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Entweder bin ich ganz oben oder ganz unten

Julian M. Hadschieff, CEO PremiQaMed
Interview: Roswitha M. Reisinger

Julian M. Hadschieff
Foto: PremiQaMed PremiQaMed

Bei KR Mag. Julian M. Hadschieff (56) wurde bereits im Kindesalter ein schweres Augenleiden diagnostiziert. Dennoch machte er Karriere im sportlichen wie im beruflichen Bereich. Als Eisschnellläufer (1977 bis 1980) und im Skisport (2004-2006) errang er außerordentliche Erfolge. 1991 gründete er die Humanomed Krankenhaus Management GmbH (heute PremiQaMed), übertrug seine Anteile 2009 an die Uniqa und blieb weiterhin CEO. 1993 gründete er die Humancare Management Consult. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

BUSINESSART: Herr Hadschieff, Sie  sind seit Ihrer Kindheit stark sehbehindert und heute erfolgreicher CEO und Unternehmer. Wie haben Sie das geschafft?

Julian M. Hadschieff: Von meiner Umwelt wurde ich damals wie ein ganz normales Kind bzw. Jugendlicher behandelt. Mein Vater war fordernd und streng – das habe ich damals gehasst, aber es hat mir rückblickend sehr viel gebracht. Gleichzeitig hätte er mich aber überall rausgeholt, wäre etwas passiert. Sehr stärkend war die liebevolle Unterstützung meiner Mutter.

Ich selbst wollte als Jugendlicher mein Handicap vor allem verbergen. Ich wollte mir und allen anderen beweisen, dass ich alles kann: ich bin Schi oder Rad gefahren, und sogar mal mit dem Auto. Im Kino hätte ich sinnvollerweise in der ersten Reihe sitzen müssen, um ein bisschen was zu sehen. Das war natürlich total uncool. In der letzten Reihe habe ich auch alles gehört, und außerdem war es dort sehr kuschelig. (lacht).

BUSINESSART: Sie haben maturiert und studiert. Wie haben Sie es geschafft zu lernen, ohne lesen zu können?

Julian M. Hadschieff: Vor der Matura haben mir meine Mama und später meine Freundin und jetzige Frau viel vorgelesen. Ich habe ein überdurchschnittliches Merkvermögen kultiviert, das ist auch heute sehr wichtig. Im Studium habe ich mir ein Lernteam aus Freunden aufgebaut: sie haben mir eine Seite vorgelesen, ich habe dann das Wesentliche mündlich zusammengefasst und so auch etwas zurückgegeben. Einen positiven Nutzen zu stiften ist wichtig, und auch, an den Erfolg zu glauben. Wir waren ein sehr erfolgreiches Lernteam – alle sind beim ersten Antritt durchgekommen! Daraus habe ich gelernt, dass man als Team effizienter ist als allein.

BUSINESSART: Sie waren in Ihrer Jugendzeit  erfolgreicher Eisschnellläufer und Schirennfahrer – im Nationalteam und bei den Paralympics.

Julian M. Hadschieff: Ja, ich war nicht der Superstar, nicht die Rennsau, aber ich konnte auf hohem Niveau mit den anderen mithalten. Wir waren wochenlang zusammen, hatten ganz wenig Geld und viel Spaß  – und man trainiert auch, wenn man schlecht drauf ist. Die Gruppe nimmt einen einfach mit. Bei den Paralympics habe ich gelernt, mich extrem auf einen anderen Menschen einzulassen. Wenn der begleitende Schifahrer „hop hop“ sagt, musst du die Kante einsetzen, denn nur so kannst du eine Topplatzierung erreichen.

BUSINESSART: Wenn Ihr Begleitfahrer ausgefallen ist…

Julian M. Hadschieff:..dann bin ich auch rausgefallen. Shit happens. Das ist aber nur einmal passiert. Meistens bin ich ausgefallen (lacht).

Der Sport war eine gute Schule. Ich habe gelernt über meine Behinderung zu sprechen und erlebt, dass nicht mit Gelächter oder Hohn zu rechnen ist. Trotzdem war das für mich als Jugendlicher die größte Herausforderung und ein Entwicklungsprozess, der sich über Jahrzehnte gezogen hat.

BUSINESSART: Nach Ihrem Studium wurde Ihnen die Leitung der Sportabteilung der Tiroler Landesregierung angeboten. Warum haben Sie das Angebot nicht angenommen?

Julian M. Hadschieff: Das wäre nicht meines gewesen. Die Vorstellung, als Abteilungsleiter Sport in Pension zu gehen, hat mich wohl schaudern lassen. Ich muss immer hinterfragen, ob ich das Richtige tue.

Viele Menschen schaffen sich eine Komfortzone – das ist eine Geisteshaltung, die ich nicht ausstehen kann. Ich will selbst gestalten können. Das sehe ich als meinen Auftrag, das macht Spaß, dafür lebe ich.

BUSINESSART: Sie haben ein Unternehmen – PremiQaMed – aufgebaut. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Julian M. Hadschieff: Mitte 20 habe ich erkannt, dass es für mich nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder bin ich ganz oben oder ganz unten. Weil ich nicht abhängig sein wollte wusste ich: Irgendwo musst Du top sein. Ich kannte meine Stärken: Ehrgeiz, Engagement, Leistungswille und hohes Durchhaltevermögen. Daher habe ich mich gefragt, wo es erstens einen noch unbeackerten Markt gibt und ich zweitens mit meiner Sehbehinderung erfolgreich sein kann. Gesundheitsbetriebe wurden damals als Abteilungen von öffentlichen Einrichtungen und nicht als Wirtschaftskörper gesehen. Ein Angebot aus Wien, gemeinsam mit Partnern den Vorläufer der heutigen PremiQaMed  zu gründen, habe ich sehr gerne angenommen.

BUSINESSART: Unterscheidet sich Ihr Führungsstil von dem anderer Führungskräfte?

Julian M. Hadschieff: Mir lange Exposés zu schreiben ist bekanntermaßen eher ein Insult. Da habe ich nichts davon. Ich brauche kurze Summaries. Ich kann gut zuhören, mir Dinge vorstellen, sie im Kopf visualisieren und dann einen Diskurs mit dem Team führen. Ich weiß auch, dass ich nicht alles selbst können muss, dass es nur darum geht, im richtigen Moment die richtigen Menschen an der Hand zu haben.

In den letzten Jahren bin ich vom Pusher zum Gestalter geworden. Ich stelle mehr Fragen und ziehe mich aus dem operativen Geschäft zurück. Das hat vor allem mit dem Wachstum des Unternehmens zu tun – ich muss darauf achten, dass ich nicht selbst zum Flaschenhals im Unternehmen werde. Heute sehe ich die ganz große Herausforderung darin, ein gut abgestimmtes Team zu bilden, in dem nicht jeder die gleiche Fähigkeit hat. Es ist wie beim Fußball – die Mannschaft kann nicht erfolgreich sein, wenn sie elf Stürmer hat. Die Menschen haben ihre Eigenheiten, es ist ein Garten der Besonderheiten. Wichtig ist, dass es in Summe zusammenpasst.

Wir haben einen sehr guten und professionellen Chef der HR-Abteilung. Wir wollen ein Umfeld schaffen, in dem die MitarbeiterInnen gern und hart arbeiten denn wir bewegen uns in einem sehr dynamischen Umfeld. Wir wollen die besten Leute finden und begeistern, denn nur so können wir alles zum Wohl unserer PatientInnen tun, und zwar spürbar mit Engagement und Liebe.

BUSINESSART: Achten Sie darauf, auch MitarbeiterInnen mit Behinderung einzustellen?

Julian M. Hadschieff: Im Pflegebereich ist es schwierig, aber im Management wäre viel möglich. aber wir kriegen keine behinderten MitarbeiterInnen – es gibt kaum Bewerbungen.

BUSINESSART: Woran liegt das?

Julian M. Hadschieff: Ich glaube, dass viele Menschen mit einem Handicap unter einem Glassturz aufwachsen – ihre Eltern versuchen eine möglichst geschützte Umgebung zu schaffen. Das halte ich in den meisten Fällen für den falschen Weg. Ich bin überzeugt, dass es darum geht, junge Menschen zu fördern und zu fordern. Das ist wie beim trainieren. Ich kann nicht nur den Trizeps trainieren, ich bauche auch den Bizeps. Nur dann bin ich stark.

Man muss lernen, sich helfen zu lassen: Wenn ich fliege bestelle ich selbstverständlich eine Assistenz, die mich zum richtigen Gate bringt. Die Menschen sind sehr hilfsbereit. Wichtig ist, proaktiv zu sein, weil viele Menschen nicht wissen, wie sie mit behinderten Menschen umgehen sollen. Wir müssen ihnen die Chance geben. Ich sehe da viel Verpflichtung bei uns selbst.

BUSINESSART: Heute gibt es viele Hilfsmittel, wie die Handy-Sprachfunktion. Wo brauchen Sie noch Unterstützung?

Julian M. Hadschieff: Beim Mails lesen beispielsweise. Frau Urban, meine Sekretärin, – sie begleitet mich seit 23 Jahren – liest sie mir auf der Fahrt ins Büro telefonisch vor und wir besprechen die weitere Bearbeitung. Auf sie kann ich mich 100prozentig verlassen. Oder in einer fremden Umgebung – da gehe ich langsamer, damit ich nicht andere Menschen über den Haufen remple. (lacht)

BUSINESSART: Spielt Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen eine Rolle?

Julian M. Hadschieff: Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle, auch wenn wir nicht viel darüber reden. Persönlich ist mir wichtig, dass ich, wenn ich mal in Pension gehe, guten Gewissens der Welt begegnen kann.Für unser Unternehmen denken wir in Jahrzehnten und Generationen – dadurch handelt man automatisch nachhaltig. Dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg entsteht nur durch die Investition in gute MitarbeiterInnen und Gebäude; das sichert Bestand und Weiterentwicklung. Das ist gelebte Nachhaltigkeit.

Aktuell unterstützen wir für drei Jahre die Organisation „Licht für die Welt“ indem wir Graue-Star-Operationen finanzieren, die Menschen in Afrika das Augenlicht wieder schenken. Gerade in Entwicklungsländern hätten diese Menschen sonst kaum eine Chance.

BUSINESSART: Ein abschließender Gedanke

Julian M. Hadschieff: Jeder Mensch findet an sich etwas, das nicht passt. Wir sollten aber vielmehr in Dankbarkeit und Demut darüber nachdenken, wie gut es uns geht und einen Beitrag leisten, mit dem man die Welt ein bisschen besser machen kann.

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