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INDIEN: Was müssen Anleger über den Wahlsieg Narendra Modis wissen?

Analyse von Finance & Ethics Research

Die indischen Parlamentswahlen endeten Mitte Mai 2014 mit dem überwältigenden Sieg Narendra Modis und der nationalistisch-hinduistischen Bharatiya Janata Partei (BJP). Modi versprach im Wahlkampf Wirtschaftsentwicklung mit wirtschaftsfreundlichen Reformen, die Schaffung von Arbeitsplätzen, sowie mehr Sicherheit, während im Hintergrund immer religiöse und nationalistische Obertöne mitschwangen. Modi artikulierte seine hinduistisch-nationalistischen Ideale nur selten explizit, doch die Entscheidung Modis, sich ausgerechnet in der heiligen Stadt Varanasi am Ganges zur Wahl zu stellen, symbolisierte Modis (meist unausgesprochene) Ideale ebenso klar wie sein Wahlkampfslogan „India First!“.

Erstmals seit dreißig Jahren gelang es einer Partei, sich bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit im Unterhaus zu sichern. Die landesweite Wahlbeteiligung erreichte mit 66% einen Rekord. Viele der Wähler waren Erstwähler, welche häufig für Modi stimmten. Die indischen Börsen verzeichneten vor den Wahlen Gewinne, da viele Investoren auf einen Wahlsieg der wirtschaftsfreundlichen BJP hofften. Doch was bedeutet der Wahlsieg Modis für Anleger?

Anhänger sehen Modi als ehrlichen Mann des Volkes und effizienten und effektiven ehemaligen Premierminister des Bundeslandes Gujarat. Kritiker werfen Modi jedoch vor, unter extremen Vorurteilen zu leiden und während seiner Regierungszeit in Gujarat 2002 Gewaltakte mit über 1000 Todesopfern (v.a. Moslems) geduldet oder sogar ermutigt zu haben. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass die Beweislage hierfür nicht ausreichend sei und Modi stritt diese Vorwürfe immer ab. Die Gerüchte wollen dennoch nicht verstummen.

Der Vergleich zeigt bereits die Auswirkung und Erwartungshaltung der Investoren
Der überwältigende Wahlsieg der BJP erlaubt es Modi, nun eine handlungsfähige Regierung zu bilden, während die Vorgängerregierung in den letzten Monaten weitgehend gelähmt war. Die BJP erklärte, sie heiße ausländische Direktinvestitionen willkommen, mit Ausnahme des Einzelhandelssektors. Die BJP will kleine Einzelhändler und Eigentümer von Kleinunternehmen schützen, welche ausländische Direktinvestitionen im Einzelhandelssektor vehement ablehnen und mit zu den wichtigsten Wählern der BJP zählen. Im Wahlkampf versprach die BJP eine Vereinfachung des Steuersystems, da die komplexen Steuervorschriften und die zahlreichen Steuerkonflikte mit internationalen Konzernen (z.B. Nokia, Royal Dutch Shell, Vodafone) inzwischen ausländische Direktinvestoren abschrecken. Die Steuerexperten der BJP erwägen sogar eine Abschaffung der Einkommenssteuer, da deren Erhebung nur wenig erfolgreich ist. Es gilt als wahrscheinlich, dass die BJP eine Reform des Energiesektors anpacken wird. Die BJP wirbt um die Beteiligung internationaler Erdöl- und Erdgaskonzerne an der Erschließung der Bodenschätze Indiens. Privatunternehmen sollen sich an Infrastrukturprojekten, v.a. im Straßenbau und Energiesektor, beteiligen.

Indien Fonds im Aufschwung:


Indien Fonds legten in den letzten Wochen kräftig zu.
Modi dürfte keine kurzfristigen Erfolge im Kampf gegen Korruption und überbordende Bürokratie erzielen und auch die Spannungen zwischen der indischen Bundesregierung und den Landesregierungen dürften anhalten (die BJP stellt lediglich fünf Landesregierungen, während die anderen Landesregierungen die BJP z.T. scharf ablehnen). Es bestehen Hoffnungen, dass sich die stark angespannten Beziehungen zwischen Indien und Pakistan verbessern, weil die nationalistisch-hinduistische BJP leichter Zugeständnisse an Pakistan machen kann als die linke Kongresspartei, ohne sich Vorwürfen des Verrats indischer Interessen ausgesetzt zu sehen. Bei einer Verbesserung der Beziehungen zu Pakistan könnte Indien vom Energiehandel mit Pakistan profitieren, während Pakistan Indien im Gegenzug den Meistbegünstigungsstatus gewähren könnte.

Die größte Herausforderung für Modi besteht in der Versöhnung mit den religiösen und ethnischen Minderheiten Indiens, v.a. mit den Moslems. Angehörige von Minderheiten haben Angst, dass der Regierungsantritt Modis radikale Hindus ermutigen und damit zum Anstieg von religiösen Spannungen führen könnte. Eine der wichtigsten Aufgaben Modis als frischgebackener Premierminister wäre es deshalb, für eine klare Geste der Versöhnung nicht nur an die anderen Parteien, sondern v.a. an die Minderheiten zu sorgen. Seine Bemerkung, jede seiner Vorgängerregierungen (welche er im Wahlkampf stark herabgesetzt hatte) habe zu dem Fortschritt Indiens beigetragen, ist wohl ein erster Schritt in die richtige Richtung, reicht aber noch nicht. Es muss sich erweisen, ob Modi als Premierminister in der Lage ist, pragmatisch im Sinne aller Inder zu regieren.

Die Erwartungen an den neuen Premierminister sind hoch – sowohl die Erwartungen der Wähler, welche hoffen, dass Modi das Wirtschaftswachstum ankurbelt, Korruption bekämpft und Indien wieder als Großmacht in der internationalen Politik etabliert, als auch die Erwartungen der internationalen Investoren. Anleger sollten aufmerksam verfolgen, welche konkreten Schritte Modi in den nächsten Wochen unternimmt. Falls Modi die in ihn gesetzten Erwartungen enttäuschen sollte, wären die Kursgewinne der letzten Wochen nur von kurzer Dauer.

Weitere Informationen: Finance&Ethics Research software-systems.at