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Energieintensive Industrie plant Dekarbonisierung

Bis 2030 wollen fast zwei Drittel der Energie- und Versorgungsunternehmen in emissionsarmen Wasserstoff investieren

Foto: Roman / Pixabay

Wasserstoff, der mit geringem CO2-Ausstoß erzeugt wird, entwickelt sich zu einem der vielversprechendsten Instrumente zur Dekarbonisierung von Branchen mit bislang hohen Emissionen. Eine neue Studie des Capgemini Research Institute mit dem Titel „Low-Carbon Hydrogen - A Path to a Greener Future“ zeigt, dass 62 Prozent der Unternehmen aus energieintensiven Industriezweigen den Umstieg auf CO2-arm erzeugten Wasserstoff prüfen. Energie- und Versorgungsunternehmen erwarten im Schnitt, dass klimafreundlicher Wasserstoff bis 2050 einen Anteil von 18 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs decken wird. Entlang der Wertschöpfungskette für Wasserstoff investieren sie insbesondere in den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur, in wirtschaftliche Elektrolyseure und Brennstoffzellen.

Gemäß der Studie geht die Mehrheit der Unternehmen davon aus, dass klimafreundlicher Wasserstoff langfristig zum Erreichen ihrer Emissionsreduktions- und Nachhaltigkeitsziele beitragen wird. 63 Prozent der Energie- und Versorgungsunternehmen sehen Wasserstoff, der mit geringem CO2-Ausstoß erzeugt wird, als entscheidend zur Dekarbonisierung der Wirtschaft an. 62 Prozent sind der Ansicht, dass klimafreundlicher Wasserstoff Staaten dabei helfen kann, ihre Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern und die Energieautonomie zu fördern. Die Befragten schätzen seinen Anteil am Wasserstoff-Mix des Jahres 2050 auf bis zu 55 Prozent.

64 Prozent der Energie- und Versorgungsunternehmen planen, bis 2030 in klimafreundlichen Wasserstoff zu investieren; fast alle wollen dies bis 2050 tun. Für das Jahr 2030 sehen sie durchschnittlich 0,4 Prozent des Umsatzes für CO2-arm erzeugten Wasserstoff vor. Sie investieren vor allem in den Transport und die Verteilung von Wasserstoff als Energieträger (53 Prozent), in seine Produktion (52 Prozent) sowie in Forschung und Entwicklung (45 Prozent).

Martina Sennebogen, Managing Director von Capgemini in Österreich.
Martina Sennebogen, Managing Director von Capgemini in Österreich. Foto: QF

"Klimafreundlich erzeugter Wasserstoff bietet Unternehmen eine einzigartige Chance, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Unternehmen, die in Wasserstoff-Technologien investieren, können nicht nur ihre CO2-Bilanz verbessern, sondern auch von neuen Geschäftsmöglichkeiten in einer kohlenstoffarmen Wirtschaft profitieren. Daher ist es entscheidend, dass Unternehmen die Entwicklung von klimafreundlichem Wasserstoff vorantreiben und innovative Strategien zur Nutzung dieser Technologie entwickeln", erklärt Martina Sennebogen, Managing Director von Capgemini in Österreich.

Damit die Wasserstoffproduktion als arm an CO2-Emissionen gilt, muss sie den von der EU vorgesehenen Schwellenwert von 3,38 kg CO2-Äquivalent (CO2e) pro kg Wasserstoff unterschreiten. Dieser Wert liegt um 70 Prozent unter dem Vergleichswert für fossile Energieträger, einschließlich Transport und anderer produktionsunabhängiger Emissionen. In den USA liegt die entsprechende Emissionsgrenze zur Gewährung von Steuervorteilen für die Wasserstoffproduktion im Rahmen des Inflation Reduction Acts bei 4,0 kg CO2e/kgH2.

Obwohl die emissionsarme Wasserstofferzeugung auch die Pyrolyse von Biomasse einschließen kann, liegt der Schwerpunkt dieser Studie auf Wasserstoff, der durch Elektrolyse auf Basis von erneuerbaren Energien oder Kernenergie erzeugt wird und keine oder nur minimale CO2-Emissionen verursacht – auch „grüner Wasserstoff“ bzw. „pinker Wasserstoff“ genannt. Letzterer kann aus bekannten Gründen nicht als nachhaltig bezeichnet werden.

Grüner Wasserstoff: Nachfrage und Investitionen wachsen

Die Nachfrage nach Wasserstoff ist in den letzten drei Jahren branchen- und länderübergreifend um mehr als 10 Prozent gestiegen. Gerade in den klassischen Einsatzbereichen von Wasserstoff rechnen Unternehmen mit weiteren Zuwächsen: 94 Prozent der Erdölraffinerien gehen von einer erheblich steigenden Nachfrage bis 2030 aus, jeweils 83 Prozent der Chemie- und Düngemittelunternehmen ebenfalls.

In neuen Anwendungsgebieten – wie dem Schwerlastverkehr, der Luft- und Schifffahrt – wird die Nachfrage nach Wasserstoff voraussichtlich wachsen. Obgleich es noch dauern könnte, bis diese Technologien ausgereift sind, zeigt die Studie, dass die Unternehmen dieser Sektoren ihr Potenzial sehen. Sie entwickeln bereits innovative Geschäftsmodelle sowie Strategien zur Kostensenkung, um die Nutzung von Wasserstoff auszuweiten. Das entscheidende Potenzial von Wasserstoff liegt jedoch in den Sektoren, in denen Elektrifizierung keine Option ist und Einsatzszenarien bei lokal verfügbaren Mengen kurzfristig realisiert werden können. Fast drei Viertel (71 Prozent) der Energieversorger halten klimaschonend erzeugten Wasserstoff für geeignet, um Energie aus intermittierenden erneuerbaren Energiequellen wie Sonne und Wind zu speichern und für weitere Einsatzbereiche verfügbar zu machen.

Herausforderungen bei Produktion, Technik und Infrastruktur

Obwohl die Nachfrage nach CO2-arm erzeugtem Wasserstoff in allen Sektoren steigt, gibt es bei der Wasserstoffproduktion bekanntermaßen Probleme, da die derzeitigen Methoden weder kosteneffizient noch umweltfreundlich sind. Es besteht die Notwendigkeit, Angebot und Nachfrage gleichzeitig zu steigern sowie umfangreich zu investieren. Möglich wird dies durch eine stärkere Zusammenarbeit der etablierten Akteure der Wasserstoffbranche und neuer Marktteilnehmern sowie durch die Entwicklung transparenter und offener Märkte.

Trotz der Herausforderungen bei der Beschaffung von erneuerbarer Energie und den aktuell hohen Kosten für Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion sind die Energie- und Versorgungsunternehmen zuversichtlich: Fast die Hälfte (49 Prozent) der Organisationen weltweit erwartet, dass die Kosten zur klimafreundlichen Wasserstofferzeugung bis 2040 stetig sinken werden. In Deutschland gehen 54 Prozent der Versorger davon aus.

Im Übrigen sind die meisten Unternehmen noch mit Machbarkeitsstudien beschäftigt oder befinden sich in der Pilotphase. Erst 11 Prozent der Energieunternehmen weltweit – in Deutschland mit 22 Prozent fast doppelt so viele – und 7 Prozent der Endverbraucher weltweit (in Deutschland 2 Prozent) haben Projekte mit klimafreundlichem Wasserstoff vollständig in ihrem Markt eingeführt. Um eine flächendeckende Kommerzialisierung und Verbreitung dieses Wasserstoffs zu erreichen, sind neben den Kosten- und Energiefragen auch kritische technische und infrastrukturelle Probleme zu lösen.

Die Studie zeigt auch, dass Unternehmen aus unterschiedlichen Industriezweigen mit jeweils sektorspezifischen Schwierigkeiten konfrontiert sind. So betrachten 65 Prozent der Unternehmen im Schwerlastverkehr die Ausweitung der Produktion von Wasserstoff-Brennstoffzellen als die für sie größte infrastrukturelle und technische Herausforderung. In der Luftfahrt ist es für 58 Prozent der Befragten die Notwendigkeit, die Bauweise von Flugzeugen zu ändern, um emissionsarm produzierten Wasserstoff als Kraftstoff nutzen zu können. In der Stahlindustrie halten 72 Prozent die Modernisierung der Infrastruktur für eine wasserstoffbasierte Stahlproduktion in großem Maßstab für erforderlich.

Neben den finanziellen, infrastrukturellen und technologischen Fragen zählt laut 60 Prozent der Unternehmen auch der Mangel an Erfahrung und Expertise zu den größten Herausforderungen bei der Ausbreitung von Wasserstofftechnologie. Besonders ausgeprägt ist der Fachkräftemangel bei Endnutzerorganisationen in Spanien (70 Prozent) sowie bei Energie- und Versorgungsunternehmen in Japan (65 Prozent), in Frankreich und Australien (jeweils 63 Prozent). In Deutschland sehen 48 Prozent der Versorger sowie 52 Prozent der Endnutzerunternehmen den Fachkräftemangel als eine der größten Herausforderungen für Wasserstoff-Projekte.

Die vollständige Studie steht hier für Sie zur Verfügung.

Methodik der Studie

Mit dem Ziel, zu erkennen, wie Energie- und Versorgungsunternehmen (EVU) weltweit das Potenzial von klimafreundlich erzeugtem Wasserstoff für sich nutzen können, hat das Capgemini Research Institute eine Umfrage in 13 Ländern durchgeführt. Befragt wurden 500 Führungskräfte aus EVU mit einem Jahresumsatz von mehr als 500 Millionen US-Dollar sowie 360 Führungskräfte aus Endverbrauchersektoren wie Schwerlastverkehr, Luftfahrt, Seefracht, Stahl, Chemie und Raffinerie mit einem Jahresumsatz von über einer Milliarde US-Dollar. Die Befragten sind in die Planung und Entwicklung von Initiativen für emissionsarm produzierten Wasserstoff involviert und arbeiten in unterschiedlichen Fachgebieten wie Strategie, Entwicklung von Produkten und Services, Innovation und Engineering, Betrieb (Produktion / Lieferkette mit Schwerpunkt Beschaffung, Transport usw.) sowie in Geschäftsbereichen, die spezialisiert sind auf Wasserstoff, Erneuerbare und neue Energieformen, Dekarbonisierung, Umwelt, Nachhaltigkeit, Energiewende oder Endanwendungen (Wasserstoff für Brennstoffzellen / Motoren) etc.

In Ergänzung zu den quantitativen Erhebungen hat das Institut mehr als 21 Tiefeninterviews mit Organisationen der Angebots- und Nachfrageseite sowie mit Start-ups, Risikokapitalgebern, Forschenden und Verantwortlichen von Regulierungsstellen geführt.

Über Capgemini

Capgemini ist Partner für Unternehmen bei der Steuerung und Transformation ihres Geschäfts durch den Einsatz von Technologie. Capgemini ist eine Organisation mit einem Team von 360.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in mehr als 50 Ländern. Das Unternehmen setzt auf die sich schnell weiterentwickelnden Innovationen in den Bereichen Cloud, Data, KI, Konnektivität, Software, Digital Engineering und Plattformen. Der Umsatz der Gruppe lag im Jahr 2022 bei 22 Milliarden Euro.

Get The Future You Want | www.capgemini.com/at-de/

Über das Capgemini Research Institute

Das Capgemini Research Institute ist Capgeminis hauseigener Think-Tank in digitalen Angelegenheiten. Das Institut veröffentlicht Forschungsarbeiten über den Einfluss digitaler Technologien auf große Unternehmen. Das Team greift dabei auf das weltweite Netzwerk von Capgemini-Experten zurück und arbeitet eng mit akademischen und technologischen Partnern zusammen. Das Institut hat Forschungszentren in Indien, Singapur, Großbritannien, und den USA.

Die Endverbrauchersektoren wurden aufgrund ihres Potenzials zur Wasserstoffnutzung ausgewählt und in die Erhebung einbezogen.