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Klimawandel: Wo stehen wir?

Wo stehen wir und was muss getan werden? Fünf Forscher*innen von Scientists for Future stehen Rede und Antwort.

kirchengast
Gottfrid Kirchengast

Univ. Prof. Dr. Gottfried Kirchengast,
Leiter des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel:

Corona hat keinen strukturellen Effekt bewirkt. Wir stehen leider wieder am Emissionslevel von 2019 (79,8 Mio. Tonnen), vermutlich sogar höher. (laut unserer Schätzungen zwischen 79,5 und 81 Mio Tonnen). Es gab keine strukturelle Änderungen: Da möchte ich harte Kritik üben. Für die Rahmensetzungen und das systemische Gerüst ist die Politik, die Regierung verantwortlich.

Was braucht es?

Es braucht ein Klimaschutzgesetz, ein Rahmengesetz, das das Klimabudget festlegt. Weiters braucht es eine ökosoziale Steuerreform, ein Streichen der Förderungen für fossile Energie, und einen Umbau der Mobilität von der planerischen Seite bis hin zum teilweisen Umbau des Fahrzeugmixes. Im BMK wird fleißig an einigen Punkten gearbeitet , die Konzepte liegen vor. Es scheitert daran, dass von der höchsten politischen Ebene (Kanzleramt, Finanzministerium, BMK) nicht entschieden wird. Da fehlt das politische Leadership.

Das aber brauchen wir, damit Unternehmen Teil der Lösung werden können.

Österreich sollte wieder Vorbild werden und Verantwortung übernehmen. Die jungen Leute von Fridays for Future machen hier einen wichtigen Dienst für die Zukunft der Gesellschaft.

Zum „Treibhausgasbudget für Österreich auf dem Weg zur Klimaneutralität 2040“ des Wegener Center.

Dr. Renate Christ,
Langjährige Leiterin des Sekretariats des Weltklimarats (IPCC):

"Die Emissionen sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen. 2015/2016 hat es kurz so ausgesehen, dass der Peak erreicht sein könnte. Aber danach gab es wieder einen kontinuierlichen Anstieg. Für einen mit dem 1.5°C Ziel kompatiblen Emissionspfad müssten laut IPCC die Emissionen im Jahr 2030 um 45% unter dem Niveau von 2010 liegen, für das 2°C Ziel um 25%. Die nunmehr vorliegenden NDCs verfehlen diese Ziele gravierend, denn sie führen in diesem Zeitraum nicht zu einer Abnahme, sondern zu einem Anstieg der Emissionen um 16,3%.

Univ. Prof. Dr. Harald Rieder,
Universität für Bodenkultur, Leiter des Institutes für Meteorologie und Klimatologie:

"Wir müssen die Emissionen reduzieren, damit nicht noch mehr Extremereignisse stattfinden."

winiwarter
Verena Winiwarter

Univ. Prof.in Dr.in Verena Winiwarter,
Universität für Bodenkultur, Institut für Soziale Ökologie (SEC), Leiterin des Zentrums für Umweltgeschichte:

Ein wichtiger Test der Klimamodelle ist ihre Fähigkeit, das Klima der Erde über den Zeitraum der instrumentellen Aufzeichnungen (seit etwa 1850) zu simulieren. Wir haben viel gelernt und sehen, dass die Vorhersagen dieser Modelle gut mit den tatsächlich beobachteten Veränderungen übereinstimmen. Die Experimente zeigen, dass die beobachtete Erwärmung ohne menschlichen Einfluss nicht eingetreten wäre.

Die physikalische Theorie sagt voraus, dass menschliche Einflüsse auf das Klimasystem zu bestimmten Veränderungsmustern führen, und das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) sieht diese Muster sowohl in Beobachtungen als auch in Klimasimulationen: So erwärmen sich beispielsweise die Nächte schneller als die Tage, es entweicht weniger Wärme in den Weltraum, und die untere Atmosphäre (Troposphäre) erwärmt sich, während
sich die obere Atmosphäre (Stratosphäre) abgekühlt hat. Diese bestätigten Vorhersagen
sind allesamt Beweise für Veränderungen, die in erster Linie auf den Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen und nicht auf natürliche Ursachen zurückzuführen sind.

Wir sehen vor allem die Rückkopplungseffekte: Wenn Eis schmiltzt und der dunkle Boden zum Vorschein kommt erwärmt er sich noch stärker. Das ist im neuesten IPCC Report abgebildet und verstanden. Und die Situation ist dramatisch.

Wir brauchen eine Besteuerung von CO2 von 100,- Euro ab 2022. Das erwarte ich mir von einer ökosozialen Steuerreform.

Jede und jeder Einzelne kann auch viel tun: weniger Fleisch essen, mehr Bewegung, zu Fuß gehen, Rad fahren etc. Das tut Ihnen auch alles auch gut und schont das Klima.

Dr. Daniel Huppmann, International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA).

Österreich ist wesentlich stärker betroffen als der Durchschnitt der Länder. Seit Beginn der industriellen Revolution hat sich die globale Durchschnitts-Temperatur um etwa 1.1°C erhöht. Das erscheint auf den ersten Blick wenig dramatisch – bis man sich vor Augen führt, dass sich das Klima auf der Erde in den letzten 10.000 Jahren nicht so stark und vor allem nicht so rasch verändert hat. Österreich ist aufgrund seiner geographischen Lage bereits besonders stark von der Erhitzung betroffen: Laut Berechnungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) hat sich die Durchschnitts-Temperatur in Österreich etwa doppelt so stark erhöht wie im globalen Mittel. Wenn wir weltweit eine Temperaturerhöhung von 3 Grad haben, dann bedeutet das für Österreich plus 6 Grad. Dabei ist die Zahl der Hitzetage bereits jetzt schon stark angestiegen, was vor allem für ältere Menschen gesundheitlich sehr belastend ist. Zudem geht die Entwicklung viel schneller voran als prognostiziert. Die von der österr. Bundesregierung selbst gesteckten Ziele sind nicht geeignet um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen.

Es ist nicht Aufgabe oder Selbstverständnis der Wissenschaft, explizite Handlungsempfehlungen an Politik und Gesellschaft zu geben. Es ist aber sehr wohl die Aufgabe der Wissenschaft, alternative Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, Abwägungen zu quantifizieren, und die möglichen Auswirkungen verschiedener Maßnahmen (oder des bewussten Unterlassens von Maßnahmen) zu untersuchen.