Klimaneutralität steht trotz regulatorischer Unsicherheiten bei Unternehmen hoch im Kurs. Warum geht es in Städten und Gemeinden nur schleppend voran?
Der wachsende Druck auf Unternehmen, mehr für den Klimaschutz zu tun, geht von einer breiten Palette von Stakeholdern (Banken, Kund*innen, Lieferant*innen) aus, und wird durch finanzielle Risiken, regulatorische Anforderungen (z. B. CSRD, CSDDD) und Wettbewerbsfaktoren zunehmend verstärkt. Klimaschutz ist längst nicht mehr nur eine Frage der Corporate Social Responsibility, sondern ein zunehmend wichtiger Faktor für den langfristigen Erfolg und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Die EU strebt weiterhin an, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, Österreich möchte dieses Ziel bereits bis 2040 erreichen.
Auch viele Gemeinden und Städte haben sich diesem Ziel verschrieben, die Umsetzung erfolgt aber spürbar langsamer. Das liegt an dem komplexen Zusammenspiel aus finanziellen, bürokratischen, politischen, sozialen und technischen Herausforderungen (siehe Studie City Governance). Um den Weg zur Klimaneutralität zu beschleunigen, braucht es ein stärkeres politisches Commitment, innovative Finanzierungsmöglichkeiten, den Abbau von Bürokratie und eine bessere Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft.
KLIMANEUTRALITÄT VON ÖSTERREICHISCHEN STÄDTEN STUDIE CITY GOVERNANCE
Die Studie konzentriert sich auf Hemmnisse und Hindernisse der übergeordneten Governance in den Bereichen Energie, Gebäude und Mobilität. Sie enthält Handlungsempfehlungen zu notwendigen Rahmenbedingungen und Änderungsbedarfen. Die Studie wurde 2023 von ConPlusUltra gemeinsam mit Renowave durchgeführt.
https://klimaneutralestadt.at/de/projekte/tiks/city-governance.php
Nachhaltige Energie als Schlüssel für Klimaneutralität und Unabhängigkeit
Egal, ob Unternehmen oder Gemeinde. Ohne eine umfassende und schnelle Umstellung auf nachhaltige Energiekonzepte ist die Erreichung von Klimaneutralität schlichtweg unmöglich. Sie bilden das Fundament für die Dekarbonisierung der Wirtschaft und ermöglichen die Substitution umweltschädlicher und teurer fossiler Brennstoffe. Die konsequente Förderung und Implementierung nachhaltiger Energiekonzepte ist daher die zentrale Strategie, um die Klimaziele zu erreichen und eine lebenswerte Zukunft zu sichern.
Zug um Zug mehr Sonnenstrom
Das Beispiel der 608 kWp Photovoltaikanlage der ÖBB-Infrastruktur AG am Standort Süßenbrunn in Wien zeigt exemplarisch, wie Klimaschutz in der Praxis funktioniert. Im Zuge der 2020 gestarteten PV-Ausbauoffensive wurden bereits über 100 PV-Anlagen auf bahneigenen Bauwerken oder als Freiflächenanlage errichtet. Weitere PV-Anlagen sind in Planung bzw. in Umsetzung. Das besondere dieser Anlage ist die Nutzung des 240 Meter langen Flugdaches am historischen Betriebsbahnhof. Die PV-Anlage versorgt zum einen das Betriebsgelände, zum anderen wird der Überschussstrom in das öffentliche Stromnetz eingespeist und bilanziell im System Bahn genutzt. Der Autarkiegrad des Betriebsgeländes liegt laut Simulationsergebnissen bei 44%. Um den Eigenverbrauchsanteil weiter zu erhöhen, wird die Errichtung eines Stromspeichers evaluiert.
Erneuerbare Energiegemeinschaft Erlauftal Süd
Erneuerbare Energiegemeinschaften (EEGs) haben zum Ziel, die zukünftige elektrische Energieversorgung nachhaltiger und regionaler zu gestalten. Dabei hat jede EEG unterschiedliche Ansätze, da je nach Ort und Umfeld die Strukturen und Potenziale für die erneuerbare Energieerzeugung unterschiedlich sind. In Randegg (Mostviertel, NÖ) wurde die EEG von der Gemeinde initiiert. Da die Potenziale für Wasserkraft bzw. Windkraft im Ortsgebiet im Vergleich zu den solaren Möglichkeiten eher gering sind, kommt die gesamte Energie der EEG von PV-Anlagen, die im Eigentum der Mitglieder der Energiegemeinschaft stehen. Der Verein, der für die Energiegemeinschaft gegründet wurde, besitzt selbst keine Erzeugungsanlage.
Andreas Kirchleitner, Consultant Umsetzungsbegleitung, ConPlusUltra: „Ursprünglich sollten mehrere kleine EEGs in den drei Ortskernen gegründet werden. Im Zuge des Entwicklungsprozesses wurde aber der Bedarf erkannt, das gesamte Gemeindegebiet und darüber hinaus abzudecken. Daher wurde entschieden, eine regionale EEG zu gründen und sie Erlauftal Süd zu nennen.“ Eine strategische Kooperation mit der angrenzenden EEG Erlauftal Mitte ermöglicht zudem eine gemeinsame Internetpräsenz, Preisgestaltung und Abrechnung.
EEG ERLAUFTAL SÜD
Umspannwerk: Gresten
Mitglieder (Stand: Feb 2025): 23
Zählpunkte: 58
Gesamtenergiebezug aus der EEG: 150.000 kWh/Jahr (Hochrechnung 2025)
Technologie: PV
Aufteilungsschlüssel der transferierten Energiemenge: dynamisch
Preisdifferenz zw. Lieferung und Bezug: 4 Cent/kWh
Mitgliedsbeitrag: keiner
Anmeldegebühr: 35 €, einmalig
1. Bestandsaufnahme und Analyse
- Erfassen des aktuellen Energieverbrauchs und der CO₂-Emissionen
- Identifizierung der Hauptenergieverbraucher (Gebäude, Verkehr, Industrie)
- Analyse der vorhandenen Energiequellen und -infrastruktur
2. Ziele und Strategien festlegen
- Festlegung konkreter Ziele für Energieeinsparung und CO₂-Reduktion.
- Entwicklung einer langfristigen Strategie zur Erreichung dieser Ziele.
3. Erneuerbare Energien integrieren
- Identifizierung geeigneter erneuerbarer Energiequellen (Solar, Wind, Biomasse, Geothermie)
- Planung und Umsetzung von Projekten zur Nutzung erneuerbarer Energien
- Förderung von dezentralen Energieerzeugungsanlagen (z. B. Solaranlagen auf Dächern)
4. Energieeffizienz steigern
- Durchführung von Energieaudits in öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen
- Implementierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz (z. B. Gebäudedämmung, effiziente Heizsysteme)
- Förderung energieeffizienter Technologien und Verhaltensweisen bei Bürger*innen und Unternehmen
5. Mobilität und Verkehr
- Entwicklung eines nachhaltigen Verkehrskonzepts (Förderung von ÖPNV, Radverkehr, Elektromobilität)
- Ausbau der Infrastruktur für alternative Antriebe (Ladestationen für E-Fahrzeuge)
- Maßnahmen zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs
6. Bürger*innenbeteiligung und Kommunikation
- Einbindung der Bürger*innen in die Planung und Umsetzung von Energiekonzepten
- Durchführung von Informationskampagnen und Workshops
- Förderung von Bürger*innen-Energieprojekten und Genossenschaften
7. Finanzierung und Förderung
- Identifizierung von Förderprogrammen und Finanzierungsmöglichkeiten
- Beantragung von Fördermitteln für nachhaltige Energieprojekte
- Entwicklung von Geschäftsmodellen zur Finanzierung und Umsetzung der Projekte
8. Monitoring und Anpassung
- Regelmäßige Überprüfung der Fortschritte und Zielerreichung
- Anpassung der Strategien und Maßnahmen basierend auf den Ergebnissen
- Berichterstattung und Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit
Sandra Gottschall, Matthias Humpeler, ConPlusUltra