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EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht bei Lieferketten

Das ASCII (Supply Chain Intelligence Institute Austria) schlägt eine Überarbeitung der EU-Richtlinie vor, um sie effizient und effektiv zu machen.

Die Grafik zeigt, dass eine Unternehmensgruppe in China praktisch alle Autohersteller beliefert.
Eine chinesische Unternehmensgruppe beliefert praktisch alle Autohersteller. Quelle: Murphy et al., „Driving Force. Automotive Supply Chains and Forced Labour in the Uyghur Region“, Helena Kennedy Centre

Die Ansätze des ASCII zur Überarbeitung der  EU Corporate Sustainable Due Diligence Directive:

  • Die Richtlinie basiert auf europäischen Werten und ist zu begrüßen.
  • Um eine kosteneffiziente Umsetzung zu ermöglichen, sollte sie sich auf die Überwachung von Zulieferern konzentrieren, anstatt auf bilaterale Beziehungen zwischen Käufern und Verkäufern.
  • Negativ- und Positivlisten von Ländern und Zulieferern sollten eingeführt werden.
    • Solche Listen enthalten ausländische Zulieferer, denen die Teilnahme an EU-Lieferketten verboten (Negativlisten) oder erlaubt (Positivlisten) ist.
    • Mit Unternehmen auf Negativlisten dürfen keine Geschäfte getätigt werden.
    • Bei Verträgen mit Unternehmen, die auf Positivlisten stehen, müssen EU-Importeure keine Sorgfaltsprüfung der Unternehmen durchführen.
    • Dies senkt die Gesamtkosten der Verordnung für EU-Importeure, verringert die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Nebenwirkungen und macht das Instrument wirksamer.
    • Die Nichteinhaltung durch einen ausländischen Zulieferer kann zur Streichung von der Liste führen, was einem EU-weiten Exportverbot gleichkommt und somit die Marktmacht des EU-Binnenmarktes nutzt.
    • Die Wirksamkeit würde auch dadurch erhöht, dass die Rechtsunsicherheit für Unternehmen verringert und der Geltungsbereich der Verordnung über in der EU ansässige Produktionsnetzwerke hinaus ausgedehnt würde.

Das Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) setzt sich für eine Überarbeitung der EU-Richtlinie zur Lieferkettensorgfaltspflicht (Corporate Sustainable Due Diligence Directive – CS3D) ein. Die Änderungsvorschläge konzentrieren sich einerseits auf das direkte Monitoring von Zulieferern anstelle bilateraler Lieferbeziehungen, andererseits auf die Einführung von Negativ- und Positivlisten, um Monitoringprozesse zu vereinfachen, Effektivität zu steigern und Kosten für EU-Importeure zu senken.
Zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt innerhalb von Liefernetzwerken entspricht die Richtlinie zur Lieferkettensorgfaltspflicht (CS3D), die derzeit von den EU-Institutionen verhandelt wird und 2024 verabschiedet werden soll, international anerkannten Normen. Mit dem kürzlich veröffentlichten Policy Brief schlägt das Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) nun vor, die Richtlinie zu überarbeiten. "Wir empfehlen sowohl eine staatliche als auch private Beteiligung am Monitoring, um Gesetzesverstöße zu verhindern – besonders im Hinblick auf aktuelle geopolitische Veränderungen", erklärten Peter Klimek, Direktor des
Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) und Gabriel Felbermayr, ASCII-Präsident und Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO) im Rahmen eines digitalen Medienchats am 28. November 2023.

Zusätzliche Belastung für Unternehmen

Die CS3D fordert Unternehmen zur Sorgfaltspflicht in allen Betriebsvorgängen und Wertschöpfungsketten auf, was aufgrund erhöhter Monitoring- und Umsetzungsmaßnahmen zu zusätzlichen Kosten für Importeure führt. Zu den vorgesehenen Maßnahmen gehören Risikomanagementsysteme, ein Beschwerdemechanismus und ein jährlicher Bericht über die Sorgfaltspflichtsbemühungen. Die Richtlinie gilt für EU- und Nicht-EU-Unternehmen, die im Falle von Nichteinhaltung mit Sanktionen rechnen müssen.

Gesetzesbrüche in fast allen Lieferketten

Eine kürzliche ASCII-Studie zeigt, dass nahezu jedes europäische Unternehmen direkt oder indirekt Rechtsbrecher in seiner Lieferkette hat. "Aufgrund der dichten Struktur von Liefernetzwerken ist es äußerst wahrscheinlich, dass die meisten Unternehmen mindestens einen Gesetzesbruch in der zweiten oder dritten Zulieferstufe aufweisen, selbst in größeren und weniger offenen EU-Märkten", so Felbermayr.

Fokus auf Nicht-EU-Zulieferer

Laut ASCII sind etwa 20.000 in der EU ansässige Unternehmen und bis zu 900 Mio. Lieferbeziehungen von der CS3D betroffen. Um die Effizienz zu steigern und Kosten zu reduzieren, empfiehlt ASCII, sich auf Nicht-EU-Zulieferer individuell anstatt auf bilaterale Beziehungen zu konzentrieren und ein Zertifizierungssystem auf Länder- oder Unternehmensebene einzuführen. Dies gelingt mit Negativ- und Positivlisten, die von öffentlichen Behörden und privaten Unternehmen geführt werden. Dieser Ansatz unterstützt nicht nur die europäischen Bemühungen zur Sorgfaltspflicht, sondern schafft auch eine Zertifizierungsindustrie mit globaler Wirkung.
Der Rückzug von EU-Importeuren aus bestimmten Herkunftsländern könnte sich erheblich auf die Diversifizierung der EU-Importe auswirken und die Beschäftigung in informelle Sektoren mit niedrigeren Arbeits- und Umweltstandards drängen. Zusätzlich könnte die Richtlinie Machtverhältnisse verschieben und kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die nach wie vor das Rückgrat der europäischen Wirtschaft sind, benachteiligen.

Eine globale Strategie

ASCII schlägt eine Strategie zur Überarbeitung der CS3D vor, um nachhaltige Maßnahmen zu fördern, ohne Unternehmen übermäßig zu belasten. "Mit Fokus auf effizientem Monitoring und einem innovativen Zertifizierungssystem zielen unsere Empfehlungen darauf ab, EU-Arbeitsgesetze und Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu fördern, globalen Einfluss zu schaffen und gleichzeitig die Interessen von KMUs zu vertreten", sagte Klimek.

Der Policy Brief "Vorschläge für eine effiziente und effektive Lieferkettensorgfaltspflicht in Europa" steht hier zum Download bereit.