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Klimaneutralität und SDGs erreichen?

Wir haben 14 nachhaltige Vorreiter*innen nach den drei wichtigsten Maßnahmen gefragt.

Ein Klemmbrett mit linierten Notizseiten, darauf steht mit schwarzem Filzstift geschrieben:
Foto: pexels / Mart Production

Hans Holzinger, Robert Jungk Bibliothek :

Abkehr von den fossilen Energien, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und eine bessere Verteilung des Wirtschaftsprodukts im Sinne einer inklusiven Gesellschaft – bei uns und in globaler Perspektive.

Das erfordert die Begrenzung des materiellen Konsums sowie des Energieeinsatzes in den Hochkonsumländern und eine nachhaltige nachholende Entwicklung in den ärmeren Ländern. Der Soziologe Harald Welzer spricht von einer „reduktiven Moderne“, in der wir Errungenschaften wie eine offene Gesellschaft oder soziale Sicherungssysteme erhalten, den Energie- und Stoffdurchsatz aber drastisch senken. Die britische Ökonomin Kate Raworth plädiert für eine „Wohlbefindensökonomie“ und für „Wirtschaftsrebellen“, die daran gehen, die Wirtschaft auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Ich setze auf einen „Mehrebenenansatz“, also Pioniere und Pionierinnen des Wandels in allen Gesellschaftsbereichen – in der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, der Forschung und Bildung sowie in der Politik.


Andreas Sator, Journalist :

1. Mutigere Politik. Vor allem die Bundesländer und Gemeinden sind derzeit gefordert, zum Beispiel beim Ausbau von Photovoltaik-Anlagen, Windparks, bei Fußgängerzonen, Radwegen, dichter getakteten Öffis oder Leih-Autos. Hier bräuchte es viel mehr Mut, aber auch mehr Geld und mehr Planungskapazitäten.

2. Verantwortungsvollere Bürger*innen. Es gibt in gewissen Milieus eine kindische Interpretation des Freiheitsbegriffs. Manche verstehen darunter, dass sie machen können sollten, was sie wollen, ohne an die Konsequenzen oder die nächsten Generationen denken zu müssen. Hier braucht es ein Umdenken.

3. Große Visionen und Leitbilder. Bei den Treibhausgasen gibt es schon ein Ziel, wo es hingehen soll, nämlich auf null. Das brauchen wir auch bei der Bodenversiegelung. Es braucht Reduktionen beim Fleischkonsum, bei Pkw-Kilometern und so weiter. Das muss die Politik den Bürger*innen klar kommunizieren und erklären.

Dabei spielen auch die Medien eine sehr wichtige Rolle: sie müssen die Politik kontrollieren und kritisieren, aber auch selbst Lösungen aufzeigen und der Gesellschaft den Spiegel vorhalten.


Natalie Glas, Umweltbundesamt :

Wir brauchen Mut zur Veränderung: Mut anders zu denken und Dinge anders zu tun als bisher. Mut etwas nicht mehr zu tun, Mut zur Gerechtigkeit, Mut eingeschlagene Pfade zu verlassen und sich auf Neues einzulassen. Es braucht mutige Bürger*innen, die nachhaltige Lebensstile ausprobieren und andere motivieren, dies auch zu tun. Es braucht auch mutige Politiker*innen, die Rahmenbedingungen so gestalten, dass nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltige Lebensstile belohnt werden, damit sie Mainstream werden. Gleichzeitig braucht es den Mut der Politiker*innen, nicht nachhaltige Aktivitäten zu sanktionieren und für das Ende der Wegwerfgesellschaft, der Lebensmittelverschwendung oder der Fast Fashion zu sorgen, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und es braucht mutige Unternehmer*innen, die ihre Geschäftsmodelle nachhaltig ausrichten, auch wenn die Rahmenbedingungen (noch) nicht optimal sind.

Wir brauchen Freude am nachhaltigen Leben, Freude an der Natur und Freude an nicht-materiellen Dingen. Mehr Freude daran, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, Freude daran, Wissen, Erfahrungen und materielle Dinge mit anderen zu teilen, Freude daran, aktiv zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, Freude daran gemeinsam eine lebenswerte Zukunft zu gestalten.

Wir brauchen Empowerment: Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit müssen integraler Bestandteil unseres Bildungssystems werden. Das trägt dazu bei, Gestaltungsspielräume zu schaffen und Menschen zu motivieren, selbst aktiv zu werden, um nachhaltige und wirksame Lösungen auszuprobieren. So kann jede und jeder nachhaltige*r Gestalter*in werden.


Michaela Krömer, Die Klimaanwält*innen :

Das wichtigste ist, dass Gebote und Verbote geschaffen werden, die bewirken, dass das klimafreundlichste Verhalten das intuitivste, einfachste und günstigste ist. Es geht um eine Systemänderung – und das System sind wir alle. Je mehr Menschen im System bewegen, desto mehr lockert es sich und kann sich dadurch wirklich grundlegend verändern. Das sind nicht ein, zwei oder drei Sachen, das betrifft alles. Das entscheidende ist: Weil es alles betrifft, betrifft es uns alle. Wir alle können und müssen mitgestalten – sich dabei herauszunehmen ist nicht möglich und nicht zielführend.


Daniel Mühlbach, CSR und Umweltmanagement Österr. Post :

  1. Gemeinsame Ziele verfolgen, nicht in Silos denken: Es ist einfach zu sagen: „Ja, das werden die anderen schon richten, ich kann da eh nichts beeinflussen.“ Wir brauchen aber eine gemeinsame Strategie. Nehmen wir das Thema Elektrifizierung von Fahrzeugen her: Haben wir österreichweit das passende Netzwerk und genügend Strom, um die Autos zu versorgen? In den Städten, im ländlichen Raum? Wie soll es für Unternehmen und Privathaushalte funktionieren? Letztere verursachen derzeit die meisten Emissionen auf der Straße, weil sie allein oder zu zweit im Auto unterwegs sind, anstatt dass Busse oder Züge eine höhere Auslastung haben. Wenn wir in der Gesellschaft die richtigen Ziele vereinbaren und diese gemeinschaftlich mit den richtigen Maßnahmen umsetzen, dann kann es auch funktionieren.
  2. Groß denken, rasch umsetzen: Elon Musk verkörpert das zum Beispiel. Er denkt, dass er irgendwann auf den Mars kommt und dass er die Autoindustrie revolutioniert. Dafür haben ihn die Leute auch belächelt. Aber er macht, er probiert. Und indem er probiert, sieht er, was funktioniert aber vor allem auch was nicht funktioniert. Was nicht funktioniert, verbessert er oder lässt er sein. Und was gut geht, macht er noch einmal besser, und noch einmal besser, und noch einmal besser. Es geht nur voran, wenn du den ersten Schritt machst, und dann danach den zweiten. Und nicht erst überlegst, welche zehn Schritte du machen musst. Dafür brauchen wir eine offene Fehlerkultur. Wenn du etwas machst und scheiterst, dann stehst du einfach nochmal auf und musst dich dafür nicht rechtfertigen. Du musst aus den Fehlern, die du gemacht hast, lernen und nicht immer und immer wieder dieselben Fehler machen. Wenn du das hinkriegst, und immer an dir arbeitest und stets anderen hilfst, damit es besser wird, dann kommen wir schneller in die Umsetzung.
  3. Langfristig denken, keine kurzfristigen Aktionen setzen.

Mathieu Lebranchu, Green Roofs - Plantika GmbH :

Der gesamte Konsum muss reduziert werden. Denn damit hängen viele klimaschädliche Sektoren wie Rohstoffgewinnung, Industrie und Logistik zusammen.


Markus Kaufmann, MOBIL 60plus :

Diese Frage ist natürlich sehr komplex und auch nicht so einfach zu beantworten, die Ziele müssen sicher von oben nach unten vorgegeben werden, also UNO, EU, Staat, Bürger. Ich denke, dass mittlerweile schon sehr viele Menschen über dieses Thema nachdenken und auch persönliche Ansätze und Änderungen der gewohnten Lebensweise umsetzen. Natürlich müssen wir als Industriestaaten die Vorreiterrolle übernehmen und wirtschaftliche Investitionen in verschiedenen Ländern und Firmen genau beobachten.

Die Menschen, denen es persönlich nicht sehr gut geht, werden die Nachhaltigkeit nicht ganz oben auf Ihrer Liste haben. Die Jugend ist da schon ein Stück weiter als wir Erwachsene. Natürlich spielt es da auch eine Rolle das wir alle sehr gut über die Welt und das, was da so vorgeht informiert sind. Das regt schon zum Denken an, gefolgt vom Tun.

Erstens klare Vorgaben und Ziele von der Regierung mit Monitoring, zweitens selbst mit dem eigenen Tun dazu beitragen und drittens der Jugend diese Einstellung vorleben und weitergeben, aktiv darüber zu sprechen und zu diskutieren.


Stefan Eisinger-Sewald, GF KALLCO Development GmbH & Co KG :

Stabilität in belastbaren Entscheidungsstrukturen herstellen, To Do-Listen mit verbindlichen Terminen publizieren, alle Menschen in Kenntnis setzen.


Christopher Schöpf, CEO & Founder e.battery systems GmbH :

  • Die Maßnahmen zum Ausbau erneuerbarer Energien müssen weltweit verstärkt werden
  • Mehr Fördermilliarden für die Forschung von umsetzbaren Technologien die CO2-neutral oder sogar CO2-positiv sind

Benedikt Narodoslawsky, Journalist, Falter :

Es braucht einen Wertewandel der Gesellschaft, eine kompromisslose Politik und einen sozialen Ausgleich.


Johannes Kisser, alchemia nova Gruppe :

  1. Geld in das Umbauen der Gesellschaft stecken
  2. Die Grundlagen der Kreislaufwirtschaft in all ihren Facetten vom Kindergarten aufwärts in unser Bildungssystem bringen
  3. Gesetze erlassen, damit alle Wirtschaftstreibenden dazu angehalten werden in Kreisläufen zu wirtschaften.

Nicole Traxler, Two Next GmbH und Alles Clara, - Verein zur Entlastung pflegender Angehöriger :

Da bin ich wirklich nicht die Expertin, aber wenn – ganz platt gesagt – die Klimakatastrophen weiter zunehmen, Land überschwemmt oder unbesiedelbar wird, Wasser zu einem knappen Gut wird, etc., dann fehlt vielen von uns die Lebensgrundlage. Dann müssen sich Menschen in andere Teile der Erde aufmachen, um genug zum Leben zu finden. Dann steigen soziale Spannungen und soziale Ungerechtigkeiten und damit die Gefahr von steigender Armut, einer Abwendung von demokratischen Werten, Verlust von Vertrauen in Institutionen und die Gefahr für Auseinandersetzungen.
Was da die drei wichtigsten Dinge sind, die passieren müssen, kann ich nicht sagen. Wir reden von Abhängigkeiten und Systemen, da muss viel zusammenspielen, damit wir unsere Lebensgrundlage nicht verlieren. Große Beiträge würden wahrscheinlich das Erreichen der Energiewende leisten, genauso wie ein Umdenken in der Art und Weise wie wir konsumieren und damit auch wie wir produzieren. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir das allein durch freiwilligen Verzicht erreichen können. Das wird sich nicht ausgehen. Daher, glaube ich, dass wir dringend auch wirkungsvolle neuartige Lösungen und Innovation brauchen.


Herta Stockbauer und Petra Ibounig‐Eixelsberger, BKS Bank :

Beim Klimawandel ist das wichtigste, dass man endlich vom Reden ins Tun kommt. Der Umstieg auf erneuerbare Energieträger muss so rasch wie möglich erfolgen. Und zwar nicht nur, um die CO2‐Emissionen zu reduzieren, sondern auch, um die Abhängigkeiten von diktatorisch geführten Ländern zu reduzieren, die tagtäglich mit Menschenrechtsverletzungen in den Medien sind.

Ebenso bedeutend ist die Forcierung der Kreislaufwirtschaft und eines bewussteren Konsums. Fast Fashion, viele Wegwerfartikel, die oft aus Plastik sind, oder nur schwer reparierbare Geräte werden oft unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert und verschwenden viele Ressourcen. Hier gibt es viel Potenzial.

Und last but not least in der gemeinsamen Anstrengung nicht nachlassen, auch wenn derzeit die aktuellen Krisenszenarien manches überschatten: Die SDGs sind bei Ländern und Unternehmen auf einen so fruchtbaren Boden gefallen, wie keine UN-Entwicklungsziele zuvor. Dementsprechend zeigen die bisherigen Fortschritte, dass gemeinsam wirklich etwas erreicht kann, wenn das Feuer nur entsprechend brennt.


Matthias Zawichowski, carsharing Österreich, Traismauer :

Global gesehen müsste die WTO ein Mandat für die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Mindeststandards auf dem Weltmarkt inkl. Grenzausgleichsmechanismen erhalten und aktiv vorantreiben. In der Europäischen Union geht es um die qualitativ gute Umsetzung des green deals und das Abwehren der Verwässerung durch fossile, atomare und andere Sackgassen. In Österreich müssen wir verstehen, dass wir selbst aktiv werden müssen und uns nicht immer auf Politik, andere Nationen und ähnliches ausreden. Jeder und jede einzelne muss sich bewegen, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen.