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Der Aufsichtsrat und seine Verantwortung für Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist ein Must-have für Unternehmen. Dies wirkt sich auch auf die Verantwortung des Aufsichtsrats als Kontrollorgan aus. Seine Kompetenzerweiterung zu ESG-Themen ist daher unerlässlich.

Foto: Milly Vueti / unsplash

Unternehmen sind mehr denn je gefordert, sich mit ihrem Nachhaltigkeitsverständnis und ihren Nachhaltigkeitsleistungen aktiv auseinanderzusetzen. Die Klimakrise und drängende soziale Fragestellungen rücken Werthaltungen und nachhaltiges Tun oder Lassen ins Zentrum öffentlicher Beobachtung, Bewertung und – oft auch – Kritik. Institutionelle Investoren, NGOs und eine sensibilisiertere Zivilgesellschaft (Fridays for Future) erwarten von Unternehmen mehr Transparenz und umfassende Informationen in Sachen ESG (Environment/Social/Governance). In Wechselwirkung mit politischem Engagement auf EU-Ebene – Stichwort Green Deal – ist damit ein gesamteuropäischer Entwicklungsprozess in Richtung Nachhaltigkeit inklusiver gesetzlicher Regelungen in Gang gekommen. Für den Aufsichtsrat als Kontrollorgan bedeutet das nicht nur ein erhöhtes Maß an Verantwortung für das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen, sondern auch, seine Nachhaltigkeitskompetenzen schärfen zu müssen.

Hauptverantwortlich für nichtfinanzielle Berichterstattung

Aufsichtsräte von Unternehmen, die seit 2017 nach dem Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmer*innenbelangen, Menschenrechten und Korruption reporten müssen, haben nach Aktiengesetz „die Hauptverantwortlichkeit“ für die Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung. Das gehe konsequenterweise Hand in Hand „mit entsprechend hohen Qualifikationsansprüchen zumindest an einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats, über gefordertes Spezialwissen zu verfügen, …“, formulieren es die Autoren im Handbuch für Nachhaltigkeitsrecht. Dass in Hinkunft noch mehr ESG-Expertise von Aufsichtsräten gefordert sein wird, macht der Vorschlag der neuen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) deutlich: Damit wird voraussichtlich bereits für das Geschäftsjahr 2023 eine weitaus höhere Anzahl an Unternehmen von der Nachhaltigkeitsberichtspflicht betroffen sein. Darüber hinaus wird sich die Tiefe der Nachhaltigkeitsinformation verstärken. Aufgabe des Aufsichtsrats wird es sein, die Nachhaltigkeitsstrategie, das Risikomanagement und die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu überwachen.

Neue Prüfpflichten

Aus der Taxonomie-Verordnung, die klassifiziert, was als „grüne“ Wirtschaftsaktivität einzustufen ist, ergeben sich ebenfalls Prüfpflichten für den Aufsichtsrat. Dass Unternehmen über ihren Umsatz aus ökologischen Produkten oder Dienstleistungen sowie über ihre mit nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten verbundenen Investitionen und Betriebsausgaben Angaben machen müssen, lässt die Komplexität der Aufgabe erahnen. Banken und Versicherungen berichten in diesem Zusammenhang zusätzlich u.a. über den Anteil grüner Kredite an ihren Finanzdienstleistungen. Auch hier ist es der Aufsichtsrat, der diese Informationen zu prüfen hat.

Da ernst gemeinte Nachhaltigkeit als paradetypische Querschnittsmaterie in so ziemlich alle Unternehmensbereiche „diffundiert“, greift es zu kurz, den Aufsichtsrat auf das Entsprechen gesetzlicher Anforderungen von Berichtspflichten zu reduzieren, im Gegenteil: Es liegt geradezu in seiner DNA als Kontrollorgan sicherzustellen, dass das gesamte unternehmerische Denken und Handeln unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten stattfindet. Basis dafür ist immer eine Auseinandersetzung mit ethisch-moralischen Aspekten und Werthaltungen auf Führungsebene. „Der Aufsichtsrat ist der oberste Hüter der Sinn- und Werteorientierung“, so der Corporate-Governance-Experte Rudolf X. Ruter.
Eine von der WU Wien Ende 2021 durchgeführte Umfrage unter Aufsichtsratsvorsitzenden der größten heimischen Unternehmen zeigt eine Entwicklung in die richtige Richtung: „Nachhaltigkeit ist zu einer relevanten Komponente der Aufsichtsratsarbeit geworden.“ Jetzt gilt es, die Expertise im Aufsichtsrat dazu rasch zu schärfen sowie bei der Neubesetzung von Aufsichtsräten auf ihre Nachhaltigkeitskompetenz zu achten.

Autorin: Catherine Cziharz

Mag. Catherine Cziharz ist Geschäftsleiterin der rfu (Reinhard Friesenbichler Unternehmensberatung), einem Spezialisten für Nachhaltiges Investment. Foto: Sabine Hauswirth