Zwei Solisten im Duett
Der eine hat’s gerne langsam, braucht Zeit und Ruhe zum Reifen, der andere bevorzugt Geschwindigkeit bei der Verarbeitung und schmeckt frisch am Besten. Trotz dieser Gegensätze sind sie zusammen ein gutes Team. Aber auch als Solisten geben sie vielen Gerichten das gewisse Etwas: Essig und Öl.
Einen Esslöffel Essig mit Senf, Salz und Pfeffer verrühren, dann zwei bis drei Esslöffel Öl mit der Schneerute unterschlagen, bis sich eine sämige Masse ergibt. So lautet das einfache Grundrezept für eine Vinaigrette (Vinaigre = französisch für Essig). Diese Sauce kann nach Belieben mit Kräutern, feinst geschnittenen Zwiebelwürfeln, geschälten, entkernten und gewürfelten Paradeisern oder einem gekochten und passierten Eidotter verfeinert und abgewandelt werden. In der klassischen Salatmarinade treten Essig und Öl im Duett auf und es zahlt sich aus, die beiden geschmacklich aufeinander abzustimmen. Klassische Kombinationen sind Rotweinessig mit Olivenöl, Himbeeressig mit Walnussöl oder Apfelessig mit Kürbiskernöl. Sehr intensiv schmeckenden Ölen wie den verschiedenen Nussölen tut es meist gut, wenn sie mit einem etwas neutraleren Öl „gestreckt“ werden.
Eigenen Experimenten öffnet sich hier ein weites Feld, denn das Angebot an beiden Produkten ist riesig. Sowohl Essig als auch Öl sind in den unterschiedlichsten mehr oder weniger guten Qualitäten erhältlich. Gerade bei der Auswahl von Speiseöl sind viele Konsumenten verunsichert, weil immer wieder über Schadstoffe, verwirrende Produktkennzeichnung und gepanschte Öle berichtet wird. Beim Essig ist Industrieware oft aromatisiert und gefärbt – am besten vor dem Einkauf das Etikett genau studieren! Wer bei Essig und Öl auf Qualität wert legt, ist daher mit Produkten aus biologischem Anbau und Verarbeitung auf der sicheren Seite. Ihre Herstellung folgt den Regeln traditioneller Handwerkskunst. Verarbeitet werden ausschließlich Bio-Rohstoffe. Aromen, Stabilisatoren, Konservierungsmitteln oder sonstige chemische Hilfsstoffe kommen nicht in die Flasche.
Fette Früchte vom Bio-Feld
Einer der handwerklich hergestelltes Öls aus besten heimischen Bio-Rohstoffen schon seit 20 Jahren produziert ist Herbert Blaich. Gemeinsam mit seiner Frau Maria sowie mittlerweile Tochter und Sohn bewirtschaftet er 17 Hektar im nordwestlichen Weinviertel. In erster Linie stehen fette Früchte auf den Blaich’schen Feldern: Kürbisse, Sonnenblumen, Mohn, Hanf, Öldistel aber auch Nussbäume gibt es hier. Sie alle werden mit einer kleinen Schneckenpresse – die funktioniert wie ein Fleischwolf - auf schonende Weise zu feinstem Öl gepresst. Die Presse ist nur 25 cm lang, die thermische Belastung dauert nur wenige Sekunden. Herbert Blaich ist ein Purist: „Wir verzichten aufs Erwärmen oder Rösten der Kerne. Dadurch bleibt der Geschmack unverfälscht und rein.“ Auch die Kürbiskerne bleiben unbehandelt, das Öl ist daher milder als steirische Öle mit ihrem typischen Röstaroma. Einen Rezepttipp hat Herbert Blaich auch parat: „ ¼ kg Topfen mit 3 – 4 EL Kürbiskernöl vermischen, dazu eine kleine gehackte Zwiebel, Knoblauch, Kümmel, Salz und Pfeffer sowie Kräuter nach Belieben.“
Wer gerne beim Ölpressen zuschauen will, ist bei Familie Blaich übrigens willkommen. Ab-Hof-Einkauf ist jederzeit möglich. In beiden Fällen wird allerdings ein Anruf vorher unbedingt empfohlen. Die Öle gibt es auch im Versand sowie jeden Samstag am Viktualienmarkt in Gars am Kamp und am Wiener Naschmarkt/Bauernmarkt.

Traditionelle Presskunst
Ähnlich puristisch aber mit einem anderen Verfahren wird in der Pöllauer Ölmühle Fandler gearbeitet. Seit 80 Jahren werde die Stempelpresse von ihrer Familie betrieben, erzählt Julia Fandler, die das Unternehmen leitet. Die Kerne werden vor dem Pressen gemahlen und ganz sachte erwärmt, um ihnen ihr wertvolles Öl zu entlocken. Insgesamt ein sehr arbeitsaufwändiges Verfahren, für das sehr viel Wissen und Erfahrung nötig ist. Julia Fandler: „So können wir ein Optimum an Duft, Geschmack und Inhaltstoffen herausholen und das ist das Wichtigste für uns“. 15 kaltgepresste Bioöle von Haselnussöl bis Traubenkernöl gibt es bei den Fandlers und auf der Website eine praktische Suchmöglichkeit für die besten Genusskombinationen: So werden zu Radieschen Mohn – und Sonnenblumenöl empfohlen. Am besten gleich ausprobieren! Die Öle gibt es im Onlineshop, in Bioläden, Reformhäusern und in Naturkostläden, Besichtigungen sind auch hier möglich.
Essigvielfalt von der Apfelwiese
Essig hingegen ist nahezu unbegrenzt haltbar. Ein Umstand der kulinarisch Interessierten das Ausprobieren vieler verschiedener Sorten leicht macht. Die Essigspezialistin Jaqueline Pölzer stimmt die Verwendung der Essigsorte gerne mit der Jahreszeit ab: „Für den Frühling mag ich alle zarten, feinen Aromen zum Beispiel Holunderblüten oder Balsamessig“, erklärt die Steirerin, die dabei auf ihre eigenen Produkte zurückgreifen kann. Denn gemeinsam mit ihrem Mann Tino Pölzer hat sie in Brodingberg eine in vielerlei Hinsicht beeindruckende Essigproduktion aufgebaut. Zuerst war es nur ein Hobby, das die beiden – er Ethnologe, sie Pädagogin – vor 20 Jahren auf einem kleinen verfallenen Bauernhof im oststeirischen Hügelland begonnen haben. Es gab einfach so viele Apfelbäume!
Mit der Zeit wurde aus dem Hobby ein auf Apfelessig spezialisiertes Unternehmen. Die Pölzers verarbeiten ausschließlich alte Apfelsorten von Streuobstwiesen aus der Region. Die Bauern bekommen einen guten Preis, denn die Pflege und Ernte auf den Streuobstwiesen ist aufwändig. Allerdings werden so gleichzeitig diese wunderschönen, ökologisch wertvollen Lebensräume erhalten, was den Pölzers sehr wichtig ist. Die Äpfel aus kontrolliert biologischem Anbau mit klingenden Namen wie Kronprinz Rudolf, Berner Rosenapfel, Schafnase oder Gravensteiner werden erst zu Most und dann zu Essig vergoren. Die Mischung ist wichtig, denn „jeder Apfel trägt mit seinem Geschmack und seinen speziellen Eigenschaften etwas bei“, erklärt Jaqueline Pölzer. Bei der anschließenden Lagerung im Holzfass hat dieser reine Gärungsessig Zeit zum Reifen und entwickelt sein wunderbares Aroma. Besondere Delikatessen sind der Apfel Balsam Essig und der Apfel Balsam Himbeer Essig, der übrigens gerade erst von der Deutschen Landwirtschaftlichen Gesellschaft den Goldenen DLG Preis 2010 erhalten hat. Pölzer Essig gibt es im Online-Shop sowie in gut sortierten Bio- und Feinkostläden.
Autorin: Sonja Schnögl
Tipps und Tricks für die kreative Küche mit Essig und Öl finden Sie in der LEBENSART April/Mai 2010
Infos:
Familie Blaich, 02958/82769, bio-blaich@gmx.at
Ölmühle Fandler, 03335/2263, www.fandler.at
Pölzer Essigspezialitäten, 03117/3556-11, www.essigkultur.net
Viele weitere Bezugsquellen für Bio-Öl und Bio-Essig: www.biomaps.at (erweiterte Suchoptionen)