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An der Technologie wird es nicht scheitern

Möglichkeiten zum Energiesparen gibt es viele. Wie unterschiedlich die Ansätze sind, zeigen die Beispiele der Marktgemeinde Wiener Neudorf, der BKS Bank und der Wienerberger AG.

Eine Wohnsiedlung wird bei Nacht von LED Beleuchtung erhellt.
100 Tonnen CO2 jährlich spart Wiener Neudorf mit der Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED-Lampen und situativer Beleuchtung. Foto: Wr. Neudorf/

Energie liegt auf der Straße. Oder vielmehr an deren Rand. Straßenbeleuchtung verbraucht etwa 45 Prozent des öffentlichen Stroms in einer Gemeinde. Wird diese mit energieeffizienten LED-Lampen bestückt, könnten zwei Drittel der Energie eingespart werden. Was der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie berechnet hat, setzte die Marktgemeinde Wiener Neudorf in die Tat um. 1.500 Lichtpunkte wurden seit 2019 umgestellt, wobei die Lichtstärke um zwei Stufen abgesenkt wurde. Gleichzeitig rüstete die Marktgemeinde auf zertifizierten Ökostrom um. Dabei ist es nicht geblieben: Auf zwei neu gestalteten Teststraßen wurde eine situative Beleuchtung eingeführt. Diese reagiert auf die Verkehrssituation und wird beispielsweise heller, wenn ein Fahrzeug kommt. Über Nacht hingegen, wenn kaum jemand unterwegs ist, wird die Lichtstärke reduziert. So konnten nochmals über 40 Prozent an Energie im Vergleich zur LED Beleuchtung eingespart werden.

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Die neuen LED-Lampen sind nach oben hin abgeschirmt und reduzieren so die Lichtverschmutzung. Foto: Wr. Neudorf
Auf die Qualität des Straßenlichts wirkte sich die Reduktion nicht aus:

„Es hat sich herausgestellt, dass die Erhöhung der Lichtintensität bei der Annäherung sehr gleichmäßig passiert und die Bürger*innen eine zusätzliche Absenkung nicht feststellen konnten“,

erzählt Ing. Fritz Hudribusch, Abteilungsleiter Bauen, Umwelt und Verkehr der niederösterreichischen Gemeinde. Das sei wesentlich, müsse doch eine öffentliche Beleuchtung das Gefühl der Sicherheit vermitteln. 

100 Tonnen CO2 jährlich spart Wiener Neudorf mit der bisherigen Umrüstung. Zusätzliche Reduktionen verspricht sie sich von einer weiteren Idee: Um noch mehr aus der situativen Beleuchtung herauszuholen, könnten die Sensoren für das Ein- und Ausschalten der Straßenlichter zur Verkehrszählung dienen. Was auf den Teststraßen erfolgreich war, könnte künftig flächendeckend zum Einsatz kommen und die Mobilität verändern, ist sich Hudribusch sicher.

„Wir können mit unseren Daten auswerten, wie sich Maßnahmen oder Umwelteinflüsse auf alle Verkehrsteilnehmer*innen auswirken“, meint er. „Diese Daten können die CO2 Einsparungen unserer öffentlichen Beleuchtung vervielfachen.“

Zudem soll die Verkehrszählung helfen, den Energieverbrauch durch den Verkehr zu reduzieren. Wenn auf einer Wegstrecke beispielsweise ein hohes Pkw-Aufkommen beobachtet wird, könnte dort der Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel gefördert werden. Dafür hält die Marktgemeinde Wiener Neudorf Maßnahmen bereit: von der attraktiveren Straßengestaltung bis zum durchgängigen Radwegekonzept durchs Ortsgebiet, von der Förderung von E-Bikes sowie Lastenrädern bis zur Übernahme von zehn Prozent der Kosten des Klimatickets reicht die Palette. Auch sechs E-Autos stehen für die Bürger*innen zu Verfügung. Dass das Konzept funktioniert, zeigen etwa die Rad- und Scooterabstellanlagen bei der Volksschule. „Diese mussten in den letzten Jahren um das 6-Fache erhöht werden und sind bereits wieder ausgelastet“, sieht sich der Experte bestätigt.

93 Prozent aus erneuerbaren Quellen

Der Umstieg auf umweltfreundliche Mobilität ist auch Teil der Nachhaltigkeitsstrategie der BKS Bank. Im Fokus stehen insbesondere die zwei größten Energieschlucker – Stromverbrauch und Fernwärme. Mittlerweile stammen 93 Prozent des Stroms der Bank aus vier hauseigenen Photovoltaikanlagen. 2022 sollen bis zu sechs weitere folgen.

Dr. Herta Stockbauer, Vorstandsvorsitzende BKS Bank, setzt auf Reduzierung des eigenen Energieverbrauchs, den Umstieg auf erneuerbare Energie und grüne Bonds. Foto: BKS Bank/Gernot Gleiss
„Auch werden wir in den kommenden Wochen die letzte Ölheizung außer Betrieb nehmen“, freut sich Vorstandsvorsitzende Dr. Herta Stockbauer. Wichtig seien zudem der Einsatz von energieeffizienten Geräten oder die Implementierung von Energiemanagementsystemen. „Seit der Erstberechnung des Carbon Footprints (Anm.: im Jahr 2012) konnten wir die durch Energienutzung verursachten Emissionen um über 1.100 Tonnen CO2-Äquivalente senken“, sagt sie.

Um auch die durch sie finanzierten CO2-Emissionen (Financed Emissions) gering zu halten, bietet die BKS Bank neben klassischen Konto- und Sparprodukten klimafreundliche Optionen an: Mit dem 2021 gelaunchten Natur & Zukunft-Konto beispielsweise wurden 4.860 Bäume in Bad Eisenkappel gepflanzt. Bei der Kredit- und Leasingvergabe werden ebenfalls umwelt- und sozial verantwortungsvolle Projekte bevorzugt. Mit den Green Bonds „können unsere Veranlagungskund*innen, ihr Kapital in ökologisch nachhaltige regionale Projekte investieren“, beschreibt Stockbauer das Produkt, dessen klimafreundliche Emission durch eine Sustainability Second Party Opinion (SPO) extern bestätigt wird.

„Uns ist wichtig, dass bei allen Projekten eine Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Bond und Projekt besteht. Somit wissen die Anleger*innen ganz genau, in welche Projekte ihr eingezahltes Kapital fließt und welche Wirkung sie damit erreichen.“

Eines davon ist auf den Dächern Klagenfurts zu sehen: Mit einem Green Bond im Wert von 20 Millionen Euro errichten die Stadtwerke Klagenfurt AG dort und auf der stillgelegten Mülldeponie in Hörtendorf 59 Photovoltaikanlagen. Bis 2025 soll der Bau abgeschlossen sein und jährlich rund 13.500 Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Das entspricht in etwa der Reduktion durch alle bisherigen mithilfe von Bonds finanzierten Projekte zusammen.

„2021 konnten wir das Volumen unserer nachhaltigen Produkte auf rund 765 Millionen Euro ausbauen“, erklärt Stockbauer. „Das entspricht 7,2 Prozent der Bilanzsumme.“ Bis 2025 soll der Anteil auf 15 Prozent steigen. Längerfristige Ziele wird sich die BKS heuer im Rahmen der Überarbeitung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie stecken. Fest steht schon jetzt, dass weitere Green Bonds sowie ein ökologisches Sparprodukt eingeführt werden.

„Andererseits erhöhen wir sukzessive den Anteil nachhaltiger Investmentbausteine in den von uns angebotenen Vermögensverwaltungsvarianten. Hier wollen wir bis 2025 einen nachhaltigen Anteil von 30 Prozent erreichen“, rechnet die Vorstandsvorsitzende damit, dieses Ziel bereits zu Jahresende zu überschreiten.

Zudem wird das Fonds-Eigenportfolio seit Sommer 2021 an den Pariser Klimazielen ausgerichtet. Durch entsprechende Portfolioumschichtungen konnten 33 Tonnen CO2-Äquivalente pro Million Dollar Umsatz eingespart werden. Zu diesen zählt auch, dass Immobilienprojekte wie das BKS-Holzquartier an Green-Building-Kriterien ausgerichtet und nach den Kriterien der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) zertifiziert werden. „Um den ersten Meilenstein des Green Deals zu erreichen, strebt die EU eine Reduktion des CO2-Ausstoßes von Gebäuden um 60 Prozent an“, sagt die Vorstandsvorsitzende. „Dazu will die BKS Bank einen Beitrag leisten."

2023 ist morgen

Um das Einsparen von Emissionen im Bau- und Gebäudebereich bemüht sich auch die Wienerberger AG: Bis 2030 möchte das Unternehmen mit seinen gruppenweit 197 Produktionsstandorten die CO2 Emissionen um 40 Prozent reduzieren und bis spätestens 2050 klimaneutral sein. Zusätzlich will Wienerberger bis 2023 den CO2-Ausstoß um 15 Prozent senken.

„Der Vorteil dieser Strategie ist, dass man schnell anfängt zu transformieren“, sagt Mark van Loon, Senior Vice President Corporate Sustainability & Innovation. „2023 ist morgen, da müssen wir schon heute Maßnahmen setzen.“

Mark van Loon, Senior Vice President Corporate Sustainability & Innovation, Wienerberger AG ist stolz auf das erste CO2-neutrale Ziegelwerk in Belgien. Foto: Etienne Mando
Produktinnovationen wie der Porotherm 38 W.i EFH Plan sind ein Beispiel dafür. Dank seiner guten Wärmdämmwerte soll der erste klimaneutrale, TÜV zertifizierte Ziegel Österreichs bis zu einem Viertel der Heizkosten und jährlich in Österreich 5.800 Tonnen CO2 einsparen. Zusätzlich werden schon bei der Herstellung klimaschädliche Gase durch Energieeinsparung und den Einsatz von erneuerbaren Energien reduziert. Verbleibende CO2-Emissionen werden mithilfe von Klimaschutzprojekten kompensiert.

Der Produktionsprozess soll durch technologische Neuerungen dekarbonisiert werden. Mit dem AIT (Austrian Institute of Technology) hat der Konzern im Rahmen des EU-geförderten Projekts DryFiciency die erste industrielle Hochtemperatur-Wärmepumpe entwickelt und im oberösterreichischen Demowerk Uttendorf getestet. Dabei kann die Abwärme, die beim Trocknen der Ziegel in der Abluft verloren geht, wieder in den Prozess integriert werden. Das spart nicht nur bis zu 20 Prozent der Produktionskosten ein, sondern reduziert die Emissionen der Treibhausgase um bis zu 75 Prozent.

Werden diese Produktionsprozesse elektrifiziert, können Ziegel sogar CO2 neutral hergestellt werden. Am Standort Kortemark in Belgien ist das bereits gelungen: Bei der Herstellung von Ziegelriemchen für die Bekleidung von Wänden und Böden werden dort Trockner sowie Brennofen vollelektrisch betrieben. Ein Viertel des Stroms kommt von der hauseigenen Photovoltaik-Anlage, gekaufter Ökostrom ergänzt den Rest.

„Mit diesem ersten CO2-neutralen Werk beweisen wir, dass wir die Technologie haben“, meint van Loon. „Zu 90 Prozent können wir unsere Klimaneutralität mit Prozessen erreichen, die jetzt schon bekannt sind.“

Die Technologien sollen auf andere Werke ausgerollt werden. Bis es soweit ist, könne es allerdings zehn Jahre dauern.

Die Hochtemperatur-Wärmepumpe ist ein Baustein zur Reduktion der CO2 Emissionen um 40 Prozent bis 2030. Foto: Wienerberger

Knackpunkt Verfügbarkeit

Neben der Elektrifizierung der Prozesse ist für Wienerberger der Wechsel zu Wasserstoff oder Biogas eine Alternative. Welche Option in den Werken verfolgt wird, hängt von der regionalen Verfügbarkeit ab: Die dänischen Ziegelwerke beispielsweise konnten mithilfe eines lokalen Produzenten bereits zu 50 Prozent auf Biogas umsteigen. Für den Einsatz von Wasserstoff hingegen eignen sich Hafenländer.

„In Österreich geht es eher um die Elektrifizierung von Prozessen.“ Der Strom dafür soll bis 2023 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen. Dafür plant das Unternehmen, sowohl auf eigenen Werksdächern Photovoltaikanlagen zu installieren wie auch in PowerPurchase-Agreement-(PPA-)Projekte zu investieren. Zusätzlich wird durch Grünstromzertifikate kompensiert. Dass diese Umstellung aufgrund der Investitionen in die Infrastruktur „in der ersten Phase etwas teurer sein wird“, steht für den Nachhaltigkeitsexperten fest. Denn „Gas ist so billig und effizient.“ Allerdings lassen erste Berichte aus dem CO2-neutralen Werk im belgischen Kortemark vermuten, dass die laufenden Betriebskosten nicht höher liegen als in einer mit Gas betriebenen Produktionsstätte. Für eine generelle Aussage sei es jedoch zu früh. Außerdem fehle es langfristig an zuverlässigen Tarifen für grünen Strom und Wasserstoff.  Auch in Sachen Verfügbarkeit fordert van Loon Garantien von der Europäischen Union, schließlich müssen Unternehmen wie Wienerberger den Energiewechsel planen können.

„Dafür müssen wir mit den Behörden Strategien entwickeln“, sieht er alle gefordert. „Wir können das nicht allein, auch Europa kann es nicht allein. Aber wir haben die Technologien. Damit können wir in Österreich die CO2-Neutralität schaffen – mit den Regionen und der Regierung gemeinsam.“

Doris Neubauer