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Benedikt Narodoslawsky, Falter Zeitschriften GmbH

Klimaschutz ist eine Frage der Gerechtigkeit.
 

Benedikt Narodoslawsky, Foto: Katharina Gossow / Falter

Im März 2021 gründete der Falter unter seiner Leitung das Ressort „Natur" und einen wöchentlichen Natur-Newsletter zu den Themen Nachhaltigkeit, Umwelt, Natur und Landwirtschaft.

Gerechtigkeit ist das Schlüsselwort zu Benedikt Narodoslawkys Engagement für Nachhaltigkeit. „Ich betrachte die Klima- und Biodiversitätskrise in erster Linie als Frage der Gerechtigkeit und weniger als Umweltthema.“ Als Jugendlicher habe ihn das Buch „Schwarzbuch Markenfirmen“ sehr geprägt, und auch sein Vater engagierte sich für Nachhaltigkeit. „Er hat mich wohl beeinflusst, ohne dass ich es richtig bemerkt habe“, meint er.

BUSINESSART: Wie gerecht ist unsere Gesellschaft heute?

Benedikt Narodoslawsky: Weltweit gesehen gab es in den letzten Jahrzehnten eine positive Entwicklung, wir haben weniger Armut, weniger Hunger. Aber wir erleben eine Ungerechtigkeit gegenüber unseren Kindern und Kindeskindern. Künftige Generationen werden ausbaden, was wir gerade verbocken. Wir leben auf Kosten der nächsten Generationen. Der Earth Overshoot Day, der anzeigt, ab welchem Tag im Jahr wir über unseren Verhältnissen leben, rückt jedes Jahr weiter nach vorne.

Wir müssen die Entwicklung also in die richtigen Bahnen zu lenken, denn die Zeit rennt uns davon. Die Treibhausgasemissionen steigen enorm. Tiere und Pflanzen sterben aus und sind unwiederbringlich verloren. Wir können nicht warten und unsere Verantwortung abschieben.

Wie können wir Kinder und Enkerl vorbereiten?

Das hängt vom Alter ab. Meinen beiden Kindern – sie sind drei und fünf Jahre alt – erzähle ich gar nichts über die ökologischen Krisen. Das würde sie nur beunruhigen. Trotzdem sickert die Besorgnis um die Umwelt durch. Wir waren heuer am Meer und meine älteste Tochter hat begonnen, den Müll am Strand aufzusammeln.

Die Jugendlichen sind schon sehr sensibilisiert. Ihnen verdanken wir den gesellschaftlichen Bewusstseinswandel, der nun stattfindet. Sie sickern in die Strukturen ein, einige von ihnen sitzen nun an den Hebeln von Think tanks, Bildung oder Politik. Da ist viel in Bewegung. Das gibt mir Mut.

Was braucht es in der Information über Nachhaltigkeit, damit die Menschen nicht fatalistisch oder depressiv werden und sich vom Thema abwenden?

Da ist mittlerweile vieles erforscht. Die Themen sind teils sehr düster, deshalb muss man aufpassen, dass man die Leser*innenschaft nicht frustriert, aber sie gleichzeitig sensibilisiert und aufweckt. Wir versuchen daher, den Finger in die Wunde zu legen und zugleich immer wieder positive Geschichten zu veröffentlichen und Lösungen aufzuzeigen.

Wer fatalistisch ist, wird inaktiv. Deshalb ist es wichtig zu zeigen, dass Veränderung möglich ist. Daher schaue ich auch darauf, wer sich bemüht und etwas Gutes macht. Das sehe ich auch als Aufgabe der Medien - Zuckerbrot und Peitsche zu spielen, damit der Drive nicht verloren geht.

Wie verlierst du selbst den Drive nicht?

Wichtig ist, sich immer wieder rauszunehmen, am Leben zu erfreuen und dann den Kampf wieder aufzunehmen. Man muss auch wertschätzen, wenn sich etwas zum Guten verändert. Die Änderung kommt ja nicht von heute auf morgen, das ist ein langer Prozess. Wenn ich heute 100 Prozent erwarte, wird die Enttäuschung morgen immer groß sein. Aber es ist ein Dilemma: In der Klimapolitik kann man eigentlich keine Kompromisse mehr dulden. Gleichzeitig sind in der Realpolitik nur Kompromisse möglich.

Wie hast du es geschafft, beim Falter ein eigenes Ressort einzurichten?

Mit langer Überzeugungsarbeit und einem durchdachten Konzept. Auch alle anderen Argumente sprachen dafür: Die Klima- und Biodiversitätskrise sind laut Vereinten Nationen die größten Herausforderungen unserer Zeit. Wenn man Journalismus als Aufklärung versteht und die Aufgabe darin sieht, gesellschaftliche Missstände zu benennen, war eine Schwerpunktsetzung für eine Wochenzeitung wie dem Falter meiner Meinung nach ein logischer Schritt.  Mein Problem war damals, dass ich Nachhaltigkeitsthemen in der Redaktionssitzung schwer durchgebracht habe, weil es keinen geeigneten Platz gab und sie der journalistischen Logik teils widersprechen. Medien berichten ja seit Jahrzehnten über den Klimawandel. Es ist ein altes Thema. Außerdem passiert er jeden Tag. Schlägt man den Klimawandel als Thema vor, gibt es also immer fünf aktuellere G’schichteln. Das heißt, die Klimawandelberichterstattung wird zerrieben oder konzentriert sich auf aktuelle Ereignisse wie die Klimakonferenz. Dabei müsste man angesichts der Thematik dauernd etwas bringen.

Ich habe mich irgendwann nicht mehr gefragt, wie bekomme ich Nachhaltigkeitsthemen ins Heft, sondern: Wie bekomme ich das Heft mit dem Thema voll? Da war das Ressort die Lösung. Mitgeholfen hat sicher, dass sich der Falter mittlerweile als österreichweite Zeitung etabliert hat. Das einstige Landleben-Ressort haben wir dann in das Ressort „Natur“ umgewandelt. So passen wichtige internationale wichtige Geschichten wie der Bericht des Weltklimarats genauso hinein wie Natur-Geschichten aus den Bundesländern.

Ist das Ressort erfolgreich?

Wir haben keine Leseranalysen. Aber ich sehe, dass der dazugehörige Natur-Newsletter in den Abozahlen steigt und Leser*innen uns beim internen Benotungssystem sehr gut bewerten.   

Wie gewinnst du Leser*innen für das Thema Nachhaltigkeit?

In Print mit fundiert recherchierten langen Geschichten, im Newsletter mit authentischer Meinung.

Was kannst du anderen Manager*innen aus deiner Erfahrung mitgeben?

Dass wir in den nächsten Jahrzehnten ums Thema Nachhaltigkeit nicht herumkommen werden und je früher man das erkennt, desto besser ist es.

Weil?

Da braucht man sich nur die Jugendbewegung anschauen, die Menschen, die ins Berufsleben einsteigen und an die Schalthebel kommen: Wir haben es mit jungen Menschen zu tun, die extrem sensibilisiert sind, die auf die Work-Balance Wert legen und in der Welt etwas verändern wollen. Als Unternehmen ist man gut beraten zu zeigen, dass man ein Unternehmen ist, das deren Zukunft nicht verhaut. Es ist also ein Asset, um Arbeitskräfte anzuwerben. Außerdem schauen die Konsument*innen dieser Generation, was sie einkaufen. Wenn man mit den Leuten redet, zeigt sich eine Grundeinstellung: 5x eingepackt in Plastik geht ihnen auf den Hammer.

Und man sieht es auch in Wahlen: Heute muss jeder Politiker einen Standpunkt zum Thema Nachhaltigkeit liefern. 2019 war das Wendejahr. Das ist das Verdienst der Fridays for Future Bewegung. Sie haben klargemacht, dass es in der Klimakrise nicht um den Eisbären geht, sondern um die Kinder. Natürlich blockieren noch immer manche Parteien im Klimaschutz. Aber auch das wird sich mit der Zunahme an Extremwetterereignissen ändern.

Wann entspricht Journalismus den Kriterien der Nachhaltigkeit?

Journalismus in diesem Bereich sollte meiner Meinung nach wissenschaftlich fundiert, lösungsorientiert und kritisch sein.

Was ist das Leitmotiv deines Lebens?

  • Sei kein Arsch!
  • Die Welt ein wenig gerechter machen, denn es ist für alle besser, in einer gerechten Gesellschaft zu leben.
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Michaela Reisinger, LEBENSART, Benedikt Narodoslawski, Falter, Roswitha Reisinger, BUSINESSART. Foto: Martina Draper

Benedikt Narodoslawsky, Falter Zeitschriften GmbH

Branche: Journalismus

Anzahl der Mitarbeiter*innen: 31-50, im Natur-Ressort: 1

www.falter.at/natur