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Jugend in Österreich 2022

Unzufrieden, besorgt und gestresst - aber bereit für Veränderung.

Eine Zusammenfassung der Auswertung, daneben zeigt ein buntes Bild in grellen Farben eine Jungendliche, die sich einen Strauß von Ballons vor das Gesicht hält. Die Ballons haben die Form von Emojis, einer viertel Wassermelone und einer Eistüte.
Quelle: LifeCreator, Foto: pixabay.com_free images

Die Trend-Studie „Jugend in Österreich Sommer 2022“ über die aktuelle Stimmungslage der Österreicher:innen zwischen 14 und 29 Jahren zeigt deutlich: Jede:r Dritte:r ist unzufrieden mit seinem eigenen Leben. Die größten Sorgen sind Geld, die Gefahr eines Krieges in Europa, der Klimawandel, schlechte berufliche Aussichten und die eigene psychische Gesundheit.

Österreichs Politiker:innen, Unternehmer:innen, Schul- und Universitätsleiter:innen, Familienmitglieder und Bürgermeister:innen sind aufgefordert, die junge Generation bedarfsgerechter zu unterstützen und die Rahmenbedingungen für ihre positive Entwicklung konsequent zu verbessern.

Im Auftrag der lifeCREATOR Consulting GmbH wurden im Juni und August 2022 durch das Forschungsinstitut marketagent 800 Teilnehmer:innen in Österreich zu ihrem Befinden befragt, davon 32 Prozent im Alter von 14 bis 19 Jahren und 68 Prozent im Alter von 20 bis 29 Jahren.

Die Ergebnisse zeigen, dass es einem Drittel nicht so gut geht:

  • Nur 66 Prozent geben an, „mit ihrem eigenen Leben zufrieden zu sein“, obwohl Österreich zu den reichsten und sichersten Ländern der Welt zählt.
  • 59 Prozent der österreichischen Jugend sind mit der finanziellen Lage „teilweise bis sehr unzufrieden“ und
  • 39 Prozent „mit den beruflichen Chancen“.
  • 60 Prozent der jungen Männer sind „mit ihrer psychischen Gesundheit zufrieden“, aber nur 50 Prozent der Frauen.
  • 19 Prozent geben an, dass sie deswegen „Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen“. Ein besonders aufrüttelndes Studienergebnis ist, dass 7 Prozent „Suizidgedanken haben“, sogar 12 Prozent in Wien, im Vergleich zu 3 Prozent in Vorarlberg und Tirol. 15 Prozent „leiden unter Angstzuständen“.


 

„Jetzt müssen wir uns bewusst um unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen kümmern!“

Studien-Initiator Heinz Herczeg: „Mit meiner neuen Studie möchte ich das Scheinwerferlicht auf die Sorgen und Bedürfnisse unserer jungen Generation werfen. Während Corona standen verständlicherweise die Kranken und Alten im Mittelpunkt der Gesellschaft und Politik, aber jetzt ist es höchste Zeit, unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen bewusst zu unterstützen“.

Die Studie alarmiere, als ein Drittel mit ihrem Leben generell unzufrieden und der Optimismus klein ist, dass sich in den nächsten zwei Jahren viel ändern wird. Aber drei Viertel der Zukunftsgenerationen fordern tiefgreifende Veränderungen. „Nutzen wir dieses Momentum für eine Neuausrichtung unserer lebensbestimmenden Systeme“, so Heinz Herczeg.


Junge Frauen sind besorgter und gestresster als junge Männer in Österreich

Zu den größten Belastungen der 14-29-jährigen Österreicher:innen zählen „Stress, Erschöpfung, Selbstzweifel und Antriebslosigkeit“. Bei den jungen Frauen liegen die Werte jeweils zwischen 15 und 20 Prozentpunkten höher als bei den Männern. „Keine Belastung“ fühlen 22 Prozent der befragten Männer, aber nur 15 Prozent der Frauen.

Die Psychotherapeutin und Ärztin Prof. Dr. Martina Leibovici-Mühlberger sieht die Gründe für die stärkere Sorgenlast der Frauen darin, „dass sich junge Frauen im dritten Lebensjahrzehnt beruflich wie privat in einer weichenstellenden Periode befinden, um auch einen späteren Kinder- und Familienwunsch zeitgerecht in geeignetes Fahrwasser zu steuern, während jungen Männern hier einige Jahre mehr zur Verfügung stehen. Die gravierenden Einschränkungen der Covid-Jahre haben damit mehr Wucht auf die weiblichen Vertreterinnen dieser Altersgruppe und die Entwicklung ihrer Lebenspläne entwickeln können.“

Weiters führt sie aus: „Frauen werden immer noch gesellschaftlich stark über ihre Körperlichkeit definiert. Die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen haben sich vor allem für die Gruppe der jungen Mädchen besonders belastend im Hinblick auf die Ausbildung von Körperbildstörungen und Essstörungen ausgewirkt. In den Lockdown-Phasen kam es zu einer Überschwemmung von mit Photoshop konstruierten Idealimages bei gleichzeitigem Verlust eines ‚Realabgleichs‘ in Schule und Lehrbetrieb, was zahlreiche junge Mädchen in Selbstzweifel und manifeste Störungen getrieben hat.“

Chance für positive Veränderung

Unterstützung bei psychischen Problemen holen sich 31 Prozent der Jugendlichen „in Gesprächen mit Familien und Freunden“, gefolgt von „psychischer Behandlung (Arzt, Therapeut)“ mit 19 Prozent und „Yoga/Meditation“ mit 14 Prozent. „Schulische Betreuungsangebote“ oder „Telefonberatung“ nehmen nur 6 bis 7 Prozent wahr.

Prof. Dr. Martina Leibovici-Mühlberger: „Diese Zahlen zeigen einmal mehr die Wichtigkeit des Gesprächs mit Familie und Freund:innen, etwa bei einem gemeinsamen Essen oder Spaziergang. Hier finden junge Menschen Sicherheit, Akzeptanz und Zugehörigkeit, was maßgeblich für die psychische Gesundheit und das Zufriedenheitsempfinden ist. Gleichzeitig wird an diesen Ergebnissen sichtbar, dass endlich ernsthafte Anstrengungen zu setzen sind, um schulische Betreuungsangebote für SchülerInnen auch attraktiv und tatsächlich unterstützend zu gestalten, denn Schule ist der Ort, an dem Zukunft gestaltet wird.“

So sind die Aussagen der Studie schlüssig, dass der größte Sinn im Leben (64 Prozent) „meine Familie“ ist, gefolgt von „Partnerschaft/Liebesbeziehung“ (54 Prozent), „Freundschaften pflegen“ (51 Prozent) und „Ziele im Leben“ (51 Prozent). Erst danach kommt „Ein Job, der mir Spaß macht“ mit 45 Prozent.


Teilzeit zu arbeiten, wird sich für viele nicht mehr ausgehen

Mag. Doris Palz, CEO von Great Place to Work Österreich, sieht in den Studienergebnissen auch Botschaften für Unternehmer:innen Österreichs: „Die Sorgen der Jugend über die hohe Inflation, Angst vor Armut gepaart mit Zukunftsängsten wie Klimawandel hinterlassen ihre Spuren. Erwartungen an eine:n Arbeitgeber:in sind daher naheliegend: faire Gehälter, gutes Betriebsklima und verantwortungsvolle, ökologische Unternehmensführung. Diese klare Priorisierung des Einkommens war vor und während Corona anders. Jetzt erfahren wir, dass sich die Bezahlung unmittelbar auf die Motivation für gute Leistung der jungen Menschen auswirkt: 48 Prozent nennen Geld an erster Stelle, danach kommt Spaß mit 32 Prozent. Für das Recruiting bedeutet dies, dass faire Gehaltsangebote gepaart mit sinnvoller Tätigkeit und vertrauensvolle Unternehmenskultur, Türöffner zu den Jungen sind.“


Dr. Johannes Kopf, AMS Vorstand, reflektiert die Ergebnisse so: „Arbeitgeber:innen sind gefordert, in Zukunft individualisierte Angebote bei der Mitarbeiter:innengewinnung und Mitarbeiter:innenbindung anzubieten. Es geht darum, die Motive der jungen Menschen ernst zu nehmen und entsprechend zu reagieren: Ein:e Teilzeit-Angestellte:r, der aufgrund der aktuellen Teuerungsrate mehr Geld benötigt, wird das Unternehmen verlassen, wenn die/der Arbeitgeber:in die Stundenerhöhung nicht ermöglicht. Die Teuerungen und hohe Inflation sind in der Tat besorgniserregend und ich verstehe die Sorgen der Jugend sehr gut. Teilzeit zu arbeiten, wird sich für viele in Zukunft nicht mehr ausgehen. Beim AMS spüren wir diese Umkehr zu mehr Vollzeit-Beschäftigung noch nicht. Aber ich sehe den Grund für die Unzufriedenheit der Jugend genau in diesem Widerspruch, mehr Freizeit haben zu wollen und gleichzeitig gut zu verdienen. Beides geht sich nicht aus. Umso wichtiger ist es, der Jugend dabei zu helfen, den richtigen Job zu finden, damit die Freude an der Arbeit wieder in den Vordergrund tritt.“

Bedarfsgerechte Unterstützung auf allen Gesellschafts-Ebenen ist jetzt gefragt

Österreichs junge Generation sieht ihre Lebenspläne durchkreuzt, so legen etwa 57 Prozent ihre Pläne für eine eigene oder größere Wohnung auf Eis, 56 Prozent wiederum überdenken die Entscheidung über ein neues Auto oder eine ausgedehnte Reise. Besonders hervorzuheben: Mehr als die Hälfte der jungen Erwachsenen, verhältnismäßig mit 60 Prozent noch mehr Frauen, sieht die Entscheidung über eigene Kinder mittlerweile kritisch.

Den größten Handlungsbedarf sehen die jungen Österreicher:innen bei „der Milderung der Auswirkungen durch die steigende Inflation“ mit 56 Prozent der Befragten. 43 Prozent wollen, „dass etwas gegen den Klimawandel unternommen wird“. Für rund 40 Prozent der Jugend in Österreich sind „die Wirtschaftskrise, die Armut oder der Wohlstandsverlust sowie die Auswirkungen des Ukraine-Krieges“, wichtige Handlungsfelder für die Verbesserung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation. Beinahe drei Viertel der Befragten wollen jetzt Taten sehen, statt nur durchzutauchen.

Heinz Herczeg, Initiator der Studie
Heinz Herczeg, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung lifeCREATOR CONSULTING GmbH. Foto: Roland M. Kreutzer
Die Forderung der österreichischen Jugend nach positiver Veränderung ist laut Studie groß.