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Klimapolitik - die grün-türkisen Vorhaben

Am 9. März wurden zentrale Forderungen des Klimavolksbegehrens im Umweltausschuss des Parlaments angenommen, am 11. März das lang erwartete EAG (Erneuerbaren Ausbaugesetz) präsentiert.

Kinder lassen Drachen steigen, grüne Wiese, Windräder im Hintergrund
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Der angenommene ÖVP-Grüne-Entschließungsantrag vom 9. März 2021 beinhaltet folgendes:

Installierung eines "österreichischen Klimakabinett" unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers und der Klimaschutzministerin.

Die Klimaziele und Pfade sollen gesetzlich, ein wissenschaftlicher "Klimabeirat" zur Prüfung der Einhaltung des CO2-Budgets verfassungsrechtlich verankert werden.

Der parlamentarische Budgetdienst soll mit Analysen zur Kosteneffizienz beitragen und jegliche neue und bestehende Gesetze einem verbindlichen Klimacheck unterzogen werden.

Forciert werden soll der Ausstieg aus Öl, Kohle und fossilem Gas bis 2040 und die flächendeckende Versorgung mit klimafreundlicher Mobilität durch rasche Umsetzung des 1-2-3-Tickets.

Teil der Entschließung ist darüber hinaus ein "Klimarat der Bürger*innen" als partizipativer Prozess zur Diskussion konkreter Maßnahmenvorschläge.

Weitere Elemente des umfassenden Antrags sind das Vorantreiben der ökosozialen Steuerreform, ein Klimaverantwortlichkeitsfonds, Maßnahmen zur Transformation der Land- und Forstwirtschaft, eine Evaluierung der bestehenden Förderlandschaft und eine Technologieoffensive. Zudem soll eine Studie in Auftrag gegeben werden, um die Möglichkeiten einer verfassungsrechtlichen Verankerung eines Grundrechts auf Klimaschutz aufzuzeigen.

Die Opposition stimmte dem Entschließungsantrag nicht zu, weil sie in die Erstellung nicht eingebunden war und Ziele zu weit oder zu wenig weit gehen würden bzw. Maßnahmen, Zeitpläne und Budgets fehlten.

Am Donnerstag, 11. März 2021 stellten Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Vizekanzler Werner Kogler (beide Grüne) und Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) vor. Bis zum Jahr 2030 soll damit 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen kommen. Jährlich soll bis 2030 eine Milliarde Euro investiert werden in:

  • Energiegemeinschaften. Bürger*innen sollen selbst Ökostrom produzieren und ins Netz einspeisen können – etwa durch eine Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach. „Jeder und jede darf so viel Strom in das Netz einspeisen, wie er oder sie auch daraus produziert“, hieß es dazu vom Klimaschutzministerium.
  • 500 Millionen Euro sollen Wasserstoff- bzw. Elektrolyseanlagen zugute kommen – etwa für die Stahlproduktion der voest. Wichtig dabei: Die Wasserstoffproduktion muss laut Klimaschutzministerium auf erneuerbaren Energien basieren.
  • Beim Biogas soll die Nachfolgeförderung als Marktprämie bis ins 30. Jahr reichen, darüber hinaus stehen ebenfalls 500 Mio. Euro für die nächsten zehn Jahre in Form einer Investitionsförderung für die Umrüstung von Verstromung auf Gaseinspeisung und für Neuanlagen zur Verfügung.
  • Pumpspeicheranlagen werden zu 100 Prozent von Netztarifen befreit, das gilt sowohl für neue als auch für bestehende Anlagen für 15 Jahre.

Die privaten Stromkund*innen sollen mit dem Paket nicht wesentlich stärker belastet werden als bisher. Einkommensschwache Haushalte (jene, die von der GIS-Gebühr befreit sind), seien auch von den Ökostrombeiträgen befreit.

Staatssekretär Brunner betonte, dass die insgesamt zehn Milliarden Euro an grünen Investitionen in den nächsten zehn Jahren volkswirtschaftliche Effekte von 30 Milliarden Euro mit sich bringen würden. Das sei eine „riesige Chance für den Wirtschaftsstandort“ und für neue Arbeitsplätze.

Ausständig für das EAG ist noch eine Prüfung durch die EU-Kommission. Gewessler sieht das EAG als wesentlichen Beitrag für den europäischen „Green Deal“. Bis 2050 will die EU klimaneutral sein, Österreich will das schon bis 2040 schaffen.

GLOBAL 2000 sieht einige positive Weiterentwicklungen, aber auch Schwächen. So soll eine Liste an umweltschädlichen Subventionen bis Juli erarbeitet und ein wissenschaftlicher Klimaschutzbeirat eingerichtet werden. Ein Klimaverantwortlichkeitsfonds soll verhindern, dass die Ziele verfehlt und teure Strafzahlungen geleistet werden müssen. GLOBAL 2000 sieht aber die Industrie bei der Umsetzung des Ziels, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen, noch nicht ausreichend adressiert. „Darüber hinaus ist es notwendig beim Thema öko-soziale Steuerreform wesentliche Fortschritte zu erreichen. Der Abbau umweltschädlicher Subventionen stellt hier eine sinnvolle, nächste Etappe dar. Am Abbau von Steuervorteilen, wie dem Dieselprivileg führt hier kein Weg vorbei“, so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000.

Den angekündigten Schritt, beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz aufs Tempo zu drücken und einen separaten Prozess für den Ausstieg aus Erdgas zu starten, sieht Global 2000 positiv: „Der Beschluss eines Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes ist längst überfällig und Voraussetzung für die Schaffung von tausenden Arbeitsplätzen. Wir begrüßen daher die  Pläne zur Umsetzung. Damit wird der Blockadehaltung der fossilen Industrie eine klare Absage erteilt und für die Bürger*innen rücken neue Möglichkeiten, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen, näher“, sagt Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher. In diesem separaten Prozess sei die klare Verankerung eines sofortigen Einbaustopps von neuen Erdgasheizungen und ein verbindlicher Phase-Out-Plan für den hohen Bestand an 900.000 Erdgasheizungen wichtig. Der Umstieg auf erneuerbares Gas beim Heizen, wie es die Gasindustrie propagiert, ist für GLOBAL 2000 hingegen keine Option: „Es gibt nur begrenzte Möglichkeiten erneuerbares Gas zu produzieren. Die Prozesse sind aufwändig und teuer. Deshalb hat erneuerbares Gas beim Heizen nichts verloren. Für die Bürger*innen gibt es günstigere Optionen, klimafreundlich zu heizen. Fernwärme, Pellets & Co. können Erdgas problemlos ersetzen, wenn wir gleichzeitig unsere Gebäude auf einen klimafitten Standard sanieren“, betont Wahlmüller abschließend.

Der WWF sieht den geplanten wissenschaftlichen Klimabeirat zur Überwachung des CO2-Budgets, den neuen Bürger*innen-Rat, die Prüfung des Grundrechts auf Klimaschutz und die Konkretisierung des Klimakabinetts positiv. Negativ seien die fehlenden Fortschritte bei der ökosozialen Steuerreform und das mögliche Abschwächen der Klimaneutralität 2040 durch Ausnahmen für die Industrie. Darüber hinaus fordert der WWF die sofortige Beauftragung der versprochenen Studie zum Abbau umweltschädlicher Subventionen. Sehr kritisch bewertet der WWF, dass naturbasierte Klima-Lösungen und die Naturverträglichkeit der Energiewende im Entschließungsantrag der Regierungsparteien mit keinem Wort erwähnt werden. Auch die zentralen Themen Bodenschutz und Energiesparen sind derzeit noch viel zu wenig verankert. „Das sind große Versäumnisse. Der hohe Wert von klimarelevanten Ökosystemen darf von der Politik nicht länger geringgeschätzt werden. Wir müssen dringend die Wurzeln der Probleme angehen“, fordert WWF-Klimasprecherin Lisa Plattner. „Die Naturschutz-Kriterien müssen schärfer formuliert und lückenlos umgesetzt werden. Vor allem in Schutzgebieten darf es keine neuen Fördermillionen für Wasserkraftwerke geben. Das wäre völlig widersinnig“, sagt WWF-Expertin Bettina Urbanek.

Greenpace zeigt sich erfreut darüber, dass sich zentrale Forderungen des Klimavolksbegehrens im Entschließungsantrag finden, so etwa ein Klima-Bürger*innenrat, ein Klimaschutzkabinett und eine jährliche Klimamilliarde. Zusätzlich beinhaltet der Antrag Aussicht auf ein starkes Klimaschutzgesetz mit einem Paris-konformen CO2-Budget und klarem Reduktionspfad für die heimischen Emissionen. Die dringend notwendige Umsetzung einer ökosozialen Steuerreform werde aber weiter auf die lange Bank geschoben.


 

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