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Studie zu Qualifikationsanforderungen und Bildungsangeboten für Industrie 4.0

Wo in Österreich für die Industrie 4.0 ausgebildet wird und welche Kompetenzen die Wirtschaft braucht.

Eine junge Frau und ein junger Mann schauen auf ein Tablet
Foto: Martin Lifka Martin Lifka

Digitalisierung sowie neue Ansätze der Informations-, Kommunikations- und Medientechnik verändern die Produktion und das Verhältnis von Menschen und Maschinen.

Die Studie „Anwendungsfallbasierte Erhebung industrie-4.0-relevanter Qualifikationsanforderungen und deren Auswirkungen auf die österreichische Bildungslandschaft“ (AEIQU) unter der Leitung der Fachhochschule St. Pölten erhob, welche Qualifikationen MitarbeiterInnen für die Industrie 4.0 benötigen. Bestehende Aus- und Weiterbildungsangebote wurden in Form einer Bildungslandkarte dargestellt.

Vergleich von Angebot und Bedarf

„Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen befragt, welche Qualifikationen sich die Firmen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünschen, und wie wichtig bestimmte Technologien oder Soft-Skills sind. Dies haben wir mit dem Status quo in der Aus- und Weiterbildungslandschaft an österreichischen Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitären Einrichtungen verglichen. Daraus ergibt sich der inhaltliche und geografische Bedarf für zukünftige Bildungsangebote“, erklärt Thomas Moser, Leiter des Projekts zur Studie sowie der Forschungsgruppe Digital Technologies der FH St. Pölten.

Industrie 4.0 als Evolution statt Revolution

75 Prozent der Befragten betrieblichen Expertinnen und Experten gaben an, dass Industrie 4.0 für ihren Betrieb relevant ist. Lediglich vier Prozent sehen sich gar nicht betroffen. „Die betrieblichen Expertinnen und Experten sehen Änderungen durch die Industrie 4.0 im gesamten Unternehmen bzw. entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Und sie nehmen Industrie 4.0 als Evolution, nicht als Revolution wahr“, sagt Moser.

Veränderungen ergeben sich laut Moser für alle Arbeitsprofile, also nicht nur für technische Berufe, bei denen etwa direkt mit Maschinen gearbeitet wird. „Doch obwohl viele Befragte Digitalisierung als wichtig für ihr Unternehmen erachten, sehen sie ihre Unternehmen beim Anwenden neuer Qualifikationen ‚on-the-job‘ erstaunlich wenig in der Verantwortung“, so Moser.

Neue Qualifikationen gefragt

Mit der Industrie 4.0 ändert sich die Nachfrage nach bestimmten Qualifikation. Jene nach IT-Kompetenzen wie IT-Sicherheit, Mechatronik und den Umgang mit digitalen Technologien wird laut der Studie stiegen. Neben fachlichen Qualifikationen seien jedoch auch Prozess- und Projektmanagement, Interdisziplinarität, Kommunikation und Teamfähigkeit zunehmend gefragt.

Sowohl Spezialisten- als auch das Generalistenwissen sind laut der Studie zukünftig von Relevanz. Einfache manuelle Tätigkeiten wie Hilfsarbeiten werden stark zurückgehen, da Industrie 4.0 und steigende Automatisierung höhere Qualifikationen bzw. Zusatzqualifikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfordern. Auch die Vernetzung von komplexen Systemen erfordere höhere Qualifikationen und reduziere den Bedarf an gering qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Einen Unterschied gibt es laut der Studie zwischen Großbetrieben und Mittelstand: Großunternehmen priorisieren stärker einzelne, spezielle Kompetenzen und Fähigkeiten, mittelständische Unternehmen eher ein breites Anforderungsprofil.

Übersicht der Bildungsangebote

Die Studie hat für den tertiären Sektor, Schulen, Lehre und betriebliche Weiterbildung Angebote erhoben, die relevant für die Industrie 4.0 sind. Von insgesamt 34 Universitäten in Österreich zum Beispiel bieten zehn industrie-4.0-relevante Studienprogramme an. Mit 53 Prozent wird mehr als die Hälfte der entsprechenden Studien in Wien und Graz angeboten. Von den insgesamt 21 Fachhochschulen bieten 15 Fachhochschulen industrie-4.0-relevante Studiengänge an. Das größte Angebot findet sich hier in Oberösterreich.

International zeigen sich starke Unterschiede in den Anforderungen. „Die Entwicklungspfade zur Digitalisierung und Automatisierung industrieller Wertschöpfungsketten unterscheiden sich je nach Land fundamental. Je nachdem werden unterschiedliche Schwerpunkte etwa in Automatisierung, Robotik, Big Data, Datensicherheit oder zu anderen Themen gesetzt“, erklärt Franz Fidler, Leiter des dualen Studiums Smart Engineering an der FH St. Pölten und Co-Autor der Studie.

Empfehlungen für Bildungseinrichtungen

Die Studie schlägt auch Maßnahmen für Bildungseinrichtungen vor, damit das Ausbildungsangebot zeitgemäß und industrie-4.0-tauglich ist: So sollen etwa Interdisziplinarität, lebenslanges Lernen, einfachere Übergänge, Durchlässigkeit, fachbereichsübergreifende Wissensvermittlung, Fremdsprachen und interkulturelle Kompetenzen gefördert werden. „Absolventinnen und Absolventen sollen flexibel auf komplexe Gegebenheiten reagieren können und lernen, in inter- und intraorganisatorischen Teams zu arbeiten. Dazu braucht es in der Ausbildung Kompetenzorientierung, innovatives Denken sowie neue Lernorte, Lernwege und didaktische Methoden“, sagt Fidler.

Entscheidend sei auch „Lernen zu lernen“, Kooperationen zwischen Unternehmen und Hochschulen zu intensivieren, Interesse an Technik bereits in der Schule zu wecken, IT-Basiskompetenzen zu fördern und „Industrie-4.0-Natives“ auszubilden. Auch ein Upgrade der Lehre empfiehlt die Studie und das Einbinden aktueller Themen und Entwicklungen in Lehrpläne.

Die Gefahr des oft befürchteten Wegrationalisierens von Arbeitsplätzen durch die Industrie 4.0 besteht laut Moser nicht: „Technischer Fortschritt hat immer neue Arbeit geschaffen. Die Arbeit wird uns also auch im Zeitalter der Industrie 4.0 nicht ausgehen.“