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Starke Wurzeln in stürmischen Zeiten

Warum Familienunternehmen Krisen überstehen.

Gastbeitrag von Michael Kuttner

Ein hellhäutiger, etwas molliger Mann mittleren Alters in dunkelblauem Sakko mit hellblauem Einstecktuch über hellem Hemd, dessen Kragen er offen trägt. Das helle, zurückgehende Haupthaar und der Bart sind kurz getrimmt. Er blickt vertrauenserweckend in d
Prof. (FH) Dr. Michael Kuttner, Professor für Accounting & Financial Management am Department Business & Tourism, der Fachhochschule Salzburg. Foto: Andreas Hauch

Familienunternehmen sind das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Sie machen den Großteil der heimischen Unternehmen aus, sichern rund zwei Millionen Arbeitsplätze und leisten einen bedeutenden Beitrag zum Wohlstand im Land. Was sie besonders auszeichnet? Ihr langer Atem. Viele dieser Unternehmen bestehen seit Generationen – mit einem klaren Blick auf die Zukunft statt auf den schnellen Gewinn.

Doch die Zeiten werden rauer: Die letzten Jahre haben deutlich gezeigt, wie krisenanfällig unsere globalisierte Welt geworden ist. Kaum war die Corona-Pandemie halbwegs überwunden, folgten Lieferengpässe, geopolitische Spannungen, explodierende Energiepreise und eine hohe Inflation. Dazu kommen Umweltkatastrophen, die immer häufiger und heftiger werden. Die Erholungsphasen zwischen den Krisen werden kürzer – für viele Unternehmen eine enorme Herausforderung.

Gerade deshalb lohnt der Blick auf Familienunternehmen. Ein jüngst abgeschlossenes, von der Münchner EQUA-Stiftung (https://www.equa-stiftung.de/) gefördertes, Forschungsprojekt geht der Frage nach, warum gerade Familienunternehmen gut durch Krisenzeiten kommen. Welche Eigenschaften und Strategien machen sie widerstandsfähig?

Familienunternehmen sind nicht automatisch resilient, sondern nur dann, wenn sie ihre Stärken gezielt einsetzen und gleichzeitig an ihren Schwächen arbeiten. Denn das, was Familienunternehmen stark macht – etwa Flexibilität, Werteorientierung oder die enge Verbindung zwischen Familie und Unternehmen – kann im Negativfall auch zur Belastung werden. Wenn Konflikte schwelen, Veränderungen blockiert werden oder einzelne Familienmitglieder überfordert sind, leidet das gesamte Unternehmen. Entscheidend ist, wie mit diesen inneren Ambivalenzen umgegangen wird.

Die Stärke der langfristigen Perspektive

Eine große Stärke vieler Familienunternehmen ist ihre langfristige Ausrichtung. Sie denken nicht in Quartalszahlen, sondern in Generationen. Statt schnellen Gewinnen steht der langfristige Erhalt des Unternehmens im Fokus. Entscheidungen werden mit Blick auf die Zukunft getroffen – mit Verantwortung gegenüber den Mitarbeiter*innen, Geschäftspartner*innen und oft auch der Region, in der das Unternehmen verwurzelt ist. Es geht nicht nur ums Heute, sondern vor allem ums Morgen. Diese Haltung schafft Weitblick und Substanz. In der Praxis zeigt sich das etwa im Umgang mit Finanzen. Statt auf schnellen Gewinn zu setzen, wird oft vorsichtig und solide gewirtschaftet. Risiko wird bewusst begrenzt, Schulden werden möglichst geringgehalten. Das Ergebnis: hohe Eigenkapitalquoten und finanzielle Reserven, die in schwierigen Zeiten den entscheidenden Unterschied machen können. Dieses „finanzielle Polster“ ermöglicht es, Krisen abzufedern, Handlungsspielräume zu bewahren und nicht sofort auf externe Hilfe angewiesen zu sein. Kurz gesagt: Wer vorausschauend wirtschaftet, kann in der Krise ruhig bleiben. Ein Ansatz, der sich gerade dann bezahlt macht, wenn es plötzlich eng wird. So schaffen Familienunternehmen ein stabiles Fundament – für sich selbst, für ihre Mitarbeiter*innen und für kommende Generationen.

Das Unternehmen als Lebensprojekt

Für viele Familienmitglieder ist das Unternehmen weit mehr als ein Arbeitsplatz: Es ist Teil ihrer Identität. Viele sind darin aufgewachsen, übernehmen Verantwortung mit Herzblut und ziehen in Krisenzeiten gemeinsam an einem Strang. Ob durch operative Mithilfe, zusätzliche finanzielle Mittel oder den Einsatz spezieller Expertise – familiäre Ressourcen werden oft ganz selbstverständlich mobilisiert, wenn es darauf ankommt.

Sozialkapital als Sicherheitsnetz

Ein oft unterschätzter, aber zentraler Erfolgsfaktor von Familienunternehmen ist ihr Netzwerk aus gewachsenen Beziehungen – zu Mitarbeiter*innen, Lieferant*innen und Kund*innen. Dieses „Sozialkapital“ entsteht nicht über Nacht, wirkt aber in Krisenzeiten wie ein starkes Sicherheitsnetz. Viele Mitarbeiter*innen in Familienunternehmen arbeiten nicht nur für Geld, sondern auch aus Vertrauen und Loyalität gegenüber der Unternehmerfamilie. Sie identifizieren sich mit dem Unternehmen, fühlen sich ihm verbunden – und zeigen gerade in schwierigen Zeiten eine besonders hohe Einsatzbereitschaft. Gleichzeitig übernehmen viele Unternehmer*innen persönlich Verantwortung und vermeiden Kurzarbeit oder Kündigungen so lange wie möglich. Menschlichkeit steht vor kurzfristigem Kostenrechnen. Auch die Beziehung zu Lieferant*innen ist in Familienunternehmen oft von langfristiger, partnerschaftlicher Zusammenarbeit geprägt. In Krisenzeiten kann das den entscheidenden Unterschied machen: Es kommt zu bevorzugten Belieferungen, längeren Zahlungszielen oder kulanten Lösungen, wenn es eng wird. Die Grundlage dafür ist gegenseitiges Vertrauen, das über viele Jahre aufgebaut wurde. Bei den Kundinnen punkten Familienunternehmen durch persönliche Betreuung, Ehrlichkeit und echte Serviceorientierung. Wer seine Kundinnen kennt und zuverlässig ist, baut eine starke Bindung auf. Das zahlt sich aus: Auch wenn Lieferzeiten länger werden oder Preise steigen müssen, bleiben viele Kundinnen treu – weil sie wissen, woran sie sind.

Werte als Kompass

Werte wie Verantwortung, Zusammenhalt und Loyalität sind tief in vielen Familienunternehmen verankert. Sie dienen in unsicheren Zeiten als moralischer Kompass und motivieren zum Durchhalten – auch dann, wenn der wirtschaftliche Nutzen kurzfristig nicht sofort erkennbar ist. Man hält zusammen, trägt Verantwortung – und gibt nicht vorschnell auf. Dieses Durchhaltevermögen ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer werteorientierten Haltung. Gleichzeitig senden solche Entscheidungen ein wichtiges Vertrauenssignal an alle Beteiligten. Das stärkt nicht nur die Bindung – sondern auch das Ansehen des Unternehmens. Denn wer in schwierigen Zeiten Haltung zeigt, gewinnt langfristig an Glaubwürdigkeit.

Schnell, agil, entscheidungsstark

Ein echter Pluspunkt: Familienunternehmen können schnell handeln, wenn es darauf ankommt. Entscheidungsprozesse sind in Familienunternehmen kurz – manchmal genügt ein Gespräch am Küchentisch oder ein Anruf, um Dinge ins Rollen zu bringen. Gerade in Krisenzeiten zahlt sich das aus. Produktanpassungen, neue Vertriebswege oder strukturelle Änderungen können ohne großen bürokratischen Aufwand umgesetzt werden. Statt lange zu analysieren, wird pragmatisch entschieden – und dann auch gemacht. Diese Flexibilität und Handlungsfähigkeit verschaffen Familienunternehmen einen entscheidenden Vorsprung: Sie reagieren nicht nur schnell auf Veränderungen, sondern können aktiv gestalten.

Lernen aus Erfahrung

Nicht zu unterschätzen ist auch die Krisenerfahrung vieler Familienunternehmen. Frühere wirtschaftliche Turbulenzen oder persönliche Rückschläge haben Spuren hinterlassen – aber auch wertvolle Lerneffekte. Ältere Generationen bringen bewährte Erfahrungen ein, während Jüngere frische Ideen liefern. Diese generationenübergreifende Kombination stärkt die Innovationskraft und sorgt für stabile, vorausschauende Entscheidungen.

Warnsignale für mangelnde Resilienz

So stark Familienunternehmen sein können – Resilienz ist kein Selbstläufer. Sie entsteht auch durch aktives Gestalten, klare Strukturen und kluge Vorbereitung. Wenn diese fehlen, kann es schnell kritisch werden. Warnsignale, die auf eine gefährdete Widerstandsfähigkeit hinweisen, sind unter anderem familiäre Konflikte, Machtkämpfe oder ungeklärte Zuständigkeiten. Wenn etwa Geschwister nicht an einem Strang ziehen oder jeder mitreden will, kommt es schnell zum Stillstand. Besonders in stressigen Phasen fehlen dann klare Entscheidungen – ein gefährlicher Zustand, wenn rasches Handeln gefragt ist. Eine starke emotionale Bindung zum Unternehmen ist grundsätzlich ein Plus – aber ohne klare Rollenverteilung kann sie zur Belastung werden. Überforderung, Unsicherheit oder persönliche Eitelkeiten schlagen dann direkt aufs Unternehmen durch – und umgekehrt. Eine weitere Gefahr: Überambitionierte Investitionen, riskante Übernahmen oder Umstrukturierungen ohne finanziellen Puffer. Wenn das Kapital gebunden ist und die Rücklagen fehlen, ist das Unternehmen in der Krise schnell am Limit – und hat kaum Spielraum, flexibel zu reagieren. Tradition ist gut – aber nicht um jeden Preis. Wer an überholten Geschäftsmodellen festhält, obwohl sie längst nicht mehr rentabel sind, riskiert langfristig die Existenz des Unternehmens. Gerade in der heutigen Zeit ist Anpassungsfähigkeit gefragt, nicht nostalgisches Beharren. Ein großes Manko vieler Unternehmen: fehlende Vorbereitung. Ohne Notfallpläne oder risikoorientiertes Denken wird die Krise zur Überraschung – mit oft schweren Folgen. Wer nicht übt, kann im Ernstfall nur reagieren – statt strategisch zu agieren. Und zuletzt: Ein vernachlässigtes Netzwerk kann im Ernstfall zum Problem werden. Wer in guten Zeiten keine Beziehungen pflegt, steht in schlechten Zeiten oft allein da – ohne Rückhalt, ohne Unterstützung, ohne Optionen.

Balance als Schlüssel zur Resilienz

Familienunternehmen haben großes Potenzial – aber sie müssen es aktiv nutzen. Resilienz entsteht dort, wo Stärken bewusst gefördert, Risiken reflektiert und Veränderungen mutig angegangen werden. Es ist die Balance zwischen Tradition und Wandel, zwischen Nähe und professioneller Distanz, die Familienunternehmen stark macht – gerade in Zeiten, in denen Krisen zur neuen Normalität geworden sind.

Michael Kuttner

Für nähere Informationen zum Forschungsprojekt und zu den Ergebnissen kontaktieren Sie bitte Prof. (FH) Dr. Michael Kuttner (michael.kuttner@fh-salzburg.ac.at), Professor für Accounting & Financial Management am Department Business & Tourism, der Fachhochschule Salzburg.

Das Forschungsprojekt wurde von der EQUA-Stiftung (https://www.equa-stiftung.de/) gefördert und im Mai 2025 abgeschlossen. Neben Michael Kuttner waren des Weiteren Julia Riepl, Thomas Mörth und Christine Mitter am Projekt beteiligt.