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Armand Colard, ESG Plus

Viele Menschen leben ein duales Leben: im eigenen Umfeld – bei Familie und Freunden – da leben sie bewusster. Im Job  handeln sie oft gegen die eigenen Werte. Viele hadern damit.

Portraitfoto von armand-colard vor einem Grafiti
Foto: andreas-mueller

Du bist 2018 von BUSINESSART als Nachhaltiger Gestalter ausgezeichnet worden. Wie war das damals für Dich?

Es hat uns so gefreut, dass das, was wir tun, nicht nur aus harter Arbeit besteht, sondern am Ende des Tages auch belohnt wird. Und zwar durch CSR-Expert*innen und die Nachhaltigkeitscommunity – das war ein enormes Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung unserer Arbeit. Wir sind einfach dankbar, dass wir etwas bewegen dürfen. Der „Overkill“ des Abends war dann, dass ich auch noch auf dem Cover abgebildet war. Es war wirklich ein ganz besonderer Abend. Und mein Dauergrinser ist tagelang nicht mehr weggegangen.

In den Monaten danach bin ich öfter von BUSINESSART-Abonnent*innen angesprochen worden – es hat eine deutliche Visibility für uns und für mich als Person gegeben. Wir konnten das Magazin auch in der Kommunikation nützen – wenn jemand gefragt hat, was wir machen, haben wir auf den Artikel verwiesen. Da war alles perfekt beschrieben.

Was hat sich seither getan?

Wir haben die Plattform „was macht mein Fonds.at“, für die wir letztes Jahr von euch ausgezeichnet wurden, durch eine professionellere Version – CLEANVEST – abgelöst. Sie ist ansprechender und erlaubt eine umfassendere Customer Journey und User Experience. Unser Ziel ist, das anwenderfreundlichste und verständlichste Vergleichsportal zu sein, wenn es um nachhaltiges Investieren geht. Das bisherige Feedback von den Usern ist extrem positiv. Auch Bankberater*innen verwenden unsere Plattform, um ihre Kund*innen in Sachen Nachhaltigkeit fundierter zu beraten.

Wie finanziert sich die Plattform?

Die Entwicklung von CLEANVEST haben wir in den letzten 1,5 Jahren mit Förderungen und dem eigenen Cashflow finanziert. Künftig soll sich die Plattform über institutionelle Investoren, die für unsere Fonds-Analysen und Detailbewertungen zahlen, finanzieren. Sie möchten z.B. wissen, welche Unternehmen in welchen Fonds Kinderarbeitsrisiken in der Lieferkette haben oder für klimaschädliche Aktivitäten verantwortlich sind. Aktuell sind bereits die Allianz Vorsorgekasse und die Social Trading Plattform Wikifolio als erste Anwender mit an Bord.

Was ist euer nächstes Ziel?

Wir wollen CLEANVEST 2020 in den deutschsprachigen Raum bringen (Deutschland und Schweiz) –  das ist ein riesen Markt. Es gibt zwei Studien, die sagen, dass 40 Prozent aller Privatinvestoren in Deutschland gerne nachhaltig investieren wollen, aber dass es an der Beratung und am Angebot hapert. Dadurch werden nur 5 Prozent des Potenzials ausgeschöpft. Das ist aus unserer Sicht ein großes Marktversagen, das wir schließen wollen.

Wie kommt ein Fonds auf die Plattform?

Wir wollen alle Fonds darauf haben, die für Privatpersonen verfügbar und relevant sind. Die Aufnahme von Fonds erfolgt durch CLEANVEST selbst – die Fondmanager*innen müssen dafür nichts zahlen.

Wie entwickelt sich der nachhaltige Finanzmarkt?

Da tut sich einiges. Am meisten freut mich die neue Taxonomie der EU, die kommen wird und „grüne“ Investitionen definieren und vereinheitlichen wird. Auch durch das geplante EU-Ecolabel für nachhaltige Fonds wird der Markt ein Stück weit standardisiert. Dadurch kann die Wirkung von „Green Investments“ besser verglichen bzw. eingeschätzt werden. Was darf sich ein „Green Investment“ nennen? Was ist im Vergleich dazu dann ein „Brown Investment“ (bisher klassisch Kohle, Öl, Gas und Schwerindustrie)? Ich erwarte eine Implementierung in den nächsten zwei Jahren.

Auch die Nachfrage von nachhaltigen Fonds ist stark gestiegen: In Österreich liegen wir derzeit bei einem Marktanteil von mehr als 10 Prozent. Das ist absolut positiv.

Wo liegen die Herausforderungen?

Zwei Dinge machen mir Sorgen: 1.) Nachhaltige Investments sind nach wie vor eine Nische – weltweit liegen wir bei einem Marktanteil von nur fünf Prozent. Und 2.) sogar innerhalb dieser Nische klafft die Definition von Nachhaltigkeit weit auseinander – von superstreng bis superlasch. Die typischen Best-in-Class-Ansätze haben aus meiner Sicht keine so große Wirkung. Da hoffe ich, dass die EU mit ihrer Taxonomie mehr Klarheit bringt.

Wie macht ihr das?

Wir messen alle Fonds mit derselben Metrik und lassen dann die Konsument*innen entscheiden, was sie präferieren. Derzeit sind den Usern die Themen Klimawandel, Kinderarbeit und Waffen besonders wichtig, Artenschutz ist ihnen etwas weniger wichtig. Das zeigen unsere ersten Auswertungen. Und die Nachfrage ist größer als das Angebot. 40 Prozent der Konsument*innen wollen nachhaltig investieren und nur fünf bis zehn Prozent bekommen auch das, was sie wollen.

Woran liegt das?

Einerseits sind die Berater*innen noch nicht ausreichend in Sachen Nachhaltigkeit geschult, andererseits gibt es noch immer viel zu wenig nachhaltige Fonds.

Welche nachhaltigen Fonds entwickeln sich besonders gut?

Green Tech-Fonds zeigen in den letzten Jahren eine deutliche Steigerung von teilweise 40 Prozent und mehr. Auf CLEANVEST kann man neben dem Nachhaltigkeits-Grad auch nach dem Ertrag der letzten 1-, 3-, 5- und 10-Jahre sortieren.

Wo beißen wir auf Granit?

Die Bereitschaft von institutionellen Investoren wie Versicherungen und Vorsorgekassen nachhaltiger zu investieren ist grundsätzlich vorhanden, aber wir hören von ihnen immer wieder, dass es nicht genügend nachhaltige Projekte wie Windparks etc. gibt, in die sie investieren können oder aufgrund des erhöhten Risikos oder der zu niedrigen Liquidität gesetzlich dürfen.

Wie findet Geld mehr Projekte?

Versicherungen, Vorsorge- und Pensionskassen sollten riskanter investieren dürfen, weil sie so langfristig investieren. Darüber hinaus sollte es Incentives geben für nachhaltiges Investieren – ein steuerliches Anreizsystem, zum Beispiel, dass weniger KESt gezahlt werden muss.

Es ist uns noch nicht gelungen, die große Mehrheit der Menschen mitzunehmen. Wieso? Was müssen wir anders machen?

Wir müssen mit den alteingesessenen Vorurteilen aufräumen. Dass zum Beispiel mit nachhaltigen Investments nicht so viel Geld verdient werden kann. Das wurde in einer Metastudie, die mehrere tausend Studien analysierte eindeutig widerlegt: Nachhaltige Investments bringen keinen Nachteil, sie bringen die gleichen Erträge und können in einigen Fällen sogar moderat besser performen als konventionelle Investments.

Was müssen wir lernen?

Die Menschheit und wir Menschen befinden uns auf einem Entwicklungspfad, es geht in die richtige Richtung, aber zu langsam. Viele Menschen leben ein duales Leben: im eigenen Umfeld – bei Familie und Freunden – da leben sie bewusster. Im Job – wo das schwer umgesetzt werden kann, wie im Sales-Bereich – da handeln sie oft gegen die eigenen Werte. Viele Menschen in solchen Jobs hadern damit. Manche Branchen zahlen für solche so genannten „Bullshit Jobs“ extrem hohe Gehälter. Man ist nicht mit dem Herzen dabei, und freut sich halt, dass man auf der payroll steht. Geld ist aber nicht alles. Geld macht vor allem nicht dauerhaft glücklich. Es ist aus meiner Sicht die höchste Form der Zufriedenheit, wenn man privat und beruflich zu seinen Werten stehen kann.

Was sagst du zu den jungen Menschen von Friday for future?

Genialer geht‘s ja wohl nicht. Auf der einen Seite die Politiker, die schon älter sind – die diskutieren und debattieren und aktuell geht es dabei sehr stark um wirtschaftliche Interessen und Kapitalmärkte. Dann kommen die jungen Leute und sagen, das interessiert uns so nicht. Wir wollen die Natur, die Luft, das Klima für uns intakt halten. Dafür setzen sie sich ein.

Unterstützt Du sie?

Ja, ich gehe immer wieder auf den Demos mit. Das ist eine Bewegung, die nicht mehr aufzuhalten ist. Und es hat auch viel mit meiner Aufgabe zu tun. Greta sagt: „Protect, restore, fund“ – und mit „fund“ meint sie „was finanziere ich“, „worin investiere ich“ etc.? Wofür ich Greta sehr dankbar bin: Der Klimawandel ist durch sie Mainstream geworden. Wir haben uns über die Jahre den Kopf zerbrochen wie wir das Klimathema besser rüberbringen – und die jungen Leute haben es geschafft!

Gibt es einen Satz deines Lebens?

Niemals aufgeben und „nichts ist unmöglich“, wie uns Greta zeigt.

Mag. Armand Colard, Gründer und GF
ESG Plus und CLEANVEST
Ort: Wien
gegründet: 2015
Mitarbeiter*innen: 8
www.esgplus.com
www.cleanvest.org