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Georg Strasser, Too Good To Go

Mit der App kann ganz einfach und unkompliziert zu viel produziertes Essen gerettet werden. Sie ermöglicht es Betrieben, wie Bäckereien, Restaurants, Cafés, Hotels und Supermärkten, ihr überschüssiges Essen zu einem vergünstigten Preis an Selbstabholer*innen zu verkaufen. Ein wichtiger Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung.

Georg Strasser
Foto: Martina Draper

Zum Kurzvideo mit Georg Strasser.

BUSINESSART: Du hast BWL studiert und danach einen Schwerpunkt auf nachhaltige Entwicklung gesetzt. Wie kommt man von dort zu einer App gegen Lebensmittelverschwendung?

Georg Strasser: Das war für mich ein ganz natürlicher Weg. Ich habe BWL studiert, weil ich nach der Matura nicht wusste was ich tun soll. Ich dachte, wie wahrscheinlich viele Menschen, dass ich zu einer Bank oder zu einem Konzern gehe, und dort viel Geld und Karriere machen kann. Während des Studiums habe ich gemerkt, dass mir sehr viele Inhalte fehlen.

Ich habe mich gefragt, wie wir Sinn und Gewinn verbinden und nachhaltiges Wirtschaften auf irgendeine Weise hinkriegen können. Deshalb habe ich dann nachhaltige Entwicklung studiert und dort gemerkt: Das ist genau meins. Nachhaltigkeit und Wirtschaft gehören zusammen.

Danach bin ich in der Lebensmittelindustrie, einem Lebensmitteleinzelhändler hängengeblieben. Die Themenfelder waren so breit und groß: Von CO2-Neutralität zu Partnerschaften mit NGOs, zu Food-Waste, zu Kommunikation. Lebensmittel gehören einfach gegessen. Wir sagen: Essen gehört gegessen. Und es wird leider im Handel, in der Gastronomie, in der ganzen Wertschöpfungskette viel zu viel weggeworfen. Das tut weh. Es ist nicht nur ein soziales und ökonomisches Problem, sondern auch ein Umweltproblem, wenn wir zu viel Essen wegwerfen.

2016 ist dann Too Good To Go gestartet, da habe ich gewusst, das ist genau meins. Verbindet Sinn und Gewinn, ist neu, ist eine App (das heißt jeder, der ein Smartphone hat, kann Lebensmittel retten) – da war für mich klar, dort möchte ich arbeiten. So bin ich hierher gekommen.

Too Good To Go wurde 2016 gegründet, dann wurde es hierzulande still – erst 2019 gab es in Österreich den Relaunch. Was ist passiert?

Sehr viele Menschen haben eine ähnliche Idee gehabt: Digitalisierung und eine App für Lebensmittelrettung zu nutzen. 2016 sind wir gleichzeitig in Dänemark, Deutschland, UK und Frankreich gestartet und haben relativ schnell auch in der Schweiz, in Australien und in Österreich begonnen. Da hat man gemerkt – wir übernehmen uns. Wir sollten erst einmal schauen, dass das Konzept in Dänemark und in Frankreich, wo eine der Co-Gründer*innen herkommt, wirklich gut funktioniert. Damit wir einmal einen Proof of Concept haben und die App ausgereift ist. Dann gehen wir wirklich in die Märkte.

Deswegen haben wir uns zunächst aus einigen Märkten, wie Australien und Österreich, zurückgezogen. 2019 waren wir soweit, dass das Konzept funktioniert hat, wir haben viel gelernt und starteten richtig durch. Heute, 2,5 Jahre später, haben wir über 2000 Partner in der App. Die ersten Supermärkte sind dabei. Und wir haben eine riesen Community – rund 800.000 Downloads. Jetzt sehen wir, dass wir von der Nische in die Breite kommen. Das macht uns sehr stolz, dass wir das Thema Lebensmittelüberschüsse wirklich in die Bevölkerung tragen und auch Aufmerksamkeit generieren können.

Es gibt ja viele Wege sich gegen Lebensmittelverschwendung einzusetzen – warum habt ihr euren gewählt?

Was wir besonders gut können ist Einzelportionen retten – aus der Gastronomie, von Supermärkten, von Bäckern. Wir sagen bewusst, wir wollen ein kommerzielles Modell mit einer Mission verbinden. So können wir unseren Beitrag leisten. Gleichzeitig braucht es eine Community – User*innen, die mit uns Lebensmittel retten. Dieses ganze System Lebensmittelrettung ist einfach so groß, dass es noch viel mehr Initiativen braucht. Es ist ganz wichtig, dass es Sozialmärkte gibt, dass es Foodsharing gibt, dass es Tafeln gibt, dass es Betriebe wie Unverschwendet oder Brüsli gibt. Alle können etwas besonders gut.

Too Good to Go hat gerade den 2. Geburtstag gefeiert. Was waren die größten Herausforderungen?

Es gab so viele Herausforderungen. [lacht] Ich finde die größte Herausforderung war, in Wien Fuß zu fassen. Wir haben den ersten Gastronom*innen Too Good to Go vorgestellt, gesagt: „Das gibt es in Amsterdam, in Berlin, in Kopenhagen. Es geht ganz einfach, wenn euch etwas übrigbleibt, könnt ihr mit Too Good to Go Lebensmittel retten.“ Und die Antwort war fast immer: „Wir haben keinen Food-Waste und es ist mir zu kompliziert.“

Da sind wir zusammengesessen und haben – etwas scherzhaft – gesagt: „Irgendwie ist das komisch. Ist Wien die nachhaltigste Stadt Europas? Keine*r hat Food-Waste, niemandem fällt etwas auf.“ Gleichzeitig haben wir eine Million Tonnen Lebensmittel die wir jedes Jahr wegwerfen. Das Bewusstsein herzustellen und die Kommunikation darüber zu eröffnen, dass ein, zwei Portionen am Tag übrigbleiben, war nicht einfach. Sie bleiben übrig, obwohl die Gastronom*innen sie ja nicht wegwerfen wollen. Kein*e Bäcker*in möchte Lebensmittel wegwerfen, aber man kann einfach nicht so genau planen. Es gibt immer ein bisschen eine Planungsschwankung und um diese Portionen geht es. Diesen Start zu schaffen, dass die ersten Betriebe mitmachen und sich das herumspricht, das war eine wirklich große und prägende Herausforderung für uns. Nicht aufzugeben und an die Vision zu glauben, auch wenn es Rückschläge gibt, ich denke das war am Schwierigsten.

Wie habt ihr die ersten Gastronom*innen dann überzeugt?

Wir haben das ganz ehrliche und authentische Gespräch mit ihnen gesucht. Wir haben sehr viel Expertise und bieten viele Vorteile: Erstens, man muss nichts wegwerfen und hat dadurch auch weniger Entsorgungskosten. Zweitens, man ist in einer richtigen Community mit 800.000 User*innen. Das generiert eine gewisse Sichtbarkeit. Am Schluss war es gar nicht mehr so schwierig, wenn man erzählt, was man alles erreichen kann. Man muss halt beharrlich sein.

Corona hat 60 Prozent Umsatzrückgang gebracht – wie habt ihr den Weg zurückgeschafft?

Wir haben gewusst, Lebensmittelrettung ist auch wichtig, wenn es eine Pandemie gibt. Das wird es auch noch später geben. Wir haben nie den Glauben verloren, dass diese Lösung funktionieren würde – nicht während der Pandemie und nicht nach der Pandemie. Das Problem ist einfach zu groß, Pandemie hin, Pandemie her. Die Lebensmittelrettung ist immer noch wichtig, weil sie so viele Implikationen hat. Wir haben auch gemerkt, dass unsere Partner*innen sehr loyal sind und gesehen, dass es während und kurz nach der Pandemie sehr schwierig war, gut zu planen. Und Betrieben helfen bei Planungsunsicherheiten, wenn einmal mehr oder weniger übrigbleibt, das können wir besonders gut.

Während der Pandemie hat die Gastronomie dem Großhandel nichts mehr abgenommen, weil sie zu hatte. Was macht der Großhandel mit dem ganzen Essen? Da haben wir gesehen, wir können eine Lösung anbieten. Das war nicht nur beim Großhandel so, sondern bei ganz vielen Partnerbetrieben.

Das heißt, ihr habt in der Pandemie auch neue Partnerbetriebe gewonnen?

Es haben sich manche Türen geöffnet, ja. Es ist auch eine Sache der Einstellung: Man kann auch in Krisenzeiten Möglichkeiten sehen. Das macht uns als agiles Unternehmen aus.

Über 2000 Partnerbetriebe – das ist eine ganze Menge. Wie handelt man das?

Es überrascht uns selbst auch immer wieder, wie schnell wir eigentlich wachsen. Wir haben im 7. Bezirk mit 20 Partnern begonnen und sind dann von Bezirk zu Bezirk größer geworden. Mittlerweile  gibt es uns in allen Landeshauptstädten. Am Ende des Tages funktioniert es nur mit den Mitarbeiter*innen – wir brauchen die besten Talente, die dafür brennen, die das gerne machen, die an die Mission glauben und auch den Sinn und Zweck dahinter sehen.

Welche Expertise bietet ihr an?

Wir wissen relativ genau, was trotz genauester Planung übrigbleiben kann und wie man das reduzieren kann. Wir haben sehr viele Daten. Wenn ein Bäcker mit uns Lebensmittel rettet, weiß er genau an welchem Tag wie viele Sackerl gerettet worden sind. Wenn ich das ein paar Wochen mache, erkenne ich Muster und kann es auch reduzieren. Der Sinn ist nicht, viele Sackerl in die App reinzustellen, der Sinn ist, sie über die nächsten Wochen und Monate zu reduzieren. Und da können wir den Betrieben sehr gut helfen.

Wir sind in 17 Ländern tätig – in jedem Land gibt es Erfahrungen mit der Politik, mit Supermärken oder mit Gastronom*innen. Wenn man das alles zusammenträgt, kann man viel Hilfe anbieten.

Was war bisher das schönste Erlebnis?

Es hat wirklich viele schöne Momente gegeben. Heute, der 4. Oktober, ist zum Beispiel ein großartiger Tag. Wir haben viele Monate daran gearbeitet mit Spar eine Kooperation einzuleiten und retten ab heute mit über 700 Spar-Filialen Lebensmittel. Dass ein StartUp, oder ein ScaleUp - gemeinsam mit einem Traditionskonzern, mit einem Betrieb, den es schon seit vielen Jahrzehnten gibt -  so eine Partnerschaft startet, ist wirklich ein schöner Moment. Spar ist der größte Lebensmittelhändler in Österreich. An diesem Schritt haben sehr viele Mitarbeiter*innen mitgewirkt – aus dem Vertrieb, dem Marketing, dem Kundenservice. Wenn so viele Leute mitmachen, dann ist das ein schöner Moment, weil es das Team zeigt. Wir sagen: Win together, Fail together.

Welche Aspekte der Lebensmittelrettung sollten als nächstes angepackt werden?

Wenn wir uns in der Wertschöpfungskette anschauen, wo Lebensmittel verschwendet werden, dann geschieht ein großer Teil in den privaten Haushalten – bei uns zuhause.

Wir haben eine Initiative, „Oft länger gut“, gestartet, wo wir das Thema Mindesthaltbarkeitsdatum aufgreifen. Ich glaube, das kennt jede*r: Man macht den Kühlschrank auf, nimmt ein Joghurt, das Mindesthaltbarkeitsdatum ist überschritten. Man denkt „Was mach ich jetzt damit? Hau ich es weg oder mach ich es auf?“ Das Mindesthaltbarkeitsdatum sagt ja nur, dass ein Produkt bis zum Stichtag eine gewisse Konsistenz, Farbe, etc. hat. Danach ist das Produkt oft noch immer gut. Da setzen wir gemeinsam mit Produzent*innen an und haben eine Auslobung entwickelt: „Oft länger gut“ ist neben dem Mindesthaltbarkeitsdatum aufgedruckt und erinnert daran, dass ich nochmal meine Sinne einschalte, bevor ich ein Lebensmittel wegwerfe. Schauen, riechen, probieren.

Wir möchten mehr als eine App sein. Das ist großartig, das machen wir sehr gut, aber es braucht eben noch viel mehr. Da setzen wir auch mit Aufklärungskampagnen an.

Wir und sehr viele andere Initiativen sind sehr gut darin am Ende der Wertschöpfungskette Lebensmittel zu retten. Aber wir müssen viel näher an den Beginn der Wertschöpfungsketten kommen, in die Landwirtschaft und dort vermehrt ansetzen. Das ist auch eine Vision von Too Good To Go, mit der Landwirtschaft zusammenzuarbeiten, mit Produzent*innen.

Ebenso arbeiten wir mit der Politik auch zusammen. Wir fragen ganz aktiv Politiker*innen, was sie gegen Food Waste unternehmen. Wir gehen auch in den Dialog, arbeiten bei Stakeholder*innendialogen mit, geben unsere Expertise. So arbeiten wir nicht nur mit der App sondern auch mit vielen anderen Hebeln.

Wie schaut die Zukunft aus, wenn ihr erfolgreich seid?

Wir wollen die Lebensmittelverschwendung pro Kopf bis 2030 halbieren – das ist in den Sustainable Development Goals verankert und da wollen wir unseren Beitrag leisten. Das ist ein großes Ziel.

Das zweite Ziel ist, in Österreich mit so vielen Partner*innen wie möglich zusammenzuarbeiten. Wir stehen gerade bei ungefähr 2.500 Partnern und es gibt noch sehr viele Gastronom*innen und Bäcker*innen mit denen wir gemeinsam Lebensmittel retten können.

Und das dritte Ziel ist Aufmerksamkeit. Wir sind mehr als eine App. Wir wollen mit der Politik, Haushalten, Unis und Schulen gemeinsam arbeiten. Wir können nicht alles auf einmal und gleichzeitig machen, aber langfristig wollen wir mehr als eine App sein. Irgendwann wollen wir uns auch wieder abschaffen. Wir sind eine Social Impact Organisation, die mit dem Ziel gegründet worden ist, Lebensmittel zu retten und die Erzeugung in den nächsten Jahren auch sukzessive auf das benötigte Maß zu reduzieren. Das Ziel ist einerseits Wachstum – mehr Partner*innen – auf der anderen Seite Reduktion.

Die Vision ist ein Planet ohne Lebensmittelverschwendung. Das ist nochmal größer gedacht - wir wollen nicht in Europa bleiben, sondern auch in den USA, in Kanada, Südamerika Fuß fassen. Unsere Lösung funktioniert in jedem Land und auf jedem Kontinent. Warum soll man es nicht auch dort machen?

In welcher Branche seht ihr euch am ehesten?

In allen. [lacht] Wir sind in der Restaurantszene gestartet, da kommen wir her. Das war die Gründungsidee von Too Good To Go. Wir sehen aber, dass die Lösung, die wir haben, genauso für Bäcker*innen, die Hotellerie, für Supermärkte oder auch für Produzent*innen funktioniert. Es gibt nichts, das nicht funktioniert. Wir sehen uns in allen Branchen. Am meisten Partner*innen haben wir jetzt noch in der Gastronomie und in der Bäckereiszene, aber es kommen gerade auch die ersten Supermärkte in die App.

In diesen Branchen, in denen ihr euch bewegt, wo stehen wir da in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Global gesehen haben wir viele Jahre gedacht, dass wir ein Drittel aller Lebensmittel wegwerfen. Mittlerweile wissen wir, es ist mehr, es sind 40 Prozent. Die Zahlen werden in österreichischen Erhebungen ebenso größer. Als ich begonnen habe, mich mit dem Thema zu beschäftigen, wurde weniger verschwendet als heute – was aber auch daran liegen könnte, dass die Datenlage nicht so gut war. Heute stehen wir bei ungefähr einer Million Lebensmittel, die wir jedes Jahr wegwerfen. Die Datenlage ist in Österreich ok. Sie ist wahrscheinlich besser als in anderen europäischen Ländern, aber wir haben in der Landwirtschaft noch eine riesige Black-Box. Wir wissen noch nicht genau, wer wieviel wo verschwendet. Da können wir noch besser werden und wirklich die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Die Zahlen sind zum Teil veraltet – man müsste die Wertschöpfungskette auf den aktuellen Stand bringen. Das wäre der erste Schritt.

Über die letzten Jahre ist das Bewusstsein gewachsen, dass man Lebensmittel nicht wegwirft. Wir sehen das im Handel, der in den letzten Jahren viel gemacht hat, beispielsweise mit Rabattierungen und dem genauen Aufbacken von Brot und Gebäck. Er wirft im Vergleich, in der Wertschöpfungskette auch relativ wenig weg. Wo man am Meisten machen kann ist zuhause, bei uns, im privaten Haushalt. Wir werfen 300 bis 400 Euro im Jahr weg – viel zu viel. Tut weh im Börsel, tut weh dem Klima. Da müssen wir ansetzen.

Ihr würdet gerne noch mehr mit der Produktion, mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten. Wie könnte das aussehen?

Wir wissen es noch nicht. Es gibt viele Bauern, die auf Lebensmitteln sitzenbleiben, die schwierig erreichbar sind. Too Good To Go rettet sehr gut in Städten, in Ortschaften, wo Menschen zusammenkommen. Wir schaffen es noch nicht, Lebensmittel auf einem Feld im Waldviertel zu retten. Das ist unsere Herausforderung – wie können wir in der Landwirtschaft, zu Beginn der Wertschöpfungskette Lebensmittel retten? Frag mich nächstes Jahr. [lacht]

Oft werden Nachhaltigkeit und Wirtschaft als entgegengesetzte Kräfte bezeichnet. Gibt es aus deiner Sicht ein Dilemma?

Ich finde es gehört zusammen. Wir müssen es so machen, wir haben mittlerweile gar keine andere Wahl. Milton Friedman, hat gesagt, es gibt eine Aufgabe, die ein Unternehmen hat, und das ist Profit machen – so viel wie möglich. Das ist die einzige Verantwortung, die ein Unternehmen hat. Das ist überholt und stimmt so nicht mehr. Ein Unternehmen hat viel mehr Verantwortung. Nicht nur eine ökonomische Verantwortung, sondern auch Verantwortung gegenüber den Mitarbeiter*innen, gegenüber der Umwelt sowie soziale Verantwortung. Das gehört zusammen, wir müssen es in Einklang bringen. Wenn wir es nicht tun und nur Profitmaximierung fahren, dann geht es sich irgendwann nicht mehr aus.

Wir haben bezüglich der globalen Klimaerwärmung ein 1,5 Grad-Ziel, ein 2 Grad Ziel. Wir müssen noch viel mehr tun. Ich glaube, der Schlüssel ist auch, dass wir anders wirtschaften, dass wir ökologische, soziale und gesellschaftliche Probleme ins Zentrum rücken und auf wirtschaftliche Art und Weise lösen müssen.

Wie sieht für dich eine zukunftsfähige Wirtschaft aus?

Dass wir im Einklang leben – mit den Grenzen, die uns die Natur und die Umwelt aufzeigt. Ich glaube ein großer Faktor ist, dass wir immer dem BIP, dem Bruttoinlandsprodukt, nachrennen. Solange wir die Maximierung des BIP in den Mittelpunkt stellen, wird sich auch nichts ändern. Wir brauchen Kennzahlen zum Wirtschaften mit der Natur, zum Sozialen und zum Ökonomischen. Wenn wir da ein bisschen eine andere Messzahl im Zentrum hätten, dann würde es sich ausgehen. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube an eine Wirtschaft, die Natur und das Soziale mitdenkt.

Was braucht es, damit sich nachhaltige Unternehmen gut entwickeln?

Ich glaube, es braucht die Leute, die es wirklich wollen. Wir können alles machen, wir wissen wie es geht. Es braucht die mutigen Menschen, die es umsetzen. Es beginnt immer mit den Menschen, die eine Idee haben, die fragen: „Wie setzen wir es um, wie machen wir es.“ Das ist das Eine.

Das Zweite ist die Konsequenz, es dann wirklich zu tun.

Das Dritte sind Spielregeln und Gesetze, wie wir vielleicht in Zukunft wirtschaften könnten. Ein freiwilliges Instrument ist die B-Corp-Certification. Wir als Too Good To Go sind B-Corp-certified. Das heißt, dass wir uns an den eigenen Taten messen. Wir schauen uns an, wie wir mit unseren Mitarbeiter*innen, mit unseren Partnern umgehen, wie wir kommunizieren, wie fair wir sind. Wir messen uns nach Punkten und möchten jedes Jahr besser werden. Das ist auch ein Prozess – wir sind noch lange nicht perfekt.

Was möchtest du anderen Menschen / Unternehmen aus deiner Erfahrung mitgeben?

Wenn es nicht klar ist, warum ich Dinge mache, dann gibt es viele Vermutungen und Vermutungen führen zu nichts. Wir müssen es schaffen, als Leader, als Organisationen, klar zu sein: Was ist der Auftrag und warum machen wir das? Was ist die Vision? Wenn wir das schaffen, dann können wir unsere Mitarbeiter*innen, unsere Teams und unsere Partner*innen auf die Reise mitnehmen. Das ist das Warum, der Grund. Danach kommt die Konsequenz und die Transparenz. Diese drei Sachen machen Erfolg aus.

Was ist der Leitsatz deines Lebens?

Der Purpose muss im Mittelpunkt stehen. Wenn ich den verliere oder nicht habe, dann schwimme ich. Es ist mein persönlicher Leitsatz: Ich muss davon überzeugt sein, dahinterstehen, es muss für mich Sinn ergeben. Den Sinn definiert aber jeder für sich selbst. Für mich ist es: Es muss ökologischen Sinn ergeben, es muss sozialen Sinn ergeben und es muss auch ökonomischen Sinn ergeben. Ich möchte am Ende der Woche guten Gewissens sagen, es war eine erfolgreiche Woche, ich habe einen Unterschied gemacht für jemanden, für einen Partner, für einen Mitarbeiter. Das ist es am Ende.

Georg Strasser, Country Manager Österreich

  • Too Good To Go, Social Impact Company und App gegen Lebensmittelverschwendung, Wien
  • 32 Mitarbeitende (heute, denn wir werden monatlich mehr ;))
  • toogoodtogo.at

Das Interview führten Michaela Reisinger, Margarita David und Tobias Wieninger