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Technische Lösungen sind notwendig!

Dr. Thomas Rinder, Forscher an der Universität Salzburg, zum Artikel  „Kann das CO2 wieder aus der Luft geholt werden?“

Sehr geehrte Frau Reisinger,

ein sehr gelungener Artikel! Ich möchte dazu aber noch gerne einen Kommentar aus Sicht eines Forschers geben.

Quintessenz ihres Artikels - „Kann das CO2 wieder aus der Luft geholt werden?“ - ist, dass wir eine Lösung der Klimakrise durch konsequente Reduzierung und Vermeidung von Treibhausgasen erreichen können. Natürlich ist die schnelle Reduzierung mittelfristig das wichtigste Instrument. Wie Sie den verschiedenen Szenarien im 6. Sachstandsbericht des IPCC sehen können, ist das 2 °C Ziel aber durch Reduzierung alleine (ganz verhindern wird man den CO2 Ausstoß ja nicht können) nicht mehr erreichbar. Dazu wird es auch technische Lösungen (negative Emissionen) brauchen. So richtig scheint das noch nicht in Politik und Gesellschaft angekommen zu sein.
In der Analyse der momentanen vorhandenen technischen Lösungen fassen Sie sehr richtig zusammen, dass es z.B. beim Einsatz von Gesteinsmehl noch Forschung braucht und wir entsprechend vom Einsatz der Technologie noch ein gutes Stück entfernt sind. Es gibt aber, meines Wissens nach, momentan kein nationales Programm, das Mittel speziell für die zeitnahe Erforschung der notwendigen Technologien zu Verfügung stellt. So steht zu befürchten, dass die Wissenslücken weiter bleiben und man wird wahrscheinlich auch noch in 10 Jahren bei vielen technologischen Ansätzen sagen müssen: "Das ist alles noch nicht hinreichend erforscht". Vor diesem Hintergrund halte die österreichische Forschungsförderung momentan nicht für geeignet, den Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte entsprechend entgegenzutreten. Ich frage mich auch, ob nicht eine lückenlose und transparente Erforschung des Potentials von CCS in Österreich sinnvoller wäre, als das von Ihnen im Artikel angeführte Gesetz zum CCS Verbot.
Mit einem niedrigen Millionenbetrag könnte z.B. ein Großteil der offenen Fragen zum Thema Gesteinsmehl geklärt werden und eine entsprechende Strategie entwickelt werden. Ich halte das z.B. im Vergleich zu den ca. 7 Mrd. Euro Versicherungsschaden der verheerenden Juliflut in Deutschland für keine sehr hohe Summe. Sie als Journalistin können einen wichtigen Beitrag leisten, indem Sie auf die Notwendigkeit der technologischen Lösungen und die dazu benötigte Forschung deutlich hinweisen. Gerade Businessart wird wahrscheinlich von ganz wichtigen Stakeholdern diesbezüglich gelesen. Die technologischen Ansätze mögen uns unheimlich sein, aber die Welt ist nun mal so wie sie ist. Weder Brasilien oder China, noch Polen oder Österreich werden in den nächsten 10 Jahren die notwendigen Reduktionsschritte erfolgreich umsetzen können - soweit lehne ich mich jetzt einfach mal aus dem Fenster.

mit besten Grüßen

Thomas Rinder


Sehr geehrter Herr Rinder,

Da sind wir ganz einer Meinung. Ich glaube auch, dass wir – neben der Reduktion – technische Lösungen brauchen – bloß die tollen Lösungen sehe ich noch nicht.

Daher habe ich in den beiden Einstiegsartikeln der BUSINESSART "Die Klimauhr tickt" den Schwerpunkt auf die Reduktion gelegt, weil

  1. es bereits so viele Lösungen gibt, die „bloß“ umgesetzt werden müssen.
  2. es sich viele sonst bequem machen und glauben, dass es eh so weitergehen kann wie bisher: „die Technik wird es schon richten“.
  3. die Konzentration auf ausschließlich technologische Lösungen nicht nur aufgrund ihrer System-Wirkungen oft nicht abschätzbar sind. Die Erfahrung zeigt, dass durch technische Lösungen oft Rebound-Effekte entstehen.
  4. wir durch die Reduktion Zeit für die Grundlagenforschung gewinnen. Und die brauchen wir, wie Sie auch selbst sagen.

Darüber hinaus würde ich gerne mit Ihnen diskutieren, wie wir verhindern können, dass innovative Technologien NICHT das Gegenteil bewirken.

Herzliche Grüße

Roswitha Reisinger


Liebe Frau Reisinger,

zu Ihrem Diskussionsvorschlag "wie wir verhindern können, dass innovative Technologien NICHT das Gegenteil bewirken."

Dazu einmal ein erster Versuch, die Forschung zu negative emission technologies ins rechte Licht zu rücken

Die zentrale Forschungsfrage lautet meiner Ansicht nach momentan nicht:

Wie können wir Technologien zur CO2 Entfernung in Zukunft wirtschaftlich sinnvoll einsetzen?

Es wird ja viel über social cost of carbon und die CO2 Steuer gesprochen. Das führt dazu, dass im Bereich der CO2 Speicherung gerade Goldgräberstimmung herrscht und da ist es wahrscheinlich wichtig, im Hinterkopf zu haben, dass die Menschen mit der Einsparung von CO2 auch Geld verdienen wollen. Insofern sehe ich auch das Problem, das in der Forschung zu den Technologien steckt. Das Problem der „tipping points“ wird meiner Ansicht nach aber bei der ökonomischen Betrachtung nicht ausreichend miteinkalkuliert. Da das Erreichen solcher Punkte in Zukunft droht, sollte die Frage viel eher sein:

Können wir mit technologischen Mitteln überhaupt genügend CO2 entfernen, um katastrophale Auswirkungen auf unser Klima zu verhindern?

Wenn es in Zukunft also eine Möglichkeit gibt, das Erreichen von tipping points durch den Einsatz von Technologien zu verhindern, dann würde ich die Technologien gerne in der Schublade haben (und zwar ausreichend getestet, um dann nicht in blanker Verzweiflung jeden Blödsinn zu probieren), wenn es soweit ist. Die Frage nach den Kosten pro Tonne CO2 wird dann vielleicht sogar zweitrangig sein.

Wenn das einmal mit hinreichender Präzision klargestellt ist, kann man gerne über Wirtschaftlichkeit diskutieren. Bis dahin sollte die Maxime aller umweltpolitischen Handlungen sein – „Technologische Lösungen zur Entfernungen von CO2 werden nicht oder zumindest nicht im notwendigen Ausmaß funktionieren!“

Es ist meiner Ansicht nach Aufgabe der staatlichen Forschungsförderung, entsprechende Mittel für ergebnisoffene Forschung bereitzustellen. Nur so ist die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit in die Forschung sicherzustellen. Das ist zwar auch keine Allheilmittel, aber in der Zusammenarbeit mit der freien Wirtschaft besteht einfach immer die Gefahr eines positiven Bias. Wenn ich Wirtschaftspartner suche, muss ich einfach das Potential und die positiven Seiten einer Methode betonen – kein Mensch macht irgendwo mit, wenn ich sage: „Ich hab da was, das ist glaube ich ein „Schas mit Quasteln“ und wir sollten uns das deshalb mal genauer anschauen.“ Der Blick wird leider unweigerlich auf die Quasteln gelenkt.

beste Grüße

Thomas Rinder


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Herzliche Grüße

Roswitha Reisinger