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Generation 55plus wichtig für Unternehmenserfolg

Das zeigt eine globale Bain-Studie zum demografischen Wandel auf dem Arbeitsmarkt.

Dr. Franz-Robert Klingan, Bain-Partner und Leiter der Wiener Niederlassung.
Dr. Franz-Robert Klingan, Bain-Partner und Leiter der Wiener Niederlassung. Foto: Bain & Company
  • In den G7-Staaten werden die ab 55-Jährigen am Ende dieses Jahrzehnts rund ein Viertel der Gesamtbeschäftigten ausmachen
  • Die speziellen Fähigkeiten der älteren Belegschaft werden von Unternehmen vielerorts noch nicht ausreichend wertgeschätzt
  • Verstärkte Investitionen in die Generation 55plus zahlen sich aus 
  • Durch die vollumfängliche Integration in den Arbeitsprozess sowie die gezielte Nutzung von Kompetenz und Erfahrung entsteht eine Win-win-Situation 

Bis Ende des Jahrzehnts wird es weltweit rund 150 Millionen mehr Beschäftigte als heute geben, die 55 Jahre und älter sind. Dies gilt vor allem in Ländern mit hohem Einkommen. So wird sich in den G7-Staaten die Arbeitnehmerschaft ab 55 aufwärts auf rund ein Viertel der Erwerbstätigen belaufen, was rund 10 Prozentpunkte mehr sind als 2011. Noch aber bleibt das Potenzial der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen oft ungenutzt. Das hat die Studie „Better with Age: The Rising Importance of Older Workers“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company ergeben, die auf regelmäßigen Befragungen von rund 40.000 Beschäftigten aller Altersklassen in 19 Ländern basiert.  
 
Auch in Österreich nimmt die Zahl der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontinuierlich zu. Bis 2031 werden hierzulande rund 21 Prozent aller Erwerbstätigen auf die Generation 55plus entfallen. 2021 waren es rund 16 Prozent und 2011 belief sich dieser Wert auf gerade einmal 11 Prozent. In anderen Ländern wird sich die Zahl der älteren Beschäftigten zum Teil noch drastischer erhöhen. Japan ist dabei das extremste Beispiel. Dort werden bis 2031 voraussichtlich fast 40 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 55 Jahre und älter sein. In Italien dürften es 32 Prozent, in den USA 25 Prozent und in Großbritannien 23 Prozent sein.
 

Längere Erwerbstätigkeit erwartet

„Ursächlich für diesen weltweiten Trend sind gleich mehrere Faktoren“, erklärt Dr. Franz-Robert Klingan, Bain-Partner und Leiter der Wiener Niederlassung. „Zum einen steigt die Lebenserwartung, zum anderen treten durch niedrige Geburtenraten weniger junge Menschen in den Arbeitsprozess ein. Zudem nimmt das durchschnittliche Eintrittsalter in den Beruf aufgrund des höheren Ausbildungsgrads zu.“ Nicht zuletzt deshalb erwarten weltweit immer mehr Erwerbstätige, länger arbeiten zu müssen. In den USA etwa glauben laut Meinungsforschungsinstitut Gallup inzwischen 41 Prozent der Beschäftigten, dass sie über das 65. Lebensjahr hinaus ihrem Job nachgehen werden. Vor 30 Jahren waren es lediglich 12 Prozent gewesen.
 
Angesichts des demografischen Wandels gibt es weltweit zahlreiche Debatten hinsichtlich des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Dieses liegt in Österreich derzeit noch bei 65 Jahren für Männer und 60 Jahren für Frauen. Allerdings wird aufgrund einer Gesetzesanpassung das Renteneintrittsalter für Frauen hierzulande bis 2024 schrittweise angehoben. Ähnliche Entwicklungen sind auch in anderen Ländern zu beobachten. Deutschland hat bereits 2006 die „Rente mit 67“ eingeführt. Frankreich hat das gesetzliche Pensionsantrittsalter kürzlich von 62 auf 64 Jahre erhöht. In Großbritannien wiederum erfolgte 2017 eine Erhöhung auf 66 Jahre, von bis dahin 60 Jahren bei Frauen beziehungsweise 65 Jahren bei Männern.

Paradigmenwechsel unausweichlich

Unternehmen rund um den Globus stehen nun vor der Aufgabe, diesem Megatrend gerecht zu werden und für sich zu nutzen. „Noch werden allerdings nur selten Programme angeboten, mithilfe derer die älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die hauseigenen Talentsysteme integriert werden“, stellt Dr. Imeyen Ebong, Bain-Partner und Leiter der Praxisgruppe Organisation in der EMEA-Region, fest. „Topmanagement und HR-Verantwortliche müssen schnellstmöglich einen Kurswechsel vornehmen.“ Habe der Schwerpunkt bislang darauf gelegen, Talente zu finden und zu binden sowie geeignete Maßnahmen gegen den Fach- und Führungskräftemangel in jüngeren Altersklassen zu treffen, müsste nun verstärkt die ältere Belegschaft in den Fokus rücken und ihr Potenzial mehr wertgeschätzt werden. „Wie sich Unternehmen gegenüber ihren Beschäftigten ab 55 aufwärts positionieren und was sie ihnen bieten, wird in Zukunft wesentlich für ihre Wettbewerbsfähigkeit sein“, so Ebong.
 
Entsprechend sind Unternehmen weltweit gefordert, sich nachhaltig mit ihrer älteren Belegschaft auseinanderzusetzen. Im Einzelnen heißt das:
 

  • Motivationslage verstehen. Ältere Beschäftigte setzen andere Prioritäten. Langjährige Untersuchungen von Bain haben zutage gebracht, dass die Phase rund um das 60. Lebensjahr oft ein Tipping Point ist. Spielt in jüngeren Jahren die Vergütung eine wichtige Rolle, stehen bei den ab 62-Jährigen vor allem interessante Aufgaben, Arbeitsplatzsicherheit, flexibles Arbeiten und Autonomie im Vordergrund. Darüber hinaus sind ältere Mitarbeitende loyaler. Laut der jüngsten Bain-Studie geben weltweit 71 Prozent der Befragten im Alter von über 62 Jahren eine starke Verbundenheit zu ihrem eigenen Unternehmen an. Damit erzielen sie den Spitzenwert unter allen Altersgruppen.
  • Für systematische Weiterbildung sorgen. Gerade ältere Erwerbstätige benötigen oft gezielte Schulungen, um mit der modernen Arbeitswelt Schritt halten zu können. In der aktuellen Bain-Studie geben weltweit rund 20 Prozent der Beschäftigten zwischen 55 und 64 Jahren an, bessere Tech-Kenntnisse haben zu müssen. Für diese und andere Anforderungen sollten Unternehmen spezielle Trainingsprogramme entwickeln.
  • Stärken erkennen und Freiraum schaffen. Die 55plus-Generation verfügt über ein hohes Maß an beruflicher und persönlicher Kompetenz. Angesichts dessen sollten Unternehmen darauf achten, dass ihre älteren Beschäftigten mit den richtigen Aufgaben betraut sind und die Möglichkeit haben, Jüngere in ihrer beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Gelingt es, die über viele Jahre erworbenen Fähigkeiten zu nutzen, wirkt sich dies auch positiv auf die Kultur am Arbeitsplatz aus.

 
Vor diesem Hintergrund müssen Unternehmen jetzt rasch handeln. „Gebot der Stunde ist, die 55plus-Generation vollumfänglich in den Arbeitsprozess zu integrieren und ihre Kompetenz, ihr Know-how und ihre Erfahrung anzuerkennen“, betont Klingan. „Dies schafft eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Die Unternehmen bleiben geschäftlich erfolgreich, die älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich respektiert und danken es mit noch mehr Loyalität und Engagement.“