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Mehr als den CO2-Abdruck berechnen

Erfolgsfaktoren des betrieblichen Mobilitätsmanagements

Andreas Lindinger ist Service Lead für Mobilität und Stadtentwicklung im Beratungsunternehmen denkstatt Foto: Arthur Michalek

Treibstoffpreise stellen Pendler*innen vor Herausforderungen, Covid hat das Mobilitätsverhalten nachhaltig verändert und technologische (E-Mobilität), rechtliche (Parkraumbewirtschaftung) oder gesellschaftliche (Nachhaltigkeit, Gesundheit) Entwicklungen bewegen viele Menschen dazu, ihre Routinen zu überdenken.

Das ist eine Chance für Unternehmen, die für Beschäftigte attraktiv sein und den Nachhaltigkeitsanforderungen von Gesetzgebern, Lieferanten und der Öffentlichkeit gerecht werden wollen. Arbeitswege und Dienstreisen machen einen hohen Anteil der Emissionen aus. Doch wie berechnet man diese und was sind Erfolgsfaktoren eines betrieblichen Mobilitätsmanagements?

Die zentralen Handlungsfelder

Wesentliche Bereiche sind Arbeitswege, Dienstreisen, Fuhrpark und Güterverkehr/Logistik, wobei nicht nur Investitionen, sondern auch Information und Bewusstseinsbildung sowie Nachhaltigkeitskommunikation betrachtet werden sollten.

Eine personelle Verankerung durch eine*n Mobilitätsbeauftragte*n oder ein Mobilitätsteam sowie laufende Kommunikation des Themas sind entscheidende Erfolgsfaktoren. Schließlich ist Mobilität ein emotionales Thema, bei dem es um Verhaltensänderungen geht – gerade am täglichen Arbeitsweg, der für rund 40 Prozent der werktags gefahrenen Pkw-Kilometer verantwortlich ist.

Mobilitätsbefragung ist mehr als nur Grundlage für Emissionsberechnung

Bei der Berechnung der Emissionen von Arbeitswegen empfehlen wir eine Mobilitätsbefragung der Mitarbeiter*innen: Sie erhebt, mit welchen Verkehrsmitteln und über welche Distanz der tägliche Arbeitsweg zurückgelegt wird. Daraus wird die Verkehrsleistung nach Verkehrsmittel (Modal Split) berechnet, diese auf die Gesamtbelegschaft hochgerechnet und die damit verbundenen CO2-Emissionen anhand der vom Umweltbundesamt jährlich bereitgestellten Emissionsfaktoren je Verkehrsmittel ermittelt. Mit der steigenden Bedeutung von Homeoffice werden nicht nur Arbeitswege eingespart, es entstehen auch Emissionen aus zusätzlichem Heiz- und Strombedarf, die ebenfalls erfasst werden können, je nachdem, ob es für das Unternehmen wesentlich ist, oder nicht.

Idealerweise dient eine Mobilitätsbefragung jedoch nicht nur der Berechnung der Emissionen, sondern auch dazu, nachhaltige Mobilität als strategisches Thema in der Organisation sichtbar zu machen, die Belegschaft einzubinden und eine Grundlage für zielgerichtete Verbesserungen zu schaffen. Daher sollten auch Motive für die Verkehrsmittelwahl, Einschätzungen zur persönlichen Mobilitätssituation sowie Bereitschaft und Anforderungen für den Umstieg auf klimafreundlichere Verkehrsmittel erfragt werden. Erfahrungsgemäß gibt es in der Belegschaft auch viele Ideen für Maßnahmen, die diese auf diesem Weg einbringen kann.

Alternativ kann die Umweltwirkung mittels Befragung einer repräsentativen Stichprobe der Belegschaft oder anhand der Wohnorte, Anstellungsverhältnisse und einer für den betreffenden Standort sinnvollen Modal-Split-Annahme berechnet werden. Dies ist jedoch mit einer geringeren Genauigkeit verbunden und lässt die Chance aus, die Belegschaft für das Thema zu sensibilisieren und einzubinden.

Grafik: VCÖ

Ein Blick auf Dienstreisen und Fuhrpark

Neben den Arbeitswegen sind auch Dienstreisen und der Fuhrpark wesentliche Emissionstreiber. Eine Dienstreise per Flugzeug hat beispielsweise rund 30-mal höhere Emissionen als eine per Bahn, welche nicht zuletzt aufgrund der nutzbaren Fahrzeit oder des steigenden Nachtzugangebots an Attraktivität gewinnt.

Die Berechnung der Emissionen steht und fällt mit der Datenqualität zu benützten Verkehrsmitteln, den Start-/Zielorten bzw. Entfernungen bei Dienstreisen sowie dem Treibstoffverbrauch im Fuhrpark. Diese Daten sind in Organisationen oft in unterschiedlichen Abteilungen oder nur lückenhaft verfügbar – die erstmalige Berechnung der Emissionen ist oft der Ausgangspunkt für Verbesserungen wie eine zentrale Buchung und Erfassung von Dienstreisen.

Mit den jeweiligen Emissionsfaktoren je Verkehrsträger bzw. Treibstoffe des Umweltbundesamtes werden aus den Daten jeweils wieder die Emissionen berechnet. Auch die Emissionen aus Hotelübernachtungen können bei Dienstreisen angesetzt werden. Alternativ kann die Umweltwirkung der Dienstreisen aus einer repräsentativen Stichprobe oder anhand der Ausgaben berechnet werden, wobei diese Ansätze wieder mit einer geringeren Genauigkeit verbunden sind.

Eine gute Datenbasis ist wichtig, um zu erörtern, welcher Anteil an Dienstreisen auf klimafreundlichere Verkehrsmittel verlagert bzw. durch Videokonferenzen vermieden werden kann.

Ein zielgerichtetes Maßnahmenpaket schnüren

Aufbauend auf der Mobilitätsbefragung und den Mobilitätsdaten sollte ein ganzheitliches Paket an Maßnahmen entwickelt werden, das auf die individuellen Voraussetzungen und Potenziale Ihres Unternehmens abgestimmt ist:

  • Gemäß dem Prinzip „Vermeiden ­– Verlagern – Verbessern“ zielen Maßnahmen darauf ab, Wege zu vermeiden, diese auf klimafreundlichere Verkehrsträger zu verlagern oder in ihrer Effizienz und Umweltwirkung zu verbessern. Da sich Mobilitätssituationen und Wegeketten nach Geschlecht und anderen demografischen Kriterien unterscheiden, sollte ein ausgewogenes Maßnahmenpaket die Anforderungen und Wirkungen auf unterschiedliche Belegschaftsgruppen miteinbeziehen.

  • Infrastrukturinvestitionen, Verbesserungen bei Mobilitätsangeboten, finanzielle Unterstützung, die Ökologisierung von Richtlinien und Prozessen sowie Bewusstseinsbildung sind wesentliche Handlungsfelder.

  • Auch Themen außerhalb des unmittelbaren Wirkungskreises des Unternehmens können durch einen Dialog mit externen Akteuren bzw. Kommunikationsmaßnahmen adressiert werden.

  • Die Vorbildwirkung von Führungskräften sollte nicht unterschätzt werden.

Für eine erfolgreiche Umsetzung empfehlen wir die Operationalisierung der Ziele in einem Aktionsplan und eine Integration in persönliche Zielsetzungen.

Die Berechnung der Mobilitätsemissionen wird für Unternehmen immer wichtiger. Ein betriebliches Mobilitätsmanagement geht über die Emissionsberechnung hinaus und verbessert die Mobilitätsoptionen der Beschäftigten, senkt Mobilitätskosten und schafft positive betriebswirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Effekte.


Andreas Lindinger ist Service Lead für Mobilität und Stadtentwicklung im Beratungsunternehmen denkstatt www.denkstatt.eu.