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Klimaschutz: Politik muss Spielregeln verändern

Auch in Zeiten der allgegenwärtigen Corona-Pandemie haben Klimaschutz und Nachhaltigkeit nichts an Dringlichkeit verloren. Christian Plas, denkstatt, im Interview, welche Regeln verändert werden müssen.

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Trotz der allgegenwärtigen Corona-Pandemie sind die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit nicht aus der öffentlichen Diskussion verschwunden – woran liegt das?

Christian Plas: Das liegt vor allem an zwei Dingen: Das Klima verändert sich mittlerweile spürbar, wir registrieren immer mehr Unwetter, Hitzewellen, Waldbrände. Gleichzeitig gibt es eine starke Bewegung in der Jugend – mit Greta Thunberg und den Fridays for Future. Deren Wirkung beschränkt sich ja nicht nur auf die Jugendlichen, sondern strahlt aus: Auch die Eltern, die Managementfunktionen in Unternehmen besetzen, oder in der Politik oder Verwaltung zu entscheiden haben, haben das Thema jetzt am Frühstückstisch sitzen.

Geändert hat sich aber augenscheinlich wenig. Man sieht ja noch immer viele SUVs auf den Straßen, Menschen, die täglich Fleisch essen oder weiterhin konventionellen Strom nutzen.

Das stimmt. Dennoch nehme ich einen großen Willen bei den Menschen wahr, etwas zu tun, viel mehr als noch vor 10 oder 15 Jahren. Jetzt haben wir gesamtgesellschaftlich eine große Aufgabe: Informationen, die wissenschaftlich fundiert sind, an die Menschen zu bringen.

Nur ein Beispiel: Viele Menschen engagieren sich gerade sehr im Bereich Kunststoff. Was fast keiner weiß: Einmal volltanken verursacht die gleichen Treibhausgasemissionen wie 4.000 Plastiksackerln. So viele Plastiksackerl kann ich gar nicht einsparen, wie wenn ich auf Autofahrten verzichte. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass die Menschen mithelfen wollen. Aber es gibt viel zu viele unterschiedliche Informationen, es ist für die Menschen schwer hier die Wichtigkeit und die Relevanz für Nachhaltigkeit einzuordnen und zu entscheiden: was soll ich konkret ändern, um die größte Wirkung zu erreichen? 

Wie sieht es denn in der Wirtschaft aus? Sie beraten ja vorwiegend Unternehmen – jetzt, wo das Thema aktueller und brisanter wird, klingelt bei Ihnen das Telefon häufiger als vorher?

Ja. Vor 20 Jahren waren wir als denkstatt oft in der Situation, dass wir nicht wussten, wie wir die nächsten zwei Monate überleben sollten. Damals waren wir sieben Personen, jetzt sind wir rund 130, und ja, das Telefon klingelt häufig. Man merkt, dass die Themen, die wir bearbeiten – Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Sustainable Finance - mittlerweile eine ganz andere Wichtigkeit in Unternehmen haben, aber auch in der Verwaltung.

Wie wirkt sich das aus?

Sichtbar wird das beispielsweise beim Umgang der Industrie mit erneuerbarer Energie. Es gehört mittlerweile zum guten Ton, eine PV-Anlage auf dem Dach der Fertigungshalle zu haben, die Glühbirnen gegen LEDs auszutauschen und mit dem E-Gabelstapler herumzufahren an Stelle des Dieselstaplers.

Das sind wichtige Schritte – aber es reicht bei weitem nicht!

Richtig. Was dem Nachhaltigkeitsengagement entgegenwirkt: die Rahmenbedingungen für Unternehmen haben sich nicht wirklich geändert. Ein Unternehmen muss erfolgreich und profitabel sein, sonst geht es Konkurs und muss aufhören. Das heißt, ich muss als Unternehmen die mikroökonomischen Anforderungen erfüllen, nämlich Profit zu machen. Und diese Anforderung steht oft dem ökologischen Handeln ganz massiv entgegen.

Was braucht es, damit nachhaltige Unternehmen erfolgreich sein können?

Die Politik muss die Spielregeln verändern. Unser Maß dafür, ob es unserer Gesellschaft gut geht, ist derzeit das Bruttoinlandsprodukt. Wir werden in Zukunft zusätzliche Maßstäbe benötigen, um erkennen zu können, was wirklich wertvoll ist für eine Gesellschaft.

Neben dem Finanzkapital müssen wir auch das Sozial- und Umweltkapital betrachten. Wenn dieses gleich hoch bewertet wird wie das Finanzkapital, dann ergeben sich ganz andere Möglichkeiten für Maßnahmen. Dann kann ein Unternehmen ganz anders agieren, genau wie die Konsumentinnen und Konsumenten und die Politik. Für alle ergibt sich ein ganz neues Spielfeld.

Wir beobachten ein Umdenken bei den Unternehmen. Die fragen sich: müssen wir unsere Ziele, unsere Produkte, unser Handeln anpassen an das, was sinnvoll ist?

Dr. Christian Plas, ist Gründer und Geschäftsführer der denkstatt Gruppe, einem international agierenden Beratungsunternehmen für Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz. www.denkstatt.eu.

Das Interview führte Falko Müller.

Wie wir den Klimaschutz konkret angehen können und welche Rolle hierbei Messsysteme, die Flächenversiegelung und die Rohstoffwende spielen, lesen Sie im zweiten Teil unseres Interviews – „Österreich ist Weltmeister in der Versiegelung von Flächen“, das am 28. Jänner 2021 erscheint.