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Cornelia und Andreas Diesenreiter, Unverschwendet

Obst und Gemüse. Vieles davon bleibt liegen: nicht schön genug für den Markt,  keine Zeit für die Ernte, zu früh reif geworden, zu unförmig, beim Event übriggeblieben. Die Lösung heißt Unverschwendet. Seit 2015 verarbeitet das Geschwisterpaar Diesenreiter Übriggebliebenes zu leckerer Marmelade, Saft oder Aufstrich.

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Foto: SLKphoto.at_Sebastian_Kreuzberger

Jährlich werden Tausende Tonnen bestes Obst und Gemüse, allein in Österreich, in der Landwirtschaft weggeworfen, weil sie bestimmten Marktstandards nicht entsprechen – zu groß, zu klein, zu krumm – oder als Überschuss für Landwirt*innen kurzfristig über ihre begrenzten Vertriebsmöglichkeiten nicht absetzbar sind. Die Statistik Austria schätzt die Verluste von Obst und Gemüse im Jahr 2018 auf 252.000 Tonnen. Konkrete Zahlen aus der Landwirtschaft fehlen jedoch bis heute.

„Unverschwendet“ wurde 2016 von den Geschwistern Cornelia und Andreas Diesenreiter mit der Vision gegründet, den größtmöglichen nachhaltigen Impact im Bereich Lebensmittelabfallvermeidung zu erreichen: ökologisch, sozial und ökonomisch. Das Start-up begann, zunächst in Wien, überschüssiges Obst und Gemüse aus der Landwirtschaft gemeinsam mit renommierten Lebensmittelproduzent*innen zu hochwertiger Feinkost, wie Marmeladen, Chutney und Sirupen zu verarbeiten. Die Überschüsse werden den österreichischen Landwirt*innen abgekauft, um die regionale Wertschöpfung zu steigern.

Durch eure Arbeit können jährlich mehr als  75 Tonnen Lebensmittel gerettet werden. Wie seid ihr so erfolgreich geworden?

  1. Wir haben die richtigen Strukturen für den jeweiligen Entwicklungsschritt des Unternehmens angepasst. Wichtig war die Auslagerung der Produktion 2018 an renommierte Lebensmittelproduzent*innen, damit wir uns auf unsere Kernkompetenz „Überschüsse“ fokussieren und die Produktion skalieren können. Darüber hinaus sind die Produkte auch in einigen Supermärkten und Reformgeschäften gelistet.
  2. Momentan befinden wir uns in einer Testphase unserer Überschussbörse zur Vermittlung von frischem überschüssigen Obst und Gemüse an Gastro- und Lebensmittelproduzent*innen. Ziel ist, die Entwicklung eines smarten Überschussmanagementsystems zur umfassenden Erhebung von Überschüssen, um sie für den Markt kommerziell verfügbar zu machen.
  3. Um erfolgreich zu sein, ist es darüber hinaus besonders wesentlich, dass man wirklich für das Thema brennt. Für uns ist Unverschwendet ein Herzensanliegen und so kommt man auch durch herausfordernde Zeiten.
  4. Des Weiteren ergänzen wir Gründer*innen – Andreas und Cornelia – uns extrem gut in unseren Kompetenzen. Andreas kümmert sich um Kommunikation, Design und Marketing. Cornelia um Nachhaltigkeit, Recht und Finanzen.

Was waren die drei größten Hindernisse am Weg? Wie habt ihr sie bewältigt?

  1. Die Auslagerung der Produktion war eine große Herausforderung, da die Wertschöpfungskette dadurch noch komplexer wurde. Wir hatten viele Mentor*innen und großartige renommierte Produzent*innen mit viel Know-how, die uns dabei geholfen haben.
  2. Die Datenerhebung für ein smartes Überschussmanagementsystem: Es gibt unzählige Gründe, warum Überschüsse wo und wann entstehen. Gemeinsam mit der BOKU Wien haben wir herausgefunden, welche Faktoren am wichtigsten sind, um ein umfassendes System zu entwickeln.
  3. Die Vorfinanzierung der Produktion: Als junges Start-up ist eine der größten Herausforderungen, dass im Sommer die gesamte Produktion vorfinanziert werden muss, bevor sie dann, vor allem zur Weihnachtszeit, verkauft werden kann. Förderstellen haben uns tolle Kreditkonditionen ermöglicht.

Wer sind eure wichtigsten Kund*innen? Wie erreicht ihr sie?

Derzeit sind unsere Gläschen als kleine Botschafter ein sehr beliebtes Geschenk für Unternehmen an Kund*innen, Mitarbeiter*innen und Kooperationspartner*innen oder auch als Give-away bei Events und Kongressen. Diese Kund*innen erreichen wir vor allem über unsere Webseite und über Social Media, über Newsletter, Storytelling und Blog-Beiträge.

Wollt ihr in der Nische bleiben, oder wollt ihr richtig groß werden?

Die Statistik Austria schätzt die Verluste von Obst und Gemüse 2018 in Österreich auf 252 Tonnen.

Unsere Vision ist der größtmögliche nachhaltige Impact im Bereich Lebensmittelabfallvermeidung:

  • ökologisch: Erhalt großer Mengen von Lebensmitteln in der Wertschöpfungskette
  • sozial: Steigerung der regionalen Wertschöpfung, Stärkung der österreichischen Landwirtschaft und Bewusstseinsbildung in der breiten Bevölkerung
  • ökonomisch: basierend auf einem wirtschaftlichen und skalierbaren Business-Model

Wir wollen so schnell wie möglich wachsen, damit wir so viel Obst und Gemüse wie möglich retten können.

Durch die Produktion von Feinkost kann – bei allem Engagement – nur ein kleiner Teil der Überschüsse verwertet werden. Ihr wollt aber mehr.

Wir entwickeln ein smartes Überschussmanagementsystem, mit dem wir überschüssiges Obst und Gemüse in der Landwirtschaft systematisch erfassen und kommerziell für die Lebensmittelindustrie, die Gastronomie und den (Groß-)Handel verfügbar machen können, um so noch mehr Obst und Gemüse zu retten.

Wie verbessert eure Arbeit die Welt?

  • Unverschwendet leistet viele Beiträge entlang der globalen Nachhaltigkeitsziele, der Sustainable Development Goals: Das Herzstück des Unternehmens ist das SDG 12.3, nämlich die weltweite Nahrungsmittelverschwendung halbieren.
  • SDG 2.a: Investitionen in [...] die Agrarforschung und landwirtschaftliche Beratungsdienste, die Technologieentwicklung
  • SDG 2.1: Hunger beenden, den Zugang zu sicheren, nährstoffreichen und ausreichenden Nahrungsmitteln sicherstellen
  • SDG 2.3: landwirtschaftliche Produktivität verdoppeln und Einkommen von kleinen Nahrungsmittelproduzenten verdoppeln
  • SDG 2.4: resiliente landwirtschaftliche Methoden anwenden, die die Produktivität und den Ertrag steigern
  • SDG 8.4: Ressourceneffizienz in Konsum und Produktion
  • SDG 12.1: nachhaltige Bewirtschaftung und SDG 12.5 Abfallvermeidung /-verminderung
  • SDG 12.8.: Bewusstseinsbildung

Wie sieht die Zukunft aus, wenn ihr erfolgreich seid?

Unser großes Ziel ist es natürlich, so viel Obst und Gemüse wie möglich zu retten, sowohl durch die eigene Feinkostproduktion als auch durch die Vermittlung von Lebensmitteln. Wir hoffen, dass wir nach Österreich auch in Deutschland und der Schweiz und dann irgendwann auch im gesamten EU-Raum Obst und Gemüse retten können.

Wie gelingt es, ein ausreichendes Momentum zu erzielen?

Lebensmittelverschwendung wurde in den letzten Jahren medial mehr und mehr thematisiert und wird von einem Großteil der Bevölkerung als immer wichtigeres Problem wahrgenommen. Viele Konsument*innen legen großen Wert auf regionale, österreichische Produkte und möchten einen Beitrag zur Lebensmittelabfallvermeidung leisten. Wir sind überzeugt, dass Lebensmittelabfallvermeidung neben Bio, Fairtrade und Regionalität DAS neue Segment im nachhaltigen Konsum wird.

Besonders wichtig ist es, die Geschichten hinter den Überschüssen zu erzählen, aber auch mit Geschmack und Qualität zu überzeugen.

Wenn ihr einen Wunsch frei hättet – was würdet ihr euch wünschen?

Dass wir uns irgendwann selbst obsolet machen und es keine Lebensmittelabfälle mehr gibt.

Welche Rolle spielen Werte für euer Handeln?

Als ökosoziales Unternehmen achten wir in allen Bereichen unseres Handelns auf Nachhaltigkeit, sowohl ökologisch und sozial. Das geht vom Reduzieren der Lebensmittelabfälle bis zum fair gehandelten Kaffee in der Kaffeemaschine.

Unser nachhaltiger Impact orientiert sich am Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (Ökologie, Soziales & Ökonomie) und in allen Bereichen gibt es Meilensteine mit KPIs. Wir haben gelernt, dass ein wirklich nachhaltiges Glas Marillenmarmelade aus tausenden „Zutaten“ besteht und weit über den Inhalt von geretteten Marillen hinausgehen muss. Deshalb haben wir einen umfassenden Ethikcodex erstellt und achten bei allen Bestandteilen darauf, die nachhaltigste Alternative zu wählen: Gläser aus Österreich, Deckel aus Italien, Zutaten wie Zucker und Gewürze regional beziehen, Fertigungsschritte in geschützten Werkstätten, oder nur recycelfähiges Verpackungsmaterial zu verwenden. In vielen Bereichen stehen wir noch vor großen Herausforderungen, aber durch unsere Nachfrage treiben wir Innovation voran.

Was sind die wichtigsten Werte für euch?

Nachhaltigkeit, Fairness entlang der gesamten Wertschöpfungskette, Gleichberechtigung, Antidiskriminierung.

Was hat sich durch Corona verändert?

Wir von Unverschwendet produzieren hochwertige und nachhaltige Feinkost aus gerettetem Obst und Gemüse. Einen Großteil unseres Umsatzes generieren wir durch den Verkauf unserer Produkte an Unternehmen als Geschenk oder Give-aways. Durch die Corona Krise haben wir rasch unsere B2C-Geschäfte über den Webshop ausgebaut und konnten durch Aktionen wie “Sag Danke„ mit Unverschwendet-Gläschen für die Held*innen des Alltags weiterhin gut vorankommen. Auch wir haben den nun verstärkten Trend nach Regionalität zu spüren bekommen.

Ihr seht schon voll Tatendrang auf das Jahr 2021. Was habt ihr vor?

Die Testphase unserer Überschussbörse wird ausgeweitet, dafür ist die Gastronomie ein wichtiger Partner, und wir hoffen, dass sich alle von der Corona-Krise wieder erholen können.

Die Weiterentwicklung der Überschussbörse ist für unser Ziel wesentlich, da durch sie viel schneller und noch mehr Obst und Gemüse gerettet werden kann. Durch die gesammelten Daten wird unser Überschussmanagementsystem immer intelligenter und lässt auch Prognosen für die Zukunft zu.

Weitere Skalierung der Produktion, um noch mehr Obst und Gemüse zu retten. Unsere Feinkost für den Supermarkt optimieren, um auch aus der Nachhaltigkeitsnische heraus die breite Masse zu erreichen.

Cornelia Diesenreiter und Andreas Diesenreiter, Gründer*innen

Unverschwendet, Wien

Anzahl der Mitarbeiter*innen: 10

unverschwendet.at