für mich waren die „Offenen Wahlen“ die tollsten internen Erfahrungen. Dies ist eine Säule der Soziokratie, die für mich eine „Wertschätzungsorgie“ zum Genießen ist. Wir erstellen unseren Wahlvorschlag für den Vorstand auf diesem Weg. In der Generalversammlung wird über diesen Wahlvorschlag abgestimmt. (http://www.soziokratie.at/ueber-soziokratie/grundlagen/)

Was ist die Vision? Was sind die nächsten Ziele?

Wir haben in der Unternehmensgründung sehr nach innen geschaut und meist Aufträge ausgeführt, wo wir immer schon aktiv waren. Jetzt entwickeln wir zunehmend gemeinsame, innovative Projekte und Angebote.

Die Vision dahinter ist auch, gemeinschaftliche, sinnvolle Projekte zu initiieren und durchzuführen. Ebenso steigt die Sehnsucht einander öfter direkt zu begegnen. Das führt zu vermehrten Treffen zum Co-Working und Co-Creating.

Ein Zukunftsziel ist auch, die Verbreitung unserer Art der Genossenschaft zu unterstützen. Das Interesse ist sehr groß, genauso wie das Potential. Doch wir können die Organisationsentwicklung nicht unbezahlt begleiten. Ein einmaliger Vortrag reicht einfach nicht. Wir wollen einen Weg finden, dass die Gruppen auch entsprechend in einem Prozess begleitet werden können.

Otelo eGen
Gegründet: 2014
Sitz: Vorchdorf/OÖ
Geschäftsfeld/Branche: Unternehmensberatung, Werbeagentur und Mechatronik.
Anzahl der MitarbeiterInnen: 11 angestellte Genossenschaftsmitglieder, ab Jänner 2017 12.

Foto: Robert Maybach