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Otto Leodolter, Löffler

Seit der Gründung 1947 produziert das Unternehmen in Österreich und Europa und fertigt hier jährlich ca. 1,3 Mio. Stück Textilien. Rund 70 % der benötigten Stoffe kommen aus der eigenen Strickerei, rund 90 % der Wertschöpfung werden innerhalb Europas generiert.

Otto Leodolter
Foto: Löffler

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Die Entwicklung neuer Materialien, die funktional, nachhaltig und regional produziert werden können, steht im Vordergrund. Bis 2023 sollen alle Artikel, die mit ökologisch bedenklichen per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) behandelt wurden, aus dem Sortiment entfernt sein. Ein weiteres Ziel ist es, bis spätestens 2026 auch die Herstellung von mikroporösen Membranen und das Laminat selbst frei von potenziell umweltschädigenden Chemikalien zu machen.

BUSINESSART: LÖFFLER gibt es seit 1946, seit 1973 geht es um Sportmode. Wie kam es zu Ihrer verantwortungsvollen Haltung?

Otto LeodolterDas ist ein Prozess, der sehr stark von den früheren Eigentümern mitgestaltet wurde. Die Firma Löffler war nicht von Anfang an im Besitz der Familie Fischer, sondern früher ein Ableger der Kunert-Dynastie. Herr Löffler hat eine Kunert-Tochter geheiratet und diese – Frau Elfriede Löffler – hat hier, am Standort in Ried, Strumpfhosen und Socken gemacht. Mit der günstigen Leichtstrumpfhose ist dann das Geschäft verloren gegangen. 1973 hat Herr Fischer das wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen gekauft und das Sortiment wurde Schritt für Schritt auf funktionelle Sportmode umgestellt.

Es war immer klar, dass der Produktionsstandort hier in Ried im Innkreis sehr wichtig ist. Es war nie ein großes Thema durch Verlagerung nach Asien Riesenprofite zu generieren. Erstens waren wir viel zu klein um solche Produktionslose nach Asien zu transferieren. Zweitens liegt es in der DNA der Familie Fischer, sehr regional zu bleiben. Das heißt, die Geschichte hatte sich von Anfang an sehr regional entwickelt.

Die Aufgabenstellung war, vernünftige Artikelpreise mit europäischer Herstellung zu schaffen. Da entwickeln sich verschiedene Wege, je nach Marketingbudget. Wir haben gelernt, damit umzugehen und das hat sich bis jetzt sehr gut entwickelt. Es war das Thema der Vorgänger, immer wieder zu sagen: „Der Standort Ried ist unser Satellit. Von dort wollen wir arbeiten. Nicht nur die Verwaltung hier am Standort zu haben, sondern auch die Produktion.“ Wir sind in Ried immer noch vollstufig, das heißt, wir gehen beim Garn weg und hören beim fertigen Teil auf. Mittlerweile beneiden uns sehr viele unserer Marktbegleiter für diese Position, das hat sich in den letzten 10-15 Jahren als wertvolles Asset herausgestellt.

Hochfunktional und verantwortungsvoll produziert – wie ist es gelungen, diese beiden Säulen zusammenzubringen?


Das ist eine interessante Frage. Die Funktionalität stand bei uns immer im Vordergrund. Wir wollten Produkte für Spitzensportler herstellen, wir haben mit dem österreichischen Skiverband eine 40-jährige Partnerschaft. Die Idee, hochfunktionelle Teile zu machen, war immer eine wichtige Säule für uns. 

Das Thema Verantwortung hat sich in den letzten 10 Jahren entwickelt. „Nachhaltigkeit“, wie wir sie vor vielen Jahren beurteilt und bewertet haben, hatte immer eine Konzentration aufs Produkt. Wir wollten aber nicht bloß die Konzentration aufs Produkt, sondern die Vielschichtigkeit der Nachhaltigkeit zeigen. Deswegen sind wir vor mehr als sechs Jahren von „Nachhaltigkeit“ auf „Verantwortung“ gegangen – weil sie viel mehr Möglichkeiten schafft, um die einzelnen Segmente zu beleuchten: Das Produkt, die soziale Verantwortung. Das war die Idee dahinter. Wir haben bis vor vier Jahren deshalb „Nachhaltigkeit“ immer etwas zur Seite geschoben, weil wir gesagt haben: „Wir produzieren in Österreich, nach österreichischen Gesetzen, das muss reichen.“ Wir haben aber zur Kenntnis genommen, dass Konsumenten weniger an die österreichischen Gesetze glauben, sondern mehr an Labels wie das Fairwear- und das Öko-Tex-Label. Wir haben deshalb entschieden, einen Nachhaltigkeitsbericht zu beginnen – weil wir mit der Argumentation, dass wir in Österreich produzieren, einfach nicht mehr weitergekommen sind. Über diesen Nachhaltigkeitsbericht ist die Vielschichtigkeit dieses Begriffs erst in unser Bewusstsein gekommen – dass, wenn man sich beim Bericht die Gewichtung ansieht, das verantwortungsvoll, nachhaltig hergestellte Produkt, seine Materialien, aber auch die soziale Komponente, die Menschen, die es herstellen, eigentlich sehr gleichwertig auf hohem Niveau stehen.

Warum man das schafft: Das ist das Glück, dass wir immer hier am Standort waren, dass wir uns stets mit den Strukturen und mit den Situationen hier im Standort beschäftigen mussten und dass immer wieder kreative Lösungen von unseren Mitarbeitern gekommen sind. Deswegen kann man diese Funktionalität und auch die Verantwortung gemeinsam transportieren und auch entwickeln.

Bei Ihrem Nachhaltigkeitsbericht schreiben Sie „Haltung ist nichts für Feiglinge. Haltung kostet.“ Was meinen Sie damit?

Das war die provokative Aussage, dass man sich Nachhaltigkeit immer wieder schönreden kann. Wenn man richtige Nachhaltigkeit haben will, dann kostet die auch Geld. Wir haben mit dieser Aussage gesagt: „Wir sind bereit, das Geld aufzubringen, das dafür notwendig ist.“ Wir sprechen dabei von Mindestlöhnen bei unseren Lohnpartnern, vom verantwortungsvollen Entsorgen unserer Abfälle, davon, dass wir in Ried und in Kombination mit Löffler Bulgarien fast klimaneutral sind. Es ist uns bewusst, dass man Nachhaltigkeit nicht nur reden, sondern auch tun muss. Und wenn man sie tut, dann kostet das was.

Wie konnten Sie trotzdem bestehen?

Dieser Nachhaltigkeitsbericht hat uns – wir sind ein Führungsteam von zehn Personen bei Löffler – eine enorme Entwicklung gegeben. Es ist eine Dynamik entstanden, die dich letztendlich Schritt für Schritt weiterführt. Wir fragen uns jedes Mal, ob wir bereit sind, diesen Schritt zu gehen. Wir müssen immer wieder abwägen, ob es sich auszahlt oder nicht. Wir treiben uns dabei gegenseitig an, wo der nächste Schritt ist und mit welchen Maßnahmen man den nächsten Schritt setzen kann, um auch weiter zu gehen. Wir sind am Anfang dieses Weges und es ist ein Fass ohne Boden. Man kann sehr viel Zeit und Liebe im Detail verschwenden, weil die Nachhaltigkeit so ein vielschichtiges Thema ist. Warum wir es uns leisten, ist ganz klar: Wir sind alle überzeugt davon, dass das der richtige Weg ist. Wenn wir nicht selbst davon überzeugt wären, dann würden wir es nicht machen. Das ist noch nie der Löffler-Weg gewesen, eine Geschichte zu erzählen, an die wir nicht glauben.
Wenn man in der Region groß wird und erfolgreich ist, dann hat man eine gewisse Budgetverteilung angelernt. Wir haben keine Millionen an Budget für Marketing, wir sind auch sehr sparsam mit unseren Ressourcen. Es ist eine Kombination aus vielen kleinen Elementen, die ergeben, dass man sich es leisten kann. Die Dynamik, die der Nachhaltigkeitsbericht, unsere Kollektion und das, wie wir sind, für uns am Markt gebracht hat, hat uns natürlich auch vom Umsatz und von den Ergebnissen her weitergebracht. Mit mehr Umsatz, mit einem schöneren Ergebnis, kann man sich natürlich auch mehr leisten. Es ist so ein Lawineneffekt, der, wo die Lawine im Moment gerade für uns rollt.

Was waren auf dem Weg die größten Herausforderungen? Wie konnten Sie diese meistern?

Die größte Herausforderung war, über den Schatten zu springen und den Bericht zu beginnen. Am Anfang sagt man noch „Wir machen einen Bericht.“ Es dauert ein Jahr, bis man erkennt, dass man einen externen Berater braucht, dass das nicht ganz so einfach funktioniert. Dann erkennt man die Dimension dieser Geschichte, muss man alle Mitarbeiter ins Boot bringen und entscheiden, ob man es macht. Das war die größte Herausforderung, diesen Startschuss zu geben.

Sie selbst sind seit 2012 Geschäftsführer von Löffler. Wie haben Sie das Unternehmen geprägt?

Was ich sehr gut kann: Ich vertraue meinen unmittelbaren Mitarbeitern. Unser Führungsteam besteht aus zehn Personen. Man muss zu Kenntnis nehmen, dass man das Unternehmen in einer Größenordnung, wie wir sind, nicht mehr alleine steuern kann. Das heißt, es gibt Abteilungen, es gibt Verantwortungsbereiche.

Die stärkste Prägung, die man einem unmittelbaren Mitarbeiter mitgeben kann, ist, dass man ihm vertraut. Das tue ich leidenschaftlich gerne. Wohl wissend, dass es manchmal nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle. Manchmal ist das Ziel etwas weiter links oder rechts, weiter oben oder unten, aber im Endeffekt ist wichtig, dass die Richtung stimmt. So gesehen haben wir in den letzten 10 Jahren sehr viel an Entwicklungsarbeit geleistet. Nicht nur, was unsere Produkte betrifft, sondern auch, was die generelle Ausrichtung und die Vision des Unternehmens betrifft. Die Vision ist so kommuniziert, dass sie jeder leicht verstehen kann und damit hat man wesentlich weniger Diskussionsthemen. Das ist eigentlich die größte Errungenschaft, die ich geschafft habe – wohl wissend, dass ich das nicht alleine war, sondern dass das mein Team gemacht hat und ich es zugelassen habe.

Was war in dieser Zeit ihr schönstes Erlebnis?

(lacht) Ich warte noch auf das schönste Erlebnis. Ich habe ja noch eine Weile zu gehen. Es gibt so viele schöne Momente, die man in der Sportbranche erleben darf.  Einer der schönsten Momente, wenn Sie mich auf meine Mitarbeiter ansprechen: Wir haben vor drei Jahren entschieden (2018), dass wir im Rahmen von „Ewiges Lernen“ bzw. des Programms „Du kannst was“, 7 Mitarbeiterinnen einen Lehrabschluss ermöglicht haben. Die jüngste Mitarbeiterin davon war 47 und die älteste knapp 55. Es haben alle die Prüfung geschafft. Bei dieser Abschlussveranstaltung habe ich die älteste Kollegin gefragt, warum sie eigentlich nie eine Lehre abgeschlossen hat. Sie hat gesagt: „Wie ich begonnen habe zu arbeiten, hat es das noch nicht gegeben.“ Was jetzt so selbstverständlich ist, dass jeder eine Lehre macht, eine Schulausbildung hat, das ist noch nicht lange so. Das überrascht einen, macht aber auch Freude.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie persönlich?

Es ist wirklich banal, aber ich bin in den letzten Jahren durch unser Thema Nachhaltigkeit sehr bewusst im Umgang mit Ressourcen. Ich fahre leidenschaftlich gern mit dem Rad in die Arbeit, wenn das Wetter schön ist. Wenn es schirch ist, eher nicht. So ehrlich bin ich. Ich fahre mittlerweile gern mit dem Zug. Ins Bewusstsein zu rücken, dass man vorsichtig mit den Ressourcen umgehen muss, ist in den letzten Jahren bei mir sehr stark in den Fokus gerückt. Es ist immer wieder schwierig, das den eigenen Kindern beizubringen. Damit versteht man auch, dass es nicht so leicht ist, es den eigenen Mitarbeitern beizubringen, wenn man es bei den eigenen Kindern nicht schafft. Es ist immer ein spannendes Thema, das man nur selbst vorleben kann.

Klimaschutz und Wirtschaft werden oft als gegensätzliche Kräfte gezeichnet. Wie sehen Sie das?

Das seh‘ ich gar nicht so. Das Wichtigste ist, und dafür kämpfe ich schon seit sehr vielen Jahren, dass das Produkt, das wir verkaufen, das aber auch der Bäcker verkauft, wieder einen Wert bekommen muss. Mit dem Werteverständnis kommt automatisch die Wirtschaftlichkeit. Wenn ich mit unseren Vertretern rede und sie bitterlich beklagen, dass wir keine Wanderhose mehr für 79 Euro im Angebot haben, dann sage ich, wenn du zur Tankstelle fährst und dein Auto volltankst, dann zahlst du 100 Euro und hast nicht einmal darüber nachgedacht. Wenn du dir eine Wanderhose kaufst, dann ist es ein absoluter Skandal, wenn die 119 Euro kostet. Im Lebensmittelbereich wurde es sehr wohl schon teilweise geschafft, dass regionale, ordentlich produzierte Produkte auch einen Preis haben. Man ist bereit, für ein ordentliches Kalbssteak ordentliches Geld zu zahlen. Das muss auch im Textilbereich und in vielen anderen Bereichen passieren. Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit funktioniert. Man muss nur daran glauben.

Vor vielen Jahren war es ein Skandal, wenn die Haustelefonrechnung im Monat 70 Euro ausgemacht hat. Das verbrät heute jeder Jugendliche und denkt sich gar nichts dabei. Die Budgets haben sich verschoben und im Endeffekt muss man sie wieder zurechtrücken – in dem Sinn, dass man regional produzierte Produkte mit dem entsprechenden Preis versieht und wir alle unser ordentliches Gehalt bekommen und die regionale Kultur nicht vernichten.

Wie sieht eine zukunftsfähige Wirtschaft aus?

Eine zukunftsfähige Wirtschaft wird sich irgendwann in einer Kreislaufwirtschaft sehen müssen. Wie der Kreislauf ausschaut, ist eine sehr spannende Frage, die man im Moment noch nicht beantworten kann. Es ist immer vernünftig, dass die Politik klare, sehr fordernde Ziele vorgibt. Für uns Unternehmen muss es möglich sein, verschiedene Wege zu gehen, um diese Ziele zu erreichen. Ich finde es nicht gescheit, dass man zum Beispiel von vornherein vorgibt: „Elektromobilität ist die einzige wahre Mobilität“. Es wird wahrscheinlich andere Möglichkeiten geben müssen, damit wir diese Ziele, zu denen ich hundertprozentig stehe, erreichen werden. Da braucht es die Kreativität der Unternehmen. Es gibt schlaue Leute, die die richtige Idee haben. Die Politik ist gefordert, die Ziele vorzugeben, aber die Wege offen zu lassen.

Dass es schwierig wird, die ganze Welt auf dieses Thema umzustimmen, ist uns allen bewusst. Das wird die Politik machen müssen. Da werden wir alle nur zuschauen können, ob sie das schaffen. Aber wir müssen unseren Beitrag dazu leisten.

Apropos Kreativität: Löffler ist ein Unternehmen, das immer wieder neue Innovationen hervorgebracht hat. Wie schaffen Sie es, innovativ zu bleiben?

Das weiß ich nicht. Es ist jedes Jahr eine Überraschung, wenn jedes Jahr jemand etwas Neues bringt. Man kann Kreativität fördern und fordern, wenn man den entsprechenden Freiraum schafft, dass man auch Dinge zulässt, die im ersten Moment absurd erscheinen. Es geht darum, dass verschiedenste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Ideen kommen und sich zutrauen, es zu probieren. Der Freiraum muss einfach da sein.

Ich denke an die transtex®-Shell, die wir präsentiert haben. Vor vier Jahren hat unser Produktmanager die Idee gehabt, doch einmal die Herstellung von Softshell in Österreich zu probieren. Damals war die Preissituation eine andere, Produkte aus Asien haben die Hälfte gekostet. Das hat sich in den vier Jahren verändert und plötzlich ist man mit einem regional produzierten Teil fast auf der gleichen Kostenebene unterwegs. Das sind Glücksfälle. Dass uns die Welt so in die Karten spielt, das haben wir vor vier Jahren nicht geplant. Es muss einfach auch passen.

Was hat LÖFFLER als Nächstes vor, was bringt die Zukunft?

Wir haben eine ganz klare Idee. Wir diskutieren im Führungskreis fünf bis sechs Jahre nach vorne und schauen, wie sich Löffler entwickeln kann. Wir haben unsere Position am Markt gefunden, wir schauen nicht in andere Geschäftsfelder hinein. Wir sind zufrieden, wo wir sind: Wir sind europäischer Hersteller im Sportartikelbereich für den europäischen Markt. Wir beschäftigen uns natürlich mit Wachstumsszenarien: Wie kann man sich, wie kann man die Nachhaltigkeit weiterentwickeln? Das sind die Dinge, die uns gerade beschäftigen. 

Wir wissen alle, dass Daten in der Zukunft in einem Unternehmen eines der größten Assets sein werden. Wir arbeiten daran, damit wir sie wirklich nutzen können. Es sind sehr viele Dinge in Bewegung, die man im Auge behalten muss, damit man es letztendlich nicht nur gestalten, sondern auch finanzieren kann.  Man braucht auch einen klaren Plan, was man als Nächstes macht. Wir haben einen klaren Plan, was wir für die nächsten fünf Jahre machen wollen. Den verrate ich Ihnen aber jetzt nicht (lacht). Wir versuchen im materialtechnischen Sinn nachhaltige Produkte auf den Markt zu bringen und sie auch sozial-verantwortlich herzustellen. Das sind unsere Ziele. Es wird immer der Fokus auf der Kollektion bleiben, weil das unser Herzstück ist.

Bei Mode denkt man an Fast Fashion. Wie schnell muss es in der Sportmode gehen?

Es gibt Marktbegleiter, die glauben, sie müssen immer schneller werden. Es gibt zum Glück eine vernünftige Gruppe, die sehr konzentriert und mit einem vernünftigen Maß an neuen Teilen, an einer Sommer- und einer Winterkollektion arbeiten.

Man sieht immer stärker, nachhaltig zu produzieren heißt nicht, nur recyceltes Material zu nutzen. Es geht auch um die Langlebigkeit der Produkte, es geht um das Reparaturservice. Damit kommt automatisch das Thema Mode ins Spiel. Wenn Sie heute eine klassische Modefarbe präsentieren, die man in zwei Jahren als alt definiert, dann haben Sie natürlich ein Problem. Es wird immer die Gratwanderung zwischen dem modischen Anreiz und einer gewissen Tradition geben müssen.  Sonst bist du einmal zu schnell und einmal zu langsam. Wenn du eine fade Kollektion hast, bist du nicht attraktiv, wenn du zu modisch bist, bist du zu schnelllebig.

Wir sind mit den zwei Kollektionen pro Jahr immer gut gefahren und haben nicht vor, schneller zu werden. Im Gegenteil: Wir versuchen, Teile länger im Prozess zu halten, sie zu reparieren, wenn es notwendig und möglich ist. Für uns ist die Geschwindigkeit hoch genug. Ich würde sie manchmal gerne ein bisschen langsamer sehen, was der Markt jetzt so nicht akzeptiert.

Woran erkennt man als Konsument*in Langlebigkeit?

Der Großteil der Menschen weiß nicht, wo ihre Kleidungsstücke hergestellt werden und wer sie gemacht hat. Die Supply-Chain wird ein Thema werden. Wenn der Konsument bewusst nach einer Marke fragt und sich bewusst für die Marke interessiert, dann wird er auch feststellen, ob sie reparaturfähig und langlebig ist. Das müssen wir schaffen.

Wenn ein Kleidungsstück, dass Sie erst letzte Woche gekauft haben, kaputt ist, bringen Sie es zum Geschäft zurück. Die Verkäuferin wird nichts anderes tun als das Teil zu nehmen, Ihnen ein neues zu geben und das kaputte wegschmeißen. So ist die Realität in der schnelllebigen Mode. In der Sportartikelbranche ist es anders. Es gibt viele Marktbegleiter, die ein Reparaturservice anbieten. Der Fachhandel kann oft abschätzen, ob man das Teil reparieren kann oder ob es für immer verloren ist.

Sportmode zeichnet sich oftmals durch einen hohen Anteil an Kunststofffasern aus. Seit einiger Zeit erlebt die Naturfaser ihr Comeback. Was hat sich bei Ihnen dadurch verändert?

Konkret reden wir bei Löffler über TENCEL™ bzw. über Wolle – mehr an Naturmaterialien haben wir nicht. Das Problem ist, dass die funktionelle Sportmode sehr stark an der Synthetik hängt. Damit muss man im Moment umgehen. Wir haben vor fünf Jahren gemeinsam mit Lenzing sehr viele Tests mit Tencel-Trikots gemacht, wo es gut funktioniert hat, das Temperaturmanagement des Körpers zu beeinflussen. Wenn ein Material wie Wolle sehr viel Feuchte aufnimmt, und die Feuchte dann unmittelbar am Körper aufliegt, sind Verkühlungen vorprogrammiert. Es gibt Dinge, die kann man im Moment mit einer Naturfaser nicht sauber abdecken. Das ist die Gratwanderung zwischen Funktionalität und Verantwortung. Es ist notwendig, diese jedes Mal zu diskutieren.

Wir schauen ganz bewusst nach, ob es unbedingt neues Material sein muss oder ob man auch recyceltes Material verwenden kann. Andererseits muss man auch fragen, woher die Wolle, die Baumwolle kommt, inwieweit sie zertifiziert ist. Baumwolle braucht sehr viel Wasser, wir kennen die Problematik der Schafwolle. Es gibt auf allen Fronten, auf denen wir uns betätigen, immer wieder Stolpersteine. Was nicht heißt, dass man sie nicht bewältigen kann. Aber wir sind alle am Anfang dieses Weges, wo wir uns damit beschäftigen müssen, wie ich sparsam mit Ressourcen umgehen kann. Wir haben letztes Jahr versucht, mit einem Recycler in Oberösterreich ein Projekt zu starten, um die Abfälle, die wir in unserer Produktion verursachen, wieder zu recyclen. Wir sind gescheitert, weil er für seine Maschine mindestens 1.000 Kilo braucht und wir in einem halben Jahr nur 500 Kilo Polypropylen gesammelt haben. Wir reden von sehr kleinen Mengen von Müll, den wir als Restabfall haben. Wenn man ins Textil hineingeht, muss man es für das Recycling in die unterschiedlichen Materialien trennen. Da gibt es viele Wege, die chemische oder mechanische Verfahren sind. Da sind wir noch in den Kinderschuhen. Es wird noch einige Zeit vergehen, bis man sagen kann, wir können Materialien wiederverwenden, die ein sehr ähnliches Tragegefühl wie neues Material haben. Ich bin guter Dinge, dass der Druck von der Gesellschaft groß genug sein wird, damit wir das schaffen.

Wo kommt Recyclingmaterial her?

Wo immer das recycelte Material herkommt, bei uns kommt es wahrscheinlich nicht aus dem Pazifik aus irgendwelchen Fischernetzen. Wir müssen unseren Lieferanten vertrauen, dass das auch wirklich seriös recyceltes Material ist. Es ist ja auch großteils zertifiziert. Ob diese PET-Flasche jemals in Verwendung war, bevor sie wieder recycelt wurde, das können wir Ihnen nicht sagen. Aber wir haben langfristige Partnerschaften und sind wirklich in guten Händen.

Zur Naturfaser: Wird dieser Trend sich fortsetzen?

Unbedingt! Wie weit das gehen wird, werden wir sehen. Ab einem gewissen Punkt wird auch der Konsument Kompromisse eingehen müssen, die er jetzt nicht geht. Zum Beispiel bei der Wasserdichtheit von Regenjacken. Es wird dafür sicherlich Lösungen geben, aber es ist wichtig, dass von oben der Druck kommt, dass das Ziel vorgegeben ist. Wie der Weg dorthin geht? Es wäre schön, wenn ich es wüsste. Aber ich glaube, dass das kommt. Wir kennen sehr viele Materialien aus dem Mittelalter, aus der Vergangenheit, die sehr gut waren. Die waren auch alle nachhaltig und bestanden aus Naturfasern. Man hat sie abgelegt, weil man gesagt hat, Kunstfaser eignet sich besser für Funktionsbekleidung. Jetzt geht der Weg wieder zurück – in die Vergangenheit, in die Zukunft.

Wenn Sie Ihre Branche und die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit/Klimaneutralität betrachten: Was sind die zentralen Herausforderungen?

Die zentralen Herausforderungen sind sicher die Lieferketten – für alle von uns. Es ist in den letzten eineinhalb Jahren spürbar geworden, dass die Lieferketten aus Asien brüchig sein können und zum Glück auch brüchig sind, wenn ich das aus unserer Situation sehe. Wir werden uns sehr stark umorientieren müssen, um europäische Produktionen stärker in den Vordergrund zu rücken – vom Grundmaterial an. Ich glaube, dass das ein Weg ist, der uns zurückführt an unsere Wurzeln. Unser Marketingleiter sagt immer, das regionale Bio-Fleisch ist das Beste. Da müssen wir wieder hin. Bio alleine ist zu wenig, man muss auch die Regionalität in den Vordergrund rücken. Das wird die größte Herausforderung für die Sportbranche sein: Wie weit schafft man es wieder, vor Ort für die Region zu produzieren? Es wird nie wieder so werden, aber ich glaube, es wird eine Trendumkehr geben müssen.

Was braucht es, um Produktion wieder in den europäischen Bereich zurückzuholen?

Viele Ideen. Mitarbeiter. Das ist ein riesen Thema in Europa. Unsere soziale Struktur ist derzeit so, dass wir, dass die jungen Leute, immer weniger werden. Es wird eine spannende Zeit. Es braucht sehr viel Kreativität. Es muss nicht jedes Teil, das wir tragen 1.000 Nähminuten haben, es kann einfacher gestaltet und einfacher in der Herstellung sein. 

Es wird einiges brauchen – wenn du einmal ins Ausland gegangen bist, ist es sehr schwer wieder zurückzukommen. Aber es gibt schöne Start-Ups, auch in Österreich, z.B. Woodfashion. Das sind Start-Ups, die eine Idee haben, die einen wieder einmal schütteln und sagen: „Freund, es geht auch anders.“ Das ist, was Spaß macht. Wenn man für den Mitbewerb, für den Markt offen ist, sieht man immer wieder Sachen.

Wie würden Sie Ihre Unternehmenskultur beschreiben?

Eigentlich sind wir ein Familienbetrieb – wohl wissend, dass wir kein Familienmitglied mehr in unseren Reihen haben. Der letzte Eigentümer hat das Unternehmen vor 48 Jahren verlassen. Seither sind wir management-geführt. Wir haben die Familie Fischer im Hintergrund, die sehr stark auch als Familie wirkt. So ist auch die Kultur im Unternehmen und so sehen es auch sehr viele Mitarbeiter: Wir sind sehr familiär in unseren Strukturen, wir haben sehr flache Hierarchien.

Wo finden Sie die richtigen Mitarbeiter*innen? 

Die Textilbranche hat verschiedenste Ebenen – was die Modellentwicklungen, die Produktionsressourcen betrifft. Alles was schulische Kompetenz braucht, die sourcen wir aus den Schulen der Umgebungen, sprich Ebensee, Linz, Wien. Die Entwicklungsabteilung ist unsere größte Abteilung, mit über 25 Mitarbeiterinnen, 2 Mitarbeitern. Da kommen die Ressourcen wirklich aus der Schule und wir versuchen die neuen Mitarbeiter*innen in einem einjährigen Trainee mit unserer Produktion und unserer Philosophie vertraut zu machen. Das funktioniert ganz gut. Auf der Produktionsseite, wenn das Know How auch während des Arbeitsprozesses angeeignet werden kann („Learning by doing“), sourcen wir direkt aus der Region. Wir haben sehr große Betriebe in der Region Ried, viele Berufe und Aufgaben, die in einem Frauenberufssegment immer wieder Personen wegzwicken, aber die auch das Potential für zusätzliche Personen geben. Für mich ist wichtig, dass alle Damen und Herren, die bei uns eine Lehre beginnen, diese auch abschließen. Dass jeder einen Lehrabschluss hat, ist ein Must-Have, das in meinem Verantwortungsbereich liegt. Wenn es bei uns keinen Spaß mehr macht, und jemand woanders hingeht, dann hat er eine abgeschlossene Lehre. Für mich ist Lehre fast mit Matura gleichzusetzen, weil es eine Fachausbildung ist, die sehr viele Kompetenzen hat.  Das ist unsere oberste Priorität, die wir mit sehr viel Geld und Zeit unterstützen. Ehrlicherweise decken wir mit den Lehrlingen, die wir jedes Jahr ausbilden, gerade die natürlichen Abgänge ab, sprich Pension, Mutterschutz, der in einem Frauenbetrieb ein permanentes Thema ist. Wir haben aktuell 109 verschiedene Arbeitszeitmodelle, weil sehr viele Teilzeitkräfte zurückkommen. Wir haben sehr viele kreative Lösungen.

Was ist Ihnen bei neuen Mitarbeiter*innen besonders wichtig?

Mitarbeiter*innen brauchen eigentlich nur Freude an der Arbeit mitbringen. Man sieht immer wieder, wenn jemand an dem was er tut Freude hat, dann ist er kreativ, dann ist er nicht nur mit dem Körper da, sondern auch mit dem Geist. Das ist das Wichtigste, was wir haben. Dann gibt es Freude und Spaß. Es muss jeder seinen Platz finden.

Sie haben vorher Trainee-Programme erwähnt. Was braucht es noch, damit sich jemand gut einarbeiten kann?

Vor allen Dingen Zeit. Es ist leider in den letzten Jahren eine Untugend geworden, dass man Leute einfach an den Arbeitsplatz setzt und sagt „Mach!“

Es braucht Zeit. Es braucht das Willkommen, es braucht das „Ich freue mich, dass du da bist“. Es braucht die Information, was wir bieten. Es braucht die Zeit, in der man mit seinen unmittelbaren Mitarbeitern in Kontakt kommen kann. Wenn man es nicht schafft, sich im sozialen Umfeld Firma wohlzufühlen, dann wird man nicht lang dortbleiben. Es ist eine Untugend geworden, dass man diese Phase übergeht und sagt: „Du musst. Du musst. Du musst.“ Weil wir sehr viel Druck haben. Da muss man sich eines besseren besinnen, dass man dem Neuen auch die Zeit gibt, um zu landen.

Was können Sie anderen Menschen und Unternehmen aus Ihrer Erfahrung mitgeben?

Wenn man sich wohl fühlt in seiner Haut, wenn man Freude daran hat, jeden Tag in die Arbeit zu gehen, dann ist man richtig. Und wenn man richtig ist, dann ist man kreativ und hat die Möglichkeit, neue Dinge umzusetzen. Ich lächle gerne. Die Kollegen, die mich doch einige Jahre kennen, wissen, wenn ich pfeifend durch die Hallen wandere, dann geht es mir gut. Das überträgt sich auf die Mitarbeiter. Es ist ein gutes Signal für alle, wenn es einem selbst gut geht – dann fühlen sich die Mitarbeiter wohl.

Was ist der Leitsatz Ihres Lebens?

Ich bin ein sehr positiver Mensch, ich denke sehr positiv, ich bin sehr vorwärts orientiert. Ich freue mich über jeden Tag. Sobald man in einer Managementposition ist, darf man nicht davon ausgehen, dass es einen Tag ohne Sorgen und Probleme gibt. Man muss die Probleme lösen. Dafür sind wir da. Das ist mein Leitsatz: Es gehört eine Lösung her. Es gehört vernünftig miteinander umgegangen. Das muss man jeden Tag beweisen. Ich habe das jeden Tag in der Pandemie gesehen. Wir haben uns am ersten Tag im Führungskreis zusammengesetzt, wir haben alle Entscheidungen im letzten Jahr gemeinsam getroffen, inklusive dem Betriebsrat, damit auch die Arbeiter integriert waren. Auch wenn manche Entscheidungen nicht jedem geschmeckt haben, am Ende hat es gepasst. Wir sind erfolgreich durch diese Krise gekommen und das bestätigt wieder: Ich bin nicht der, der alle Probleme selber lösen kann. Man muss auch den anderen Leuten vertrauen, dass das schlaue Leute sind, die Lösungen anbieten können. Die muss man dann zulassen. Mein Weg ist, das Thema aufzunehmen und zu erledigen. Das ist der Job. Und das tu ich auch gerne.

Otto Leodolter, Geschäftsführer

  • LÖFFLER GmbH, Ried im Innkreis
  • Branche: Sportmode
  • Anzahl der Mitarbeiter*innen: 300
  • Website: www.loeffler.at