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Investments in Agrarrohstoffe

Es geht auch nachhaltig

In den Jahren 2007/2008 stiegen die Maispreise in Äthiopien um 100 Prozent, in Uganda um 65 Prozent und in Tansania um 54 Prozent. Lebensmittel wurden für viele Familien unbezahlbar – Unruhen waren die Folge. Die Spekulation mit Agrarrohstoffen war mit ein Grund dafür. Auch in den letzten Jahren ist die Spekulation – oft für Grundnahrungsmittel, wie etwa Mais und Weizen – für starke Preissprünge mitverantwortlich und trägt so zu globalen Nahrungsmittelkrisen bei.

Viele nachhaltig agierende Investoren haben daher agrarische Produkte grundsätzlich aus ihrem Portfolio gestrichen. Der Green Deal der EU und die Taxonomie sind Anlass für eine differenzierte Betrachtung: Aus dem Nein wird ein Anders.

Roswitha M. Reisinger hat drei Investor*innen befragt.

Besser Industriemetalle als Agrarrohstoffe

Thomas Kaiser, Fondsmanager des IQAM Strategic Commodity Fund

Thomas Kaiser, Foto: iqam invest, Stephan Huger | Studio Huger

IQAM investiert bewusst nicht in Agrarrohstoffe. Wieso?

Aus ökonomischer Sicht sind Märkte effizient darin, Preise zu bilden. Warenterminbörsen können Lieferanten wie Abnehmer gegen heftige Preissprünge absichern und erfüllen somit eine wertvolle Funktion. Es kommt jedoch immer wieder zu außerordentlichen Ereignissen, die gepaart mit spekulativen Marktteilnehmer*innen zu großen Preisverzerrungen führen können. Der Markt funktioniert dann nicht so gut. In manchen heiklen Bereichen – und dazu zählen die Nahrungsmittel – kann während solcher Phasen das komplett freie Spiel der Kräfte drastische Folgen haben.

Was sind die größten Risiken?

In entwickelten Ländern beträgt der Anteil von Nahrungsmitteln am Gesamteinkommen etwa 10 Prozent, bei Emerging Markets sogar über 40 Prozent. Während starke Preisanstiege in der westlichen Welt bewältigt werden können, wird schnell klar, dass sie Hunger und Armut für Menschen in ärmeren Ländern bedeuten können. Diese extremen Konsequenzen unterscheiden Nahrungsmittel von anderen Rohstoffen: Steigt der Goldpreis, verteuern sich Luxusgüter, steigt der Ölpreis, wird „lediglich“ die Fahrt mit dem Auto kostspieliger.

Diese Risiken können nicht begrenzt werden, weil …

... Naturkatastrophen, Krieg und andere außerordentliche Ereignisse oftmals Auslöser der Preisanstiege sind. Eine teilweise Regulierung des Marktes bei Nahrungsmitteln wäre hingegen schon möglich.

Worauf sollen nachhaltige Investor*innen bei Investments in Agrarrohstoffe achten?

Nachhaltige Investor*innen sollten direkte Investments in Nahrungsmittel meiden. Möchte man als Investor ein Rohstoff-Exposure aufbauen, gibt es die Möglichkeit, Investments mit einem Fokus z.B. auf Industriemetalle zu tätigen. Diese leisten nämlich einen Beitrag für eine klimaschonendere und umweltverträglichere Lebensweise auf der Basis einer erneuerbaren Energieversorgung und sind die Bausteine für neue Konzepte bei Mobilität, Wohnen, Konsum und Produktion.

IQAM Invest ist eine Fonds-Manufaktur und bietet professionellen Anleger*innen Investmentfonds sowie individuelle, maßgeschneiderte Investmentlösungen an. https://www.iqam.com/

Biodiversität durch Investment erhöhen

Etienne VINCENT, Head of Quant Strategy & Marketing, Ossiam

Etienne Vincent, Foto: Cyril Bruneau

Sie investieren in Agrarrohstoffe. Was ist Ihre Motivation?

Wir investieren in Aktien des erweiterten globalen Lebensmittelsektors, weil diese Branche durch Kohlenstoffemissionen, Landnutzung, Wasserverbrauch und Überdüngung die stärkste Auswirkung auf die Biodiversität hat. Der größte Teil stammt aus den verwendeten Ressourcen (Scope 3). In unseren Rohstofffonds schließen wir – im Gegensatz dazu – Agrarrohstoffe aus.

Was wollen Sie erreichen?

Wir messen die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität mit der Mean Species Abundance des Iceberg Datalab (MSA Wert) und reduzieren sie, indem wir die Methoden der Branche durch kollektives und direktes Engagement ändern. Wichtig ist uns auch, über Biodiversitätsmetriken zu informieren. Wir zeigen zum Beispiel den Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Biodiversitätsverlust auf.

Wie verhindern Sie problematische Ausprägungen wie Spekulation, Land Grabbing etc.?

Die meisten Landwirt*innen und Lebensmittelproduzent*innen sind nicht direkt an den Finanzmärkten notiert. Investitionen in ihre Großkunden, die die Regeln der Branche festlegen, ermöglichen jene Veränderungen, die wir vorantreiben wollen.

Woran erkennen Sie, dass Ihre Investition positiv wirkt?

Die Nahrungsmittelproduktion wird sich immer negativ auf die Natur im Allgemeinen und die Biodiversität im Besonderen auswirken – sie ist jedoch ein Grundbedürfnis der Menschheit. Wir können ihre Auswirkungen lediglich reduzieren.

Global gesehen würde ein MSA-Wert von 72 Prozent als nachhaltig gelten. Das Problem ist, dass wir dieses Niveau bereits unterschritten haben, und die Entwicklung alarmierend ist.

Worauf sollten nachhaltige Anleger*innen achten, wenn sie in Agrarrohstoffe / Lebensmittel investieren?

Lassen Sie sich nicht von Emotionen oder Vorsätzen leiten, sondern suchen Sie nach konkreten Daten zu den realen Auswirkungen.

Ossiam – eine Tochtergesellschaft von Natixis Investment Managers – ist ein spezialisierter französischer Anlageverwalter, der Investmentfonds mit Fokus Alternative Beta entwickelt und verwaltet. https://www.im.natixis.com/at

Nachhaltige Landwirtschaft unterstützen

Wiebke Merbeth, Leiterin Public Affairs & Nachhaltigkeit, Bayern Invest

Wiebke Merbeth, Foto: Bayern Invest

Bayern Invest bietet Anleger*innen die Möglichkeit, über einen Fonds in klimarelevante landwirtschaftliche Projekte im erweiterten Mittelmeerraum zu investieren. Das ist ein ganz neues Angebot. Wieso machen Sie das?

Der Landwirtschaftssektor ist einer der größten Treibhausgas-Emittenten und trägt massiv zum Klimawandel und dem Verlust von Biodiversität bei. Gleichzeitig bedroht der Klimawandel die landwirtschaftliche Produktion und verursacht damit auch enorme soziale Probleme. Das wollen wir ändern.

Wer ist Ihr*e Partner*in für diese neue Art von Investments?

Wir kooperieren mit der 12Tree/RRG Gruppe. Sie hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von nachhaltigen landwirtschaftlichen Projekten entlang der gesamten Wertschöpfungskette und verwaltet in diesem Bereich rund 2,5 Mrd. USD.

Was macht der Fonds?

Der Fonds wird landwirtschaftliche Betriebe kaufen und mit den wirtschaftlich höchstmöglichen Nachhaltigkeitsstandards weiterentwickeln. Die Produktion soll mindestens genauso viele CO2-Emissionen langfristig binden wie sie verursacht. Darüber hinaus investiert der Fonds in die Weiterverarbeitung von Agrarprodukten, um einen möglichst großen Teil der Marge der Wertschöpfungskette zu internalisieren und damit die wirtschaftliche Stabilität der Projekte vor Ort zu erhöhen. Und er setzt auf innovative ökologische Geschäftsmodelle, welche sich auf die effiziente und nachhaltige Nutzung von Rohstoffen fokussieren, sowie auf die Optimierung von Wertstoffkreisläufen. Der Fonds erfüllt alle Kriterien für die Zertifizierung als dunkelgrüner Fonds.

Welche Trends sehen Sie?

Nach der Energiewende wird die Landwirtschaftswende kommen: hin zu mehr Transparenz, gefolgt von Komplexität und disruptiven Prozessen. Nur regenerative Landwirtschaft wird Biodiversität erhalten, den Klimawandel eindämmen und der Verantwortung von Nahrungsmittelsicherung gerecht.

Die Landesbankentochter Bayern Invest Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH bietet institutionellen Anlegern zukunftsorientierte Lösungen für das Asset Management und Asset Servicing (Master-KVG) an. https://www.bayerninvest.de/