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Andrea Lunzer, LUNZERS Maß-Greißlerei

Sie ist eine der Pionierinnen der Unverpackt Shops – selbstverständlich alles in Bio.

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Andrea Lunzer Foto: Julia Fuchs

BUSINESSART: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Geschäft zu eröffnen, in dem man Nudeln, Schinken und vieles mehr möglichst unverpackt kaufen kann?

Andrea Lunzer: Begonnen hat alles mit meiner Initiative zur Förderung nachhaltiger Verpackungslösungen. Unternehmen und Handel brauchen eine unabhängige Beratung um auf neue Ideen zu kommen. Bis dahin kam die Verpackungskompetenz vor allem von jenen, die an Einwegverpackungen verdienen und diese daher auch forcieren. Die Verpackungsindustrie würde niemals ein Pfandsystem vorschlagen.

Wie haben die Unternehmen auf Ihr Angebot reagiert?

Die Nachfrage war zwar groß, aber die Firmen, die ich beraten habe, hatten andere Vorstellungen. Niemand wollte Mehrweg-Systeme sondern bloß Bioverpackungen und damit das Gewissen beruhigen. Das ist aber nicht die Lösung, ich wollte verpackungsfreie Systeme. Aus diesen Erfahrungen entstand 2013 die Idee eines eigenen Shops, eröffnet habe ich dann am 25. Jänner 2014.

Wie war das am Anfang für Sie?

Mir wurde klar, dass man radikalere Ansätze selber machen muss. Ich war überzeugt, dass viele Produkte ohne Verpackung angeboten werden können, und ich wollte zeigen, dass es anders geht. Die Bank hat der Idee, in Zeiten des Greißlersterbens einen Laden aufzumachen, wenig Chancen gegeben. Lebensmittel zu verkaufen ist ein hartes Pflaster, noch mehr wenn man klein ist, verderbliche Ware und höhere Preise hat. Noch dazu waren wir 2014 der erste Unverpackt-Laden im ganzen deutschsprachigen Raum. Mittlerweile gibt es vier in Österreich und rund 150 in Deutschland. Viele sind zu uns gepilgert und haben sich unser Konzept angeschaut. Und plötzlich war sie wieder da, die Nachfrage nach Beratung, wie ich sie schon zuvor angeboten hatte.

Die Diskussion rund um das Plastik hat mittlerweile auch die großen Handelsketten zum Umdenken gebracht.

Die Großen sind unter Druck gekommen und wollen jetzt etwas machen. Rewe verkauft mehr Obst und Gemüse lose. Aber eine richtige Freude hat der Handel mit den Wiegeartikeln nicht, bei denen die Kund*innen ihren Einkauf selbst abwiegen und etikettieren müssen. Es macht auch mehr Dreck, wenn etwa Zwiebelschalen herumliegen. Zum Plastik möchte ich noch sagen, dass ich nichts davon halte, diesen Werkstoff zu verteufeln. Es kommt darauf an, wie wir es verwenden. Einweg-Glas ist von der Ökobilanz schlechter als Einweg-Plastik. Es geht um Mehrwegsysteme. Wir klären unsere Kund*innen dahingehend auf und generieren hier jede Woche ein paar Aha-Erlebnisse.

In Ihrem Laden herrscht eine ganz eigene Atmosphäre, wie würden Sie diese beschreiben?

Ich wollte ganz bewusst einen Gegenpol zum herkömmlichen Handel schaffen. Mit viel Holz, keinen Aktionsschildern, keine Marken. Der Laden ist offener gestaltet, es gibt keine Reihen, in denen man eingesperrt ist. Und es ist viel ruhiger, man wird auch nicht mit einem „Lunzers-Radio“ beschallt. Dazu kommt der persönliche Kontakt, die Mitarbeiter*innen kommen mit den Kund*innen ins Gespräch, man kennt sich. Wir werden mit vielen Fragen konfrontiert, vor allem nach Rezepten. Da müssen wir schon aufpassen, dass das nicht zu viel wird. Die Kund*innen schätzen dieses Einkaufserlebnis und wir sind in drei Jahren zu einer richtigen Grätzl-Institution geworden.

Was gibt es bei Ihnen alles zu kaufen?

Wir sind kein Delikatessenladen, bei uns gibt es alles für das Wochenende und den täglichen Bedarf: Wir haben ein großes Angebot an Trockenware wie Müsli, Pasta, Hülsenfrüchte, Reis, 60 verschiedene Gewürze, Tees, Trockenfrüchte, Müsli Nussmischungen usw. Die Ware ist lose in Spendern und die Kund*innen können sich soviel nehmen, wie sie brauchen. Sie können die Verpackung selbst mitnehmen, oder im Geschäft Mehrweggläser kaufen. Am besten funktionieren in diesem Segment gut verschließbare Gefäße. Beim Brot, Gebäck, Obst und Gemüse empfehlen wir Säcke aus Baumwolle oder Leinen. Die saugen überschüssige Feuchtigkeit auf. In der Feinkost haben wir Schinken, Käse, Tofu. Getränke und Milch gibt es in Mehrweg-Pfandflaschen. Weiters bieten wir Reinigungsmittel zum Abzapfen, Kosmetikprodukte bis hin zu Deos zum selber Abfüllen. Der Mehraufwand für die Kund*innen besteht vor allem darin, dass sie sich zuhause schon überlegen müssen, was sie brauchen. Aber wir unterstützen, in dem wir gratis Gläser anbieten und unser gesamtes Sortiment auf unserer Website zu finden ist.

Woher beziehen Sie Ihre Waren?

Bei den Lebensmitteln ist alles in Bio und, sofern es geht, regional, um lange Transportwege zu vermeiden. Auch bei den Reinigungsmitteln und bei der Kosmetik haben wir nur ökologische Ware.

Ich stelle mit das logistisch ziemlich schwierig vor, einen einzelnen Laden mit dieser speziellen Ausrichtung zu beliefern. Wie funktioniert das?

Es ist wirklich nicht sehr einfach. Früher hatten die Bäuerinnen und Bauern noch Kreislaufwirtschaft geführt und dadurch ein breiteres Angebot. Heute hat sich die Landwirtschaft sehr stark auf einzelne Produkte spezialisiert. Und es kommt natürlich nicht in Frage, dass jemand zehn Tomaten extra zu mir liefert. Daher müssen wir durch Großhändler ergänzen und wählen unsere Bauern auch nach Größe ihres Angebots aus. Das wichtigste Kriterium ist natürlich die Bio-Qualität und wie im Betrieb gewirtschaftet wird. Ich habe früher mit meinem Vater eine Tour durch das Weinviertel und Marchfeld gemacht. Er ist ja selbst Bio-Bauer und kennt die Szene seit den 1980ern. So hab ich Kontakt zu meinen ersten Lieferanten aufgenommen.

Wo liegen Ihre Wurzeln für dieses Engagement?

Das, was ich jetzt im Laden betreibe, habe ich schon in meiner Kindheit am Bauernhof gelebt: Mit der Kanne Milch holen gehen, mit Rohstoffen haushalten, Apfelschalen waren kein Abfall sondern Futter für die Schweine. Vielleicht habe ich auch deshalb den Schritt in die Selbständigkeit nicht gescheut, weil mir meine Eltern das vorgelebt haben. Arbeit und Privates ist eins, Risiko war an der Tagesordnung, vor allem als sie auf Bio umgestellt haben. Meine Eltern haben mich auch sehr unterstützt und tun das immer noch.

Wie können wir den Klimawandel stoppen?

In einem kapitalistischen System schwer. Es ist unglaublich, wie lange die CO2-Steuer schon diskutiert wird. Ich spreche mich ganz deutlich für mehr Regulierung und Kontrolle aus. Wenn Textilunternehmen eine Öko-Linie einführen und das Thema Nachhaltigkeit als neues Kaufmotiv gehandelt wird, dann haben wir nichts gewonnen. Die Unternehmen müssen in die Schranken gewiesen werden und verpflichtend nachhaltig wirtschaften. Es braucht neue Standards.

Wie stehen Sie zu Friday for Future?

Grundsätzlich finde ich gut, dass die jungen Menschen zum richtigen Zeitpunkt laut werden. Viele sind Kinder aus sehr gut situierten Haushalten und die wiederum sind die größeren CO2-Verursacher. Für mich bleibt die Frage offen, ob Verzicht für sie wirklich eine Option ist. Wenn das so ist, bin ich dabei. Wie sieht es wirklich aus, wenn sie ihre Forderungen im Alltag umsetzen müssen, beim Reisen, beim Zugfahren, nicht immer die heißesten Klamotten kaufen. Es wird notwendig sein, das Leben zu verändern und gewisse Dinge nicht mehr zu tun. Natürlich ist Verzicht ein schwerer Begriff, den niemand mag. Wenn ich mir jedes Jahr eine Tonne Kleidung kaufe ist es egal, ob das Öko-Textilien sind oder nicht. Wenn ich es aber schaffe auf die Hälfte zu verzichten, dann hat mein Handeln einen positiven Impact.

Welche Werte braucht es für eine gute Zukunft?

Einen bewussten Umgang mit den Rohstoffen und mit allem was man hat. Mehr Miteinander und soziale Verantwortung.

Und was ist der Satz deines Lebens?

Ich bin eine Macherin. Ich kann nicht bequem auf der Couch sitzen und mich beschweren. Die Zukunft, die ich haben möchte, muss ich selber beginnen.


Andrea Lunzer
LUNZERS Maß-Greißlerei
Gegründet: 2014
Sitz: Wien
Mitarbeiter*innen: 6