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Nachhaltigkeit beginnt beim Management

Interview mit Thomas Neusiedler, CEO von Helvetia Österreich über die Nachhaltigkeit von Versicherungen.

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Thomas Neusiedler, CEO Helvetia Österreich. Foto: Helvetia

BUSINESSART: Sie feiern heuer ein Jubiläum. Seit Beginn Ihrer gemeinsamen Baumpflanz-Initiative mit den Österr. Bundesforsten 2013 wurden über 100.000 Bäume gepflanzt. Wieso haben Sie diese Initiative gestartet?

Mag. Thomas Neusiedler: Die Helvetia Versicherung hat ihren Sitz in der Schweiz und ist vor allem in Ländern aktiv, in denen der Schutzwald eine große Bedeutung hat, in Österreich, Deutschland, Frankreich und Spanien.  Zudem gilt bei uns die Devise, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz vor der eigenen Haustür beginnen. Das leben wir in der Gruppe aus innerer Überzeugung – da sind wir ehrlich und hemdsärmelig und kommunizieren das auch. Unser Partner, die Hagelversicherung, setzt sich seit Jahren ganz aktiv gegen die Bodenversiegelung ein. Da bewegt sich etwas, und das ist gut.

Werden zusätzliche Bäume im Rahmen der Initiative gesetzt, oder würden sie auch ohne die Helvetia gepflanzt?

Es sind zusätzliche Bäume, die gepflanzt werden. Unsere Bäume werden zwar in Gebieten gesetzt, die ansonsten auch angepflanzt würden, aber dafür setzen die Bundesforste welche in anderen Gebieten. Das Gebiet, das von uns bepflanzt wird, wird in enger Abstimmung mit den Bundesforste ausgewählt. Dabei stehen auch unsere Kunden und Partner im Fokus.

Auch Ihre Kundinnen und Kunden können mit dem Erwerb eines Produktes das Pflanzen eines Baumes unterstützen. Weiß ich dann, wo mein Baum steht?

Ja, die Kunden erhalten einen Baumpass, wenn sie sich im Bereich der Lebensversicherung für die FairFuture Lane entscheiden. In diesem Baumpasse ist eingezeichnet, in welchem Gebiet der Baum steht.  Die Nachfrage hat sich durch Naturgefahren beschleunigt und das gilt jetzt neuerdings auch für die nachhaltige Veranlagung.

Nachhaltigkeit oder die Verantwortung eines Unternehmens für die Gesellschaft sind sehr große Begriffe. Was sind die relevanten Parameter für die Versicherungsbranche. Wann ist eine Versicherung nachhaltig?

Der Begriff wird inflationär verwendet. Zählen Sie einmal in Geschäftsberichten, wie oft das Wort „nachhaltig“ vorkommt, und dann überprüfen Sie, ob es tatsächlich so ist. Wir machen Dinge, wenn wir es wirklich so meinen.

Aber konkret zu Ihrer Frage:

Nachhaltigkeit beginnt beim Management, beispielsweise bei den Finanzkennzahlen: die Geschäftsleitung muss so nachhaltig agieren, dass auch ihre Nachfolger ein profitables Unternehmen vorfinden und geht dahin, dass wir den Hauptsitz des Unternehmens nicht aus der Region verlegen. Dieser Kreis schließt sich beim guten und partnerschaftlichen Umgang mit den eigenen Mitarbeitern, der im besten Fall immer nachhaltig ist.

Dann stellt sich die Frage: Welche Produkte habe ich? Gebe ich die richtigen Antworten hinsichtlich Verträglichkeit? Versicherungen sind große Anleger. Sie sollten nicht in Braunkohle oder Rüstungsindustrie investieren. Das ist aufgrund der Transparenz mittlerweile bereits Allgemeingut. Es wird mittlerweile immer häufiger nachgefragt, welche Investments hinter der Produktpalette stehen.

Viele glauben, dass Rendite und Umweltverträglichkeit ein Widerspruch sind. Das ist nicht zwangsläufig der Fall, aber ein grünes Veranlagungspapier ist auch nicht zwangsläufig profitabel. Wenn es vernünftig aufgesetzt ist, dann schafft man das schon.

Wir entwickeln die Fondspalette weiter, um das Angebot zu vergrößern, denn die Nachfrage steigt. Kunden und Vermittler sind bereit, das Angebot anzunehmen.

Helvetia ist in Bezug auf Nachhaltigkeit gut gerankt (A nach MSCI). Sie werben damit nicht auf Ihrer Website, auch nicht mit Zertifizierungen oder Nachhaltigkeits-Auszeichnungen.

Wenn ich über Zertifizierungen spreche, stehen gleich bis zu 20 Anbieter vor Tür, die uns zertifizieren wollen. Der einzelne Kunde kann das alles gar nicht mehr reflektieren.

Wir haben nicht das Bedürfnis, die Nachhaltigkeit ins Schaufenster zu stellen. Wir besprechen die Richtlinien im Anlageausschuss. Früher ging es dort nur um Rendite, Bonität und Wirtschaftssegmente. Mittlerweile ist die Frage, wie sich das Investment auf das ESG Rating auswirkt, ein wesentlicher Punkt geworden.

Und natürlich haben unsere Vermittler die Möglichkeit, die Qualität der gesamten Fondspalette zu checken. Sie sind bei diesem nicht-physischen Produkt der Vorsorge das zentrale Element. Im Rahmen unserer Investmenttage greifen wir ihre zentralen Themen auf.

Was sind aktuell die zentralen Themen der Vermittler?

Nachhaltigkeit, Pensionslücke und Zinsumfeld.

Wie werden sich die Zinsen entwickeln?

Wir glauben, dass die Inflation kurzfristig nach oben geht, aber dass es 2022 genauso moderat weitergehen wird.  In the long run können wir uns eine wesentliche Inflation nicht leisten.

Was bedeutet das für die Versicherung?

Wir setzen auf fondgebundene Produkte – Pensionsvorsorge mit klassischen Lebensversicherungen ist ein Auslaufmodell. Wir glauben, dass wir langfristig nur attraktiv sind, wenn wir die Klassische hinter uns lassen. Daher haben wir vor fünf Jahren unser Angebot geändert und machen damit sehr gute Erfahrungen.

Wie sieht der Plan zur Klimaneutralität von Helvetia aus?

Wir reduzieren unsere eigenen Emissionen soweit wie möglich. Für den Rest leisten wir derzeit noch Kompensationszahlungen. Das wollen wir langfristig ändern und aus eigener Kraft klimaneutral werden. Das beginnt bei der Dienstreise und endet beim elektronischen Dokumentenportal. In der aktuellen Strategieperiode bis 2025 wollen wir einen wesentlichen Schritt nach vorne kommen. Als privatwirtschaftliches Unternehmen werden wir sicher schneller sein als die Nationalstaaten.

Wie sieht der Plan für Ihr Anlageportfolio aus?

Wir werden die Klimaneutralität definitiv erreichen. Derzeit ist sehr viel im Wandel. Es wird in den nächsten fünf Jahren neue Bilanzierungsregeln geben; die Prämie wird sich in Zukunft komplett anders darstellen. Das wird auch bei den Anlagen Veränderungen bringen. Um eine konkrete Strategie entwickeln zu können, müssen wir erst einmal die Rahmenbedingungen kennen. Mit der eigenen Gewissenhaftigkeit haben wir sicher einen Wettbewerbsvorteil.

Klar ist, dass wir Nachhaltigkeit nicht auf einen singulären Zugang reduzieren – wir sehen das Thema ganzheitlich. Das ist ein Kreislauf, wo der eine vom anderen profitieren kann.

Das Interview führte Roswitha M. Reisinger

CR Bericht Helvetia Österreich 2020