Update Lebensmittelrecht
Eine einheitliche Vorgehensweise mit VSME im Ernährungssektor könnte den Umsetzungsaufwand und damit auch die Kosten für KMU beschränkt halten.
Anfang Oktober 2025 wurden zahlreiche Teilnehmende von Quality Austria und SAICON zur Tagung „Lebensmittel.Recht.Up2Date“ in den Wiener Ares Tower geladen. Vertreter*innen des Lebensmittelsektors, von Behörden, Begutachtung, Ministerien und Justiz beleuchteten und diskutierten die vergangenen und kommenden Entwicklungen im Lebensmittelrecht. Durch die Veranstaltung leitete der Sachverständige Andreas Schmölzer.
Die jährliche Veranstaltung Lebensmittel.Recht.Up2Date wurde mit einem Überblick zur Rechtsprechung von Rechtsanwältin Hildegard Schöllmann eröffnet. Gewichtig war dabei die letztinstanzliche und damit bindende Entscheidung zur Tara bei Wurst, nach der alle nicht verzehrbaren Bestandteile beim Wiegen abzuziehen sind. Ebenfalls höchstgerichtlich wurde im Amtshaftungsfall zu Listerienwarnungen vom Bundesgerichtshof das „Neue Kooperationsverhältnis“ mit deutlichen Pflichten für Unternehmer formuliert. Im Bereich Kennzeichnung waren die Herkunftstäuschung bei „Dubai-Schokolade“ und die Gehaltauslobung bei Protein-Produkten beherrschend.
Entwicklungen in der Lebensmittelüberwachung
Über die Herausforderungen für die amtliche Überwachung berichtete Ulrich Busch vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Bayern. Neuer Schwerpunkt war hier die Echtheitskontrolle von Waldheidelbeeren mittels genetischen Fingerabdrucks, mit der knapp die Hälfte der Proben als gefälscht erkannt wurden. Auch rund um das Trendprodukt „Dubai-Schokolade“ gab es einen Schwerpunkt, der zu einer Beanstandungsquote von 100 % führte. Neben der Kennzeichnung war auch die Sicherheit der Produkte oftmals mangelhaft. In der laufenden Überwachung führte eine Häufung von illegalen, als Lebensmittel getarnten Potenzmitteln die Liste der gesundheitsschädlichen Produkte an, gefolgt von Fremdkörpern, Insektiziden bei Trauben und Fliegenpilzgift in Gummibonbons. Bei den Mikroben lagen Salmonellen und EHEC (besonders gefährliche E. coli Bakterien) an der Spitze. Letztere fordern die Behörden in Deutschland aktuell mit einem Ausbruchsgeschehen, dessen Ursache aufgrund der langen Inkubationszeit noch unklar ist. Die Spurensuche gestaltet sich schwierig, da keine verlässlichen Angaben zu Mahlzeiten gemacht werden können, die mehrere Tage zurückliegen. Von Infektionen betroffen sind hier hauptsächlich Kinder und diese teilweise sehr schwer.
Klimaschutz verschoben?
Mit dem EU-Omnibus wurde nun einiges verschoben und daneben „Erleichterungen“ geschaffen. So wurde der Kreis der nach CSRD-berichtspflichtigen Unternehmen durch Skalierungsänderungen drastisch eingeschränkt. Daneben wurde mit dem VSME-Standard eine einfache, freiwillige Berichtsschablone für nicht berichtspflichtige KMU geschaffen, die sich vollständig in der CSRD abbildet. Wie Alexander Saxenhuber vom Consultingunternehmen Sustainable erläuterte, ist VSME eine sinnvolle Möglichkeit für KMU, in standardisierter Form (ohne individuelle Fragebögen) nötige Informationen an CSRD-pflichtige Unternehmen zu liefern. Eine einheitliche Vorgehensweise mit VSME im Ernährungssektor könnte den Umsetzungsaufwand und damit auch die Kosten beschränkt halten. Bei individuellen Lösungen ist hingegen mit einem laufenden Personalaufwand im Ausmaß von 2-3 Personen je KMU zu rechnen.
Dass die administrativen Aufwendungen ohnehin laufend steigen, demonstrierte Stephan Savic von AGRANA anhand der neuen PPWR (Packaging and Packaging Waste Regulation). Bereits ab 12.08.2026 gilt ein PFAS-Verbot für Verpackungen, dessen Einhaltung mit einer Konformitätserklärung für jedes einzelne verpackte Lebensmittel zu bestätigen ist. Schrittweise geht es dann bis 2030 weiter mit Recyclierbarkeit und deren Kennzeichnung, Recyclinganteilvorgaben, Restriktionen bei der Werbung, Beschränkung von Leervolumen und Abschaffung von Gastro-Kleinpackungen aus Kunststoff.
Gold-Plating bei Analysebefunden?
Einen weiteren Überblick über aktuelle Entscheidungen und Entwicklungen gab der Sachverständige Andreas Schmölzer von SAICON consulting. Dabei wurde der österreichische Umgang mit grenzwertigen Pestizidbefunden bei BIO-Produkten als ärgerliches „Gold-Plating“ identifiziert. Während sich die Expert*innenen auf EU-Ebene auf die einheitliche Anwendung einer „erweiterten Messunsicherheit“ verständigt haben, wird dies in Österreich bei BIO-Produkten meist nicht praktiziert. Hier wäre hierzulande eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wünschenswert, wie es bei diversen Kontaminanten bereits in Verordnungen verankert ist.
Eine interessante Entwicklung ist bei der Kennzeichnung von Getränken zu beobachten, bei der sich die Kaltpasteurisation mitunter in der Zutatenliste findet. Hintergrund ist ein Auslegungsschwenk, weg vom Verarbeitungshilfsstoff hin zum Konservierungsmittel.
Ebenfalls neu ausgelegt wurde der Zusatzstoffbegriff von einem österr. Landesverwaltungsgericht bei Acerolasaftpulver in Wurstprodukten, welches mangels entsprechender Tradition als unerlaubte Zusatzstoffanwendung beurteilt wurde – Zusatzstoffrecht am Maßstab einer verklärten Vergangenheit. Dass Fruchtsaftpulver auf EU-Ebene als Lebensmittel geregelt ist, wurde dabei außer Acht gelassen.
Bei der Deklaration von Allergenspuren setzen die Niederlande mit Jahreswechsel neue Maßstäbe. Die Spurenangabe wird dabei stark auf jene Fälle eingeschränkt, bei denen eine Überschreitung der inzwischen global synchronisierten Schwellenwerte (WHO, ALTS, VITAL) nachgewiesen werden kann. Es ist zu erwarten, dass diese sinnvolle Auslegungsumkehr in ganz Europa übernommen werden wird.
Zuletzt wurde zum Thema Irreführung noch die „relative Mogelpackung“ am Beispiel eines österreichischen Gerichtsentscheids zu einer Füllmengenreduktion bei ansonsten identer Verpackung und gleichem Preis von Tiefkühl-Fisch erörtert. Damit sollte der „Shrinkflation“ Einhalt geboten werden, womit sich für Hersteller*innen jedoch zahlreiche Fragestellungen zur täuschungsfreien Artikeländerung ergeben.
Mikrobiologie: Freund und Feind
Den Schwerpunkt zur Mikrobiologie eröffnete Prof. Martin Wagner von der Veterinärmedizinischen Universität (VMU) Wien mit einem Überblick zur Entwicklung der häufigsten pathogenen Keime. Diese sind noch immer die Hauptursache für folgenreiche, lebensmittelbezogene Erkrankungen. Für Dänemark mit 5,8 Mio. Einwohner*innen wurde beispielsweise eine auf bakterielle Lebensmittelinfektionen zurückzuführende Schadensumme von 434 Mio. Euro pro Jahr ermittelt. Hauptquelle für Salmonellen, Champylobacter und EHEC sind noch immer tierische Lebensmittel, auch wenn die Zahlen insgesamt mit minus 90 % in 15 Jahren stark rückläufig sind. Unterschätzt werden aber auch die Auswirkungen des Klimawandels auf pathogene Keime, da diese davon profitieren. Ebenso zeigen die stark propagierten Fleisch-Ersatzprodukte neue mikrobiologische Risiken, die noch nicht ausreichend wahrgenommen werden.
Daneben ist das Hauptproblem die Zögerlichkeit des Konsumenten zu Verhaltensänderungen - ohne entsprechende Hygienemaßnahmen im Haushalt wird man Lebensmittelinfektionen nicht beherrschen können. Hier zeigen sich die aktuellen Informationsrouten trotz neuer Medien als nicht erfolgreich. Dies führt insbesondere bei Campylobacter mangels anderer Beherrschungsmöglichkeiten zu einem rasanten Anstieg der Fallzahlen.
Im Kontrast dazu berichtete Prof. Evelyne Selberherr von der VMU über die Forschung zum Mikrobiom bei Menschen und bei Lebensmitteln. Galt früher Sterilität als das Ziel der Gesundheit, so ist heute gesichert, dass Gesundheit nur mit einem entsprechend vitalen, diversifizierten Mikrobiom möglich ist. Das menschliche Mikrobiom wird durch die Nahrung, über deren Nährstoffe und auch deren Keime beeinflusst. Denn auch Lebensmittel werden durch ihr Mikrobiom geprägt, insbesondere fermentierte Produkte. Die Hausflora zeigt dabei noch stärkere Effekte als bisher angenommen, sowohl bezüglich Produktcharakteristik als auch Lebensmittelsicherheit. Auch hier sind die vegetarischen Alternativprodukte im Fokus, die sich auch beim Mikrobiom mit einem gänzlich anderen Profil als die tierischen Vorbilder zeigen. In Summe ist das Management des Mikrobioms der neue Schlüssel für Sicherheit und Gesundheit – nicht mehr die bloße Vernichtung von Keimen.
Doch wie steht das Recht dazu? Hier berichtete Rechtsanwalt Bernd Roßkothen am Beispiel einer Bäckerei über Hygienebeanstandungen in der Praxis. Dieser wurden nach einer Hygienekontrolle Strafen von in Summe mehr als 67.000 Euro vorgeschrieben. Den Beanstandungen fehlte aber meist der Bezug zur Lebensmittelsicherheit, vielmehr war diese nur über weitgehend abstrakte Denkmodelle beeinträchtigt – Hygiene als Moralvorstellung. Derartigem wurde in Österreich aber bereits vom EuGH 2004 ein Riegel vorgeschoben. So konnte vor Gericht geklärt werden, dass nicht jeder einzelne Aspekt für sich strafbar sei, sondern Verstöße eine Tateinheit bilden, die zu einer einzigen Strafe führt. Dabei ist das Ermessen der hygienerechtlichen Ausdrücke „erforderlichenfalls“, „geeignet“, „angemessen“ oder „ausreichend“ dem HACCP-Konzept des Unternehmers vorbehalten.
Wie seuchenresilient ist Österreich?
Der letzte Schwerpunkt war der Seuchenbekämpfung in Österreich gewidmet. Florian Fellinger vom zuständigen Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz berichtete dazu über die aktuelle Seuchenlage in Österreich und Europa. Hier ist eine klimawandelbedingte Verschiebung zu beobachten, da zunehmend insektenübertragene Tierseuchen an Bedeutung gewinnen. Die Fälle von Maul- und Klauenseuche (MKS) im Frühjahr dieses Jahres haben gezeigt, wie rasch sich eine Region zum Krisengebiet entwickeln kann. Die Krisenpläne haben durch diesen „Echtfall“ Schwächen offenbart, die nun beseitigt werden. Als Hauptlektion wurde das Thema Kommunikation wahrgenommen, da die fachliche Information aller beteiligten Kreise einschließlich Unternehmen Lücken gezeigt hat. Dies wurde auch von Geschäftsführer Gernot Rumpold und Qualitätsmanager Peter Bercek von GeRu Meat bestätigt, da man in der Krise ständig auf der Suche nach Informationen gewesen sei. Werner Pail von Steirerfleisch machte auf die internationalen Auswirkungen von Seuchenfällen aufmerksam. Im Exporthandel ist man den mitunter willkürlichen Entscheidungen der Zielländer ausgesetzt, was zu unternehmensbedrohlichen Situationen führen kann. Wesentlich ist jedenfalls eine detaillierte und stichhaltige Rückverfolgbarkeit, um im Ernstfall glaubhafte Abgrenzungen vornehmen zu können. Wie aus dem Ministerium zu hören war, setzt man auf intensive Ernstfall-Übungen mit allen Stakeholdern, um sich insgesamt für die nächste zu erwartende Seuche besser aufzustellen.