zum Inhalt springen

Andreas Sator, Journalist

Geschichten, die die Welt verstehen lassen.

Andreas Sator, Foto: Matthias Cremer

Der Journalist Andreas Sator hat sich auf Lösungen für die Themen Klimawandel, Artensterben und globale Armut spezialisiert. Er schreibt Bücher, berichtet im Standard und produziert die Podcasts „Erklär mir die Welt“ und „Sonne & Stahl“.

Begonnen hat diese Geschichte mit den Büchern von Jean Ziegler über die Armut und Ungerechtigkeiten der Welt, die Sator mit 19 gelesen hat: „Da dachte ich mir, ich kann doch nicht einfach zusehen. “ Daraus entstand seine tiefe Beschäftigung mit Entwicklung und Armut. Seit einigen Jahren sind die Klimakrise und das Artensterben als Themen hinzugekommen – „weil sie einige der größten Herausforderungen der Menschheit sind.“

BUSINESSART: Armut, Klimakrise, Artensterben. Sind das nicht sehr düstere Themen? Wie wird man dabei nicht pessimistisch?

Andreas Sator: Das ist ziemlich düster und ich verzweifle auch immer wieder daran. Mir hilft die Auseinandersetzung mit Wissenschaftlern, Praktiker*innen, Bürger*innen und Politiker*innen, die aktiv an der Lösung der Probleme arbeiten. Mich zu fragen, wie ein Problem gelöst werden kann und was es wahrscheinlicher macht, dass es auch passiert, richtet meinen Fokus auf eine produktive Auseinandersetzung mit diesen teilweise schrecklichen Problemen.

Wie können Medienschaffende so einen Fokus für ihr Leser*innen und Hörer*innen schaffen?

Eine konstruktive Ausrichtung ist wichtig, eine Balance, die nicht beschönigt aber auch nicht nur bei den Problemen stehenbleibt. Man muss als Journalist*in auf Probleme deutlich hinweisen – ob das Armut, Klima oder Umwelt ist – aber sich auch mit Menschen, Organisationen oder Ländern, die schon etwas richtig machen, beschäftigen.

Ich habe einmal einen Artikel über einen Baggerfahrer geschrieben, der an der March an der tschechischen Grenze im Rahmen eines Renaturierungsprojekts die alten Steine, die den Fluss regulieren, ausgräbt, Erde aufschüttet und alte Bäume hineinwirft um so einen Lebensraum für Fische und Vögel zu schaffen. Das ist so gut angekommen, weil die Leute nicht nur hören, dass in Österreich 50 Prozent der Fischarten vom Aussterben bedroht sind – eine Statistik, die auch im Artikel enthalten war – sondern gleichzeitig auch erfahren, dass es eine Person gibt, die etwas dagegen macht. Das wichtig, weil das auch aktiviert.  Da denkt man sich: „Wow, da will ich mehr davon und vielleicht kann ich selber mitmachen.“ Deshalb finde ich konstruktives Arbeiten sehr lohnenswert.

Medien haben auch Probleme, dass sie viele positive Entwicklungen, die langsam passieren und kein großes, plötzliches Ereignis sind, verschlafen. Zum Beispiel wissen in Österreich die meisten Leute nicht, dass die Armut weltweit in den letzten 30 Jahren massiv gesunken ist. Das ist eine der wichtigsten Entwicklungen auf der ganzen Welt. Aber es ist keine Geschichte. Eine so langsame Entwicklung bleibt leicht nur eine Statistik und verfängt nicht so gut. Das ist auch das Problem beim Klimawandel – er ist ebenso eine langsame Veränderung, darum hat man es leicht ihn zu ignorieren. So kann sich auch lösungsorientiertes Arbeiten selbst ad absurdum führen: Die Klimakrise ist eine umfassende systemische Herausforderung, aber man berichtet ständig nur über eine neue Erfindung, eine neue Technologie, ein neues Start-up. Das ist zwar auch wichtig, weil es ja viele Erfindungen braucht, damit etwas passiert. Aber gleichzeitig muss man darauf hinweisen, was die großen, gesellschaftlichen und strukturellen Problemstellungen sind und dass man diese angehen muss. Es ist nur meistens nicht so lustig darüber zu schreiben, dass wir den Pkw-Verkehr in Österreich reduzieren müssen, statt über ein cooles neues Elektroauto.

Wie kann man langfristige Veränderungen für Menschen greifbar und interessant machen?

Ich bin selbst ein großer Zahlenmensch – ich lese eine Statistik und denke mir „Wow“. Aber die meisten Menschen lesen Statistiken und denken sich „Hä?“

Deshalb versuche ich aus der Statistik eine Geschichte zu machen. Anstatt nur zu sagen, dass die Armut in vielen Ländern gesunken ist, habe ich zum Beispiel in Lima, Peru jemanden begleitet, der mir gezeigt hat, wie seine Eltern gelebt haben, als er ein Kind war, wie er aufgewachsen ist. Seine Familie musste noch Trinkwasser holen gehen, es gab keine Elektrizität, keinen Kühlschrank. Und dann hat er mir im Vergleich gezeigt, wie er jetzt lebt. Das vieles jetzt selbstverständlich ist, wie für uns auch. Diese große Entwicklung so auf einzelne Personen herunterzubrechen und damit nahbar zu machen ist eine gute Strategie.

Was ist wichtig, damit die Leute beginnen zu handeln?

Ich versuche, den Menschen die Welt verständlich zu machen. Das ist die Grundlage für ein mündiges und verantwortungsvolles Leben. Ob es das Einkaufen ist, die Wahl meiner Arbeitgeberin oder mein politisches Engagement: Zu verstehen, was rund um mich passiert und welche Rolle ich darin spiele, hilft dabei, bessere Entscheidungen im Leben zu treffen.

Und es ist auch wichtig, damit man ins Tun kommt. Oft wirkt die Welt unveränderbar. Was soll ich, als einzelner in einem Land mit neun Millionen Menschen, in einer Welt mit acht Milliarden Menschen, schon tun? Darum beschäftige ich mich bei den Themen, die mich interessieren, auch gerne mit der Geschichte. Damit, wie sich das so entwickelt hat, damit es so geworden ist, wie es jetzt ist. Als zum Beispiel das Auto noch nicht so populär war, es sich noch wenige Leute leisten konnten, war es völlig normal, dass die Kinder auf der Straße gespielt haben. Dann gab es viele Unfälle. Damit kann man auf verschiedene Arten umgehen. Was passiert ist, ist, dass den Kindern verboten wurde, dort zu spielen und man nur mehr an bestimmten Stellen auf die Straße darf, auf einem Zebrastreifen zum Beispiel. Man hätte aber auch sagen können: Dort, wo die Kinder spielen, wo die Leute wohnen, darf man maximal 20 km/h fahren. Das finde ich interessant. Wenn man sich anschaut, wie die Welt so geworden ist, wie sie heute ist, erkennt man, dass das nicht gottgegeben ist, sondern sich das irgendwann Leute so überlegt und untereinander ausgemacht haben. Darum kann es heute auch Menschen geben, die wieder etwas Neues ausmachen – und entscheiden, wie man das heute besser macht, 100 Jahre später. Den Menschen die Welt nahbar und verständlich zu machen, aktiviert – dass man sich denkt: „He, wart einmal, so wie wir Energie verbrauchen, wie der Verkehr organisiert ist, wie wir uns ernähren, das haben Menschen irgendwann einmal so entschieden und das kann man auch wieder anders machen.“

Was war deine größte Herausforderung?

Die Probleme intellektuell zu durchdringen. Sowohl die ökologischen Gegebenheiten, die Funktionsweise unserer Energie-, Mobilitäts- und Ernährungssysteme als auch wie wir darauf als Gesellschaft politisch und psychologisch reagieren zu verstehen. Das ist ein ständiger work in progress. Mir hilft das kontinuierliche Lesen von Studien und der Austausch mit Wissenschaftler*innen, aber auch mit meinen Leser- und Hörer*innen und mit Bauern, Unternehmer*innen und Menschen aus der Politik.

Was möchtest du Interessierten zu den Themen Klimawandel, Artensterben und globale Armut mitgeben?

Lasst euch nicht von der Wucht und Größe der Probleme dazu treiben, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir können ganz viel tun, um die Welt nachhaltiger zu gestalten und dazu kann jede*r etwas beitragen, ob privat, politisch, in der Schule oder im Unternehmen.

Journalistische Texte, Bücher, Podcasts: Welches Medium liegt dir am meisten?

Bücher! Sie ermöglichen, weit auszuholen und sich mit einem Thema so tiefgehend zu beschäftigen wie in keinem anderen Medium. Eines meiner schönsten Erlebnisse war meine erste Buchpräsentation 2019, zu der etwa 150 Menschen kamen und sich für ein signiertes Buch von mir angestellt haben. Es war immer mein Traum, einmal ein Buch zu schreiben, und in diesem Moment wurde er wahr.

Bei einem Podcast ist man als Mensch dafür aber viel greifbarer als über Text. Durch solche Formate, dadurch, wie ich arbeite, und dass ich nie auch nur versuche ganz objektiv über den Dingen zu stehen, sondern ich immer meine eigenen Motivationen mit hineinnehme – „Ich möchte in einer Welt leben, wo es weniger Armut gibt, wo der Klimawandel gestoppt wird“ zum Beispiel – bekomme ich sehr viele Rückmeldungen. Viel wertschätzendes Feedback, sehr viele Vorschläge, sehr viele Ideen. Das ist ein sehr lohnenswerter Austausch, der mir zum Beispiel gefehlt hat, als ich bei einer Tageszeitung gearbeitet habe.

Was sind die interessantesten Themenideen?

Es gab sehr viel Nachfrage zu Russland und der Ukraine. Eines der meist gefragtesten Dinge ist, einmal etwas zum Nahostkonflikt zu machen, weil das so kompliziert und verbohrt ist. Ansonsten freue ich mich immer, wenn sich zum Beispiel Studierende melden und sagen: „Ich hatte jemanden in einer Vorlesung, der war so schlau und so interessant, kannst du mit dem nicht etwas machen?“ So sind schon sehr tolle Podcastfolgen entstanden, zum Beispiel die Geschichte der Jäger und Sammler bei „Erklär mir die Welt“.

Wen erreichst du mit deinen Botschaften und wen würdest du am liebsten erreichen?

Ich erreiche eine bunte Zielgruppe, recht junge Leute mit meinen Podcasts und Büchern und mittelalte mit meinen Texten im Standard. Bei Vorträgen erreiche ich öfters auch ältere Menschen, diese fände ich vor allem noch eine spannende Zielgruppe.

Bei meinem neuen Projekt, bei „Sonne und Stahl“ ist spannend, dass auch viele stark involvierte Leute zuhören: Landtagsabgeordnete, Mitarbeiter*innen von Minister*innen, Leute aus der Lokalpolitik. Es ist toll, Menschen, die an Entscheidungshebeln sitzen, Informationen und Ideen geben zu können. Gleichzeitig bekomme ich aber auch oft Nachrichten von Leuten, die sich zum Beispiel von den Themen Nachhaltigkeit oder Klimawandel abgewendet haben. Die dazu nichts mehr gelesen haben, weil es sie überfordert. Und die mir dann schreiben, dass sich das durch eine Podcastfolge oder einen Artikel wieder geändert hat. Das freut mich extrem.

Was ist das Leitmotiv deines Lebens? Mir ist es wichtig, dass ich mit meinem eigenen Tun die Welt ein bisschen besser mache, dass ich mich aber auch auf bestimmte Dinge konzentriere. Es gibt so viele Dinge und Probleme die nottun, deshalb kann man sich dabei leicht verrückt machen. Deshalb suche ich mir ein Thema, grabe mich dabei ein und versuche so einen kleinen Beitrag zu leisten.

Man darf auch nicht vergessen, dabei Spaß zu haben und möglichst gutes und fröhliches Leben zu führen. Darum geht es am Ende des Tages auch bei der Nachhaltigkeit – dass in der Zukunft viele Menschen ein schönes Leben führen können. Deshalb ist es wichtig, dass man sich selber dabei nicht verrückt macht, sondern im Hier und Jetzt versucht auch ein möglichst sorgenfreies Leben zu führen.

Andreas Sator, Wien

Branche: Medien

Anzahl der Mitarbeiter*innen: 2

erklärmir.at, sonneundstahl.at