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Neue Gentechnik

Expert*innen und Konsument*innen über neuen Vorschlag der EU besorgt.

Ein Burger, gefüllt mit Salat, faschiertem Laibchen und Sojasprossen.
Foto: istock Erickson Photography

Auf wenig Zustimmung stößt der am 5. Juli 2023 vorgelegte Vorstoß der EU-Kommission zur Deregulierung der Verfahren der Neuen Gentechnik (NGT).

Umweltbundesamt & Arge Gentechnikfrei

In einem sogenannten White-Paper listen die ARGE Gentechnik-frei und das Umweltbundesamt zahlreiche Schwachstellen im Vorschlag der Europäischen Kommission auf: Die von der Kommission vorgeschlagene Kategorisierung von NGT-Pflanzen sei wissen­schaft­­lich nicht nachvollziehbar; wesentliche Fragen der Haftung, Patentierung und Koexi­stenz seien völlig ungeklärt; das in den EU-Verträgen festgelegte Verur­sacher­prinzip und Vorsorge­prinzip würde ausgehebelt; der in Österreich besonders stark ausgeprägte Bio-Landbau und die „Ohne Gentechnik“-Lebensmittelproduktion würden durch mangelnde Transparenz, Rückverfolgbarkeit und das Fehlen klarer Vorgaben für Koexistenz in Anbau, Transport und Vermarktung massiv unter Druck geraten. Zu erwartende Konflikte um Patente, Haftung & Koexistenz würden zum Problem für die gesamte Lebensmittelbranche.

Die wichtigsten Kritikpunkte im Detail

*   Die Kategorisierung von NGT-Pflanzen in NGT 1 (diese werden vom bewährten aktuellen Zulassungs-, Kennzeichnungs- und Kontrollregimeausgenommen) und NGT 2 (mit deutlich erleichtertem Zulassungsverfahren und Möglichkeit, als „nachhaltig“ ausgelobt zu werden) sei wissenschaftlich und fachlich nicht nachvollziehbar. Sie stelle eine für Europa völlig neue Form der Produktbewertung dar, die wesentliche europäische Werte – Vorsorgeprinzip, Verursacherprinzip, Wahlfrei­heit für Konsument:innen – nicht berücksichtigt.

*   Die für NGT 1-Pflanzen vorgesehene völlige Aufhebung der Kennzeichnungspflicht am Lebens- oder Futtermittel verletzt das Recht der Konsu­ment:innen auf Wahlfreiheit und gibt Landwirt:innen, Verarbeitern und Handel im Bereich „Bio“- und „Ohne Gentechnik“ kaum Möglichkeit, NGT-Produkte aus ihren Wertschöpfungs­ketten fernzuhalten; außer mit wesentlich höherem (auch: ökonomischem) Aufwand als bisher.

*   Das Verbot für NGT-Pflanzen für den „Bio“-Bereich ist zwar grundsätzlich positiv zu bewerten. Es wird allerdings – als Folge der mangelhaften Kennzeichnung und Rückver­folg­barkeit – in der Praxis nur sehr schwer und mit hohem Aufwand umsetzbar sein. Darüber hinaus fehlen im Vorschlag klare Vorgaben, wie dieses Verbot zu handhaben sei.

*   Wesentliche ökonomische Fragen bleiben unbeantwortet: Wer haftet bei irrtümlicher Anwendung wegen fehlender Kennzeichnung? Welche Auswirkungen werden die (bereits bestehenden) Patente großer internationaler Konzerne auf NGT-Pflanzen und -Verfahren auf die europäische Saatgutzucht und Landwirtschaft haben? Drohen massive Patent-Konflikte bei allfälligen Auskreuzungen?

Das sagen die Konsument*innen

Eine aktuelle Marktforschung von marketagent (n = 1.000) im Auftrag der ARGE Gentechnik-frei zeigt, dass die geplante Deregulierung

  • für den Großteil dieser Verfahren von 88,3 Prozent der Befragten klar abgelehnt wird.
  • 83,1 Prozent der Befragten wollen, dass Produkte aus NGT genauso streng kontrolliert und reguliert werden wie die bisherige Gentech­nik.
  • Komplett abgelehnt wird der Wunsch der EU-Kommission, die Kennzeichnungs­pflicht abzuschaffen: 89,9 Prozent der Befragten wünschen verpflichtende Kennzeichnung auch für Produkte aus NGT, direkt am Lebens- bzw. Futtermittel.