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Ulli Retter, Hotel Retter

Mit der 12 Hektar großen Bio-Landwirtschaft und dem neuen BioGut neben dem Hotel Bio Restaurant Retter setzt Ulli Retter noch stärker auf das Thema Regionalität und nachhaltige Produktion.

Ulrike Retter_Natur_Apfelbaum
Ulrike Retter Foto: Haslinger_Christoph

Hier wird täglich das gesamte Brot und Gebäck für das Hotel und den Ladenverkauf gebacken, Eis produziert, es werden Destillate gebrannt, Marmeladen eingekocht, und Kräuter getrocknet. Gästen wird dieses traditionelle Wissen in Kursen vermittelt. Selbstverständlich ist auch das BioGut in höchstem Maß energieeffizient und kommt völlig ohne fossile Energie aus.

BUSINESSART: Regionalität und eine hohe biologische Qualität der Lebensmittel waren dir schon immer ein großes Anliegen.

Ulli Retter: Genau, seit 1992 sind wir biozertifiziert. Schon in die erste Speisekarte habe ich reingeschrieben, wo unsere Lebensmittel herkommen. Mit der Zeit sind wir als regionaler Leitbetrieb immer wichtiger geworden. Viele Bauern haben für uns auf Bio umgestellt, weil sie uns beliefern wollen. Heute können wir unseren Bedarf an Bioprodukten großteils aus der Region decken.

Warum bist du dann auch noch Landwirtin geworden?

Mein Schwager, der neben dem Hotel den Obsthof betrieben hat, wollte sich stärker auf den Handel konzentrieren. Daher haben wir die Landwirtschaft, die ebenfalls seit 1992 bio-zertifiziert ist, übernommen und zum BioGut ausgebaut. Auf den Streuobstwiesen ernten wir Quitten, Apfel, Zwetschken, Beeren und natürlich Hirschbirnen und machen daraus Säfte, Apfelessig, 50 Sorten Marmeladen, brennen fünf verschiedene Edelbrände, einen Gin und den RetterBitter. Und ganz neu ein herrliches Streuobsteis. Zwischen den Bäumen grasen die Schafe und gackern die Hühner. Dann haben wir rund um das Hotel noch einen Kräutergarten angelegt. Die Kräuter werden getrocknet und zu Kräutersalzen oder Teemischungen verarbeitet.

Wie schaffst du das alles neben dem Hotelbetrieb?

Wir haben für das BioGut sechs Mitarbeiter*innen eingestellt, davon zwei mit Behindertenstatus - mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Das funktioniert wunderbar und ich bereue es nicht, dass wir auch diesen Schritt gegangen sind.

Im BioGut hast du ja auch eine Bäckerei eingerichtet. Baut ihr das Getreide selbst an?

Nein. Das Bio-Mehl bekommen wir zum Großteil von einer Getreidemühle im Pöllauer Tal. Wir haben in kleinerem Rahmen immer schon selbst Brot gebacken, jetzt haben wir eine richtige Bäckerei, die 18 Sorten Brot, 15 Sorten Weckerl, dienstags glutenfreies Gebäck bis hin zu veganen Kuchen herstellt. Es ist dies auch eine Huldigung an das Bäckerhandwerk und an den Wert einer einwandfreien Qualität.

Wo liegen deine Wurzeln für dieses Engagement?

Ganz eindeutig in meiner Kindheit. Meine Oma ist im Almwirtshaus groß geworden und hat danach in den Gasthof zur Post nach Nestelbach geheiratet. Mein Gitterbett stand dort in der Wirtshausküche wo meine Mama und Oma kochten. Unsere Landwirtschaft mit Ackerbau und 100 Schweinen war der Zulieferer für viele Grundprodukte. Ich habe schon als Kind gelernt, all das zu nutzen und zu schätzen, was uns die Natur gibt. Wir haben aus allem etwas gemacht, ich habe Sparsamkeit gelernt und gesehen wie echte Kreislaufwirtschaft funktioniert. „Im Kreislauf der Natur vom Ursprung zur Vollendung“ ist für mich ein Lebensmotto geworden. Meine Mama hat dann als eine der ersten Vollwertköchinnen in der Steiermark immer viel Wert auf gesunde Küche gelegt. Ihr Ruf eilte ihr voraus und so buchte bei uns Baldur Preiml seine Mentalwochen für Spitzensportler wie Toni Innauer. Trotz der schweren Arbeit und ihres hohen Alters freu ich mich, dass meine Eltern immer noch aktiv und in Bewegung sind.

Im BioGut bietest du jetzt ja auch Kurse und Seminare an?

Beim Umbau haben wir gleich einen Veranstaltungsraum mitgeplant, der sich perfekt eignet, Wissen weiterzugeben. Es gibt Brotbackkurse, Kräuterworkshops, Kurse zur Bienenhaltung oder Kompostier-Workshops. Die Anfragen für Seminare werden immer bunter. Es ist uns wichtig die Produktion transparent und erlebbar zu machen. So können die Gäste nachvollziehen, woher ihre Speisen kommen und wie sie erzeugt wurden.

Die Auszeichnung „Nachhaltige Gestalterin 2019“ werden deine beiden Töchter Sophia (24) und Katharine (20) für dich entgegen nehmen, weil du bei der Auszeichnungsveranstaltung verhindert bist. Ist im Hotel Retter bald die nächste Generation am Zug?

All unsere Kinder haben als Basis die Hotelfachschule mit Matura. Uns war es wichtig dass sie danach gleich 1-2 Jahre ins Arbeitsleben einsteigen um - wenn sie dann wollten, noch zu studieren. So hat Michael nach 2 Arbeitsjahren Unternehmensführung studiert, er arbeitet derzeit in unserem Reisebüro mit, Sophia studiert nach 2 Jahren Mitarbeit bei der Wiener Bezirkszeitung derzeit Kommunikationswirtschaft und Katharina ist soeben von einem Jahr Auslandsaufenthalt als Rezeptionistin in einem Tagungshotel in der Französischen Schweiz nach Hause gekommen. Sie studiert jetzt Personalmanagement.

Hier ist noch alles offen für die nächste Generation. Alle drei bringen eine gute Energie, sie denken mit, geben Feedback und bringen neue Ideen ein, zum Beispiel für die Website.

Wie stehen deine Kinder zum Thema Ökologie und Nachhaltigkeit?

Sie sind nicht die Birkenstockträger und auch keine Bekehrer. Aber sie bekommen so vieles von uns als selbstverständlich mit, ob bei der Müllvermeidung oder beim nachhaltigen Bauen und interessieren sich für veganes Kochen. Sie sind allesamt sehr sparsam, stehen überhaupt nicht auf Marken und kaufen auch gerne in Second Hand Läden.

Wie stehst du zu Friday for Future?

Mir gefällt das Engagement total gut und ich bin begeistert, wie die junge Greta zum Klimaengel für die Welt und zum schlechten Gewissen für alle Klimasünder geworden ist. Sie ist ein Sinnbild für die nächsten beiden Generationen. Und sie macht als autistisches Mädchen auch anderen Menschen mit Autismus Mut, sich in der Gesellschaft einzubringen.

Wie können wir den Klimawandel stoppen?

Wir brauchen sofort eine CO2 Steuer. Alle Produkte, die sich eingeschlichen und den eigenen Markt untergraben haben, müssen teurer werden. Weil ausländische Bio-Aronia um 80% billiger sind verfaulen bei uns die Früchte auf den Bäumen. Das kann es doch nicht sein. Wir sollten auch weniger Fleisch essen und alles verarbeiten, nicht nur die wertvollen Stücke. Die kleinen Bauern müssen viel mehr gefördert werden als die großen. Wir müssen weg von der industriellen Produktion von Lebensmitteln. Wenn man sich vorstellt, dass nur zwei Prozent der Schweine bio und 98 Prozent mit Antibiotika vollgefüttert sind wird einem ja schlecht. Wir brauchen viel mehr Vielfalt und keine Monokulturen. Der öffentliche Verkehr im ländlichen Raum gehört dringend ausgebaut, das Land ist ja vollkommen ausgehungert. Ja, da gibt es sehr viel zu tun!

Welche Werte braucht es für eine gute Zukunft?

Vor allem Ehrlichkeit. Ehrlichkeit gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst. Wir dürfen uns nicht länger anlügen. Wir müssen uns auf das Traditionelle besinnen, das Regionale besser bewerten und wir brauchen die Vielfalt.

Woher nimmst du die Kraft für all das, was du leistest?

In der Sinnhaftigkeit des Tuns. Der Sinn ist ein permanentes Feuer, das Kraft gibt, er ist der stärkste Antrieb. Wir als Gastgeber arbeiten mit den schönen Seiten des Lebens: Urlaub, Feiern, Natur erleben, Lernen in Seminaren. Die Leute kommen in positiver Stimmung zu uns und wir versuchen ihnen in der Zeit bei uns das Beste zu geben und ihren Geist für Neues zu öffnen. ‚Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu and’rer Glück. Denn die Freude, die wir geben, kehrt in’s eig’ne Herz zurück‘. Diesem Zitat von Goethe ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Und was ist der Satz deines Lebens?

„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“

Ulli Retter
Hotel Bio Restaurant Retter
Gegründet: 1986
Sitz: Pöllauberg
Mitarbeiter*innen: 102
Website: www.retter.at