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Greenwashing: die neuen Regeln

Klimaneutral, umweltfreundlich oder nachhaltigere Baumwolle: Wann können Konsument*innen darauf vertrauen und wann handelt es sich bloß um Greenwashing? Wie sieht es mit der Rechtssicherheit für Unternehmen aus?

Ein Mann seht vor einem großen Bild, das Wiesen und Bäume zeigt und wird fotografiert.
Rundherum sieht man Wüste und rauchende Schlote.
Foto: sekulicn-istock-472108327

Durch Plastik verschmutzte Strände in Griechenland, Cyanobakterien im Ottensteiner Stausee, Hochwasser in Kärnten und Slowenien -  Umweltprobleme werden auch für Konsument*innen immer stärker sicht- und spürbar. Das motiviert zum Kauf umweltfreundlicherer Produkte. Unternehmen reagieren darauf und werben mit Slogans wie "umweltfreundliche Seife" oder "klimaneutrales Unternehmen". Aber was ist davon zu halten? Wann können Konsument*innen darauf vertrauen und wann handelt es sich bloß um Greenwashing? Wie sieht es mit der Rechtssicherheit für Unternehmen aus?

Diese Fragen sind gar nicht so einfach zu beantworten und komplexer als sie auf den ersten Blick scheinen.

Die EU hat dazu zwei Richtlinien erarbeitet:

  1. Green Claims Initiative: Der Entwurf der Richtline liegt seit 22.3.2023 vor. Er wird nun im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat diskutiert und dient aber einigen Gerichten bereits als Grundlage. So wurden in Deutschland und Österreich bereits einige Urteile erwirkt. Die meisten davon sind beeinsprucht worden und liegen nun beim Obersten Gerichtshof, auf dessen Entscheidung  gewartet wird.
  2. Empowering Consumers Initiative: Sie soll die Rechte der Verbraucher*innen schützen und wurde am 26.3.2024 verabschiedet und tritt am 26.9.2026 für alle verbindlich in Kraft.

Rechtliche Aspekte:

Die Basis für die gerichtlichen Entscheidungen stellt das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb dar. Unter anderem sind darin die "aktive Täuschung" und die "Unterlassung der Bereitstellung von Informationen" verboten. Diese Regelungen sind aber zu wenig konkret um die Irreführung eines Durchschnittsverbraucher oder -verbraucherin zu verhindern.

Die aktuellen Gerichtsfälle dienen dazu, bessere gesetzliche Regelungen zu schaffen um

  • Konsument*innen eine gute Entscheidung für oder gegen ein Produkt zu ermöglichen und
  • für Unternehmen Rechtssicherheit zu schaffen.

Einige ausgewählte Gerichtsentscheidungen:

  • OLG Düsseldorf 20 U 72/22, klimaneutrale Marmelade: fehlende Information, daher irreführend.
  • OLG Düsseldorf 20 U 72/22, klimaneutrale Fruchtgummis: Ausreichende Information durch Anführen des Kompenationspartners und QR-Code.
  • LG Karlsruhe 13 O 46/22, klimaneutrale Kosmetikprodukte: Untaugliche Kompensationsmaßnahme, fehlender Verweis auf der Website.
  • LG Karlsruhe 13 O 46/22, Begriff "umweltneutral": derzeit nicht verwendbar, weil nicht ausreichend definiert. "begrüßenswert, aber verfrüht".
  • LG Linz, 3 Cg 69/22k (mittlerweile rk), Slogan „CO2 neutral gebraut“: gesamter Herstellungsprozess muss berücksichtig werden (Scope 3).
  • OLG Frankfurt, 6 U 104/22, "Klimaneutrales Unternehmen": sämtliche Emissionen müssen berücksichtigt werden (Scope 3).
  • Landesgericht Korneuburg 29 Cg 62/22z , „klimaneutrales Fliegen“: nur Teilkompensation, keine Information über die Menge des klimaneutralen Kraftstoffs und die zusätzlichen Kosten

Unternehmen, die auf der sicheren Seite sein wollen, achten u.a. auf

  • Ausreichende Information auf dem Produkt: z.B. vertrauenswürdiges Gütesiegel, QR-Code, der zur vertiefenden Information auf der Website führt.
  • Konkrete und transparente Information auf der Website, wie z.B. die Klimaneutralität zustande kommt? Wieviel konnte durch welche Maßnahme vermieden werden? Detaillierte Informationen über das Projekt, das zur Kompensation herangezogen wird.
  • Sind alle technischen Möglichkeiten zur CO2-Vermeidung ausgeschöpft worden?
  • Gilt dies für alle wesentlichen Produktionsschritte bei der Produktherstellung (Scope 3!)?
  • Kritische Überprüfung des Kompensationsprojektes, ob das CO2 über die gesamte Verbleibedauer in der Atmosphäre kompensiert wird.
  • Vermeiden Sie die Verwendung nebulöser Begriffe. Z.B. "nachhaltig", "ökofit" "grün", "umweltneutral". Laut aktueller Rechtsprechung darf der Begriff "umweltneutral" derzeit noch nicht verwendet werden, denn es müsste in 13 Umweltkategorien bewiesen werden, dass das Produkt umweltneutral ist. Das Gericht sagt, es sei derzeit verfrüht diesen Begriff zu verwenden. Entscheidend ist, dass Sie Ihre Aussage genau erläutern und belegen können.

Der derzeitige Stand der Diskussion:

  • Lex Specialis regelt Substanzialisierung expliziter Umweltclaims (in Wort und Bild).
  • Alle am europäischen Markt agierenden Unternehmen sind betroffen. Ausnahme: Mikrounternehmen (< 10 Beschäftigten & < 2 Mio. € Jahresumsatz)
  • Green Claims müssen vorab belegt und durch eine externe Verifizierungsstelle geprüft und validiert werden. Dieser Verifizierungsprozess wird noch präzisiert. 
  • Prüfung des Claims und der Substanzialisierung alle fünf Jahre. Empfindliche Strafen angedacht (umsatzbasiert; bis 4% des Jahresumsatzes).

Quellen: VKI, BMK, EU