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Leadership: GastgeberInnen mit Herz und Verstand

Herrliche Berge mit saftig grünen Almen, sauberes Wasser in glasklaren Seen, gute Luft und genussvolles Essen, viel Kultur und gastfreundliche Menschen – so verkauft die Tourismuswerbung unser Land. Die Hotels sind die Überbringer dieser nachhaltigen Botschaft.  Christian Brandstätter.

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Familie Föger. Foto: Hotel Stern Familie Föger. Foto: Hotel Stern

Rund 17.000 Hotels und gewerbliche Ferienhäuser gibt es in Österreich, dazu kommen noch rund 43.000 Privatzimmervermieter. Die Familie Föger und ihre Vorfahren haben in 500 Jahren als Gastgeber so ziemlich alle Höhen und Tiefen erlebt. Begonnen hat es mit einem Gasthaus am Fernpass. Vor 110 Jahren wurde die Mittenwaldbahn gebaut – die Pferdefuhrwerke blieben aus, und damit die Gäste. Die Familie reagierte rasch, übersiedelte nach Obsteig und übernahm das dortige Gasthaus Stern. Mit dem aufkommenden Wintertourismus hat man ab den 1970er Jahren regelmäßig ausgebaut. 

Neue Herausforderungen

Mit der Schließung des Schiliftes 2010 folgte die nächste Herausforderung. Wirt und Gastgeber René Föger: „Der Tourismus in Tirol lebt ganz wesentlich von der Winter-Infrastruktur. Auf einer Höhe von 1000 bis 1500 m kann hier ein Schigebiet mit Naturschnee nicht mehr betrieben werden.“ Eine Modernisierung scheiterte an finanziellen Grenzen. Vor allem die Jungen waren sich sicher, dass sie es als Chance nehmen müssen. Föger: „Das war ein regelrechter Startschuss für noch mehr Nachhaltigkeit.

Besonders die Kinder haben es Föger angetan, hat er doch selbst zwei im Alter von 5 und 2,5 Jahren. „Viele Leute haben das Gefühl, dass man Kindern immer mehr und mehr bieten muss: eine riesige Spielhalle, Ausflüge usw. Das ist Blödsinn. Gib ihnen drei Steine, zwei Stöcke, einen Bach und lass sie draußen herumlaufen. Sie werden sich den ganzen Tage alleine beschäftigen, mit Sachen, die sie sonst nie erleben.“

Natürlich habe nicht alles auf einen Schlag funktioniert. Es war viel Grundlagenarbeit notwendig, Arbeit an den Einstellungen und viele Veränderungen. Das zeigt heute Wirkung, auch wirtschaftlich verzeichnet man Zuwächse. Das wichtigste für Föger: „Der neue Weg ist für mich persönlich allein schon deshalb der richtige, weil ich mich wohler fühle. Und unseren MitarbeiterInnen geht es gleich wie mir.“

Energie sparen

Ganz auf die Regionalität setzt Markus Widauer im Holzhotel Forsthofalm. Das Biohotel in Leogang ist das erste Vollholzhotel im Salzburger Land. Das Holz wurde ausschließlich in der Region geerntet und zwar bei abnehmendem Mond. Einen eigenen Weg ging Widauer bei der Heizung - er lagerte sie an eine Firma aus. „Ich musste nur Räume für Heizkessel und Pellets zur Verfügung stellen. Mein Partner hat die Anlage geplant, errichtet, finanziert und betreibt sie. Ich muss mich um nichts kümmern.“ Abgerechnet wird über einen vertraglich festgelegten Energiepreis. Anlagen-Contracting nennt sich diese Form der Energiedienstleistung. Das Hotel erspart sich hohe Investitionskosten und jede Menge Arbeit beim Betrieb.

Widauers Holzhotel verbraucht rund 70% weniger Heizenergie als ein herkömmliches Hotel dieser Größenordnung. Die meisten Hotels sind sie wahre Energieschlucker. Schwimmbäder und Saunalandschaften müssen beheizt werden, in den Zimmern soll es im Winter angenehm warm und im Sommer wohltemperiert kühl sein. Das belastet die Umwelt und geht gewaltig ins Geld.

Thomas Radinger hat seinen Mariasteinerhof in der Nähe des Wilden Kaisers auf zwei Etappen saniert. „2006 haben wir groß umgebaut und dabei das Haus isoliert, mehr als 50 Fenster und Balkontüren getauscht und eine thermische Solaranlage installiert. Statt 24.000 Liter Heizöl brauchten wir dann nur mehr 16.000 Liter im Jahr.“ In einem zweiten Schritt kamen 2015 effiziente Pumpen, die Solarwärme wurde in die Heizung gespeist, die Abwärme der Kühlung genutzt und vor allem eine neue Pelletsheizung mit Computersteuerung installiert. Radinger: „Damit konnten wir die Heizkosten nochmals wesentlich reduzieren. Die Firma Siemens, die uns dabei beraten hat, hat eine Garantie auf die berechneten Einsparungen übernommen. Das war für mich sehr wichtig.“

Vielen Betrieben fehlt das Geld für große Investitionen. Da helfen Contracting-Modelle. Beim Einspar-Contracting finanziert der Energiedienstleister alle Investitionen und holt sich das Geld über den geringeren Energieverbrauch zurück.

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Markus Kegele. Foto: Mondschein Markus Kegele. Foto: Mondschein

Butler statt Kühlschrank

In Hotels sind noch viele weitere kleine Energiefresser versteckt. Zum Beispiel der Kühlschrank im Zimmer, weil für 4-Sterne Hotels eine Minibar vorgeschrieben ist. Das kostet Geld, verbraucht Strom und die Geräusche sind ein Störfaktor für viele Gäste. Dafür hat Markus Kegele, Eigentümer vom Hotel Mondschein in Stuben am Arlberg die „stromlose Minibar“ erfunden: Auf den Zimmern erwartet die Gäste ein Regal mit einer Flasche Rotwein und Mineralwasser. Gekühlte Getränke oder Snacks bringt ein persönlicher Butler. „Das hat sich sehr bewährt. Der Umsatz beim Rotwein ist gestiegen“, lacht Kegele. „Im Ernst: Die Kühlschränke gehen niemandem ab, kein einziger Gast hat danach gefragt oder reklamiert. Die Gäste gehen an die Bar wenn sie in der Nacht noch etwas trinken möchten. Bestellungen über den Room-Service sind extrem selten und nur ein minimaler Aufwand.“

Die Gäste sind wichtige Verbündeten, wenn es um Ressourcenschonung geht. Im Trattlerhof in Bad Kleinkirchheim können sie jeden Tag entscheiden, ob ihr Zimmer gereinigt und die Wäsche gewechselt werden soll. Wird nicht gereinigt gibt es zur Belohnung drei Umwelt-Euros, die bei der Konsumation an der Bar gutgeschrieben werden. „Rund ein Drittel der Gäste nimmt dieses Angebot an“, erzählt Hotelchef Jakob Forstnig. „Das heißt, dass rund 7.000 Reinigungsvorgänge im Jahr entfallen – und das ist schon ein gewaltiger Beitrag zur Einsparung von Energie und Reinigungsmitteln.“

Apropos Putzmittel: Der Duft der Zirbe soll für besonders entspannten Schlaf sorgen. Betten oder gar ganze Zimmereinrichtungen samt Böden aus Zirbenholz sind der Verkaufsschlager. Allerdings: Gegen den stechenden Geruch von manchen Reinigungsmitteln kann auch die Zirbe nichts ausrichten. Dabei kann man auch in Hotels zu schonenden Mitteln greifen oder weitgehend ganz darauf verzichten, wie das Dialog-Hotel Am Spiegeln in Wien vorzeigt. Dort kommt das Enjo Reinigungssystem zum Einsatz, das auf hoch spezialisierte Fasertücher für alle Anwendungen baut. Hotelchefin Elisabeth Lennes: „Mindestens 90 % der Flächen werden seit der Umstellung nur mit Wasser gereinigt. Die Mitarbeiterinnen erzählen mir, dass es kraftsparend ist, weil man nicht so stark andrücken muss und sie sind froh, dass die Hände nach der Arbeit nicht mehr so rau sind.“ Rund 2.000 Euro pro Jahr gibt sie seither weniger für Putzmittel aus. Da rechnet sich die Anfangsinvestition von rund 4.000 Euro schon nach zwei Jahren.

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Hermann und Ulli Retter. Foto: Retter Hermann und Ulli Retter. Foto: Retter

Kompromisslos Öko

Das Seminarhotel Retter in Pöllauberg ist ein Vorzeigebetrieb in Sachen Nachhaltigkeit. Beim Um- und Zubau hat Hotelchefin Ulli Retter kompromisslos einen Ökoplan umgesetzt. Sogar zum Wasserverbrauch hat sie sich Gedanken gemacht: Für Toilettenspülung und Gartenbewässerung wird Regenwasser verwendet, das in fünf riesigen Tanks mit je 50.000 Litern gesammelt wird. „Dadurch sparen wir im Jahr drei Millionen Liter Trinkwasser.“ In den Zimmern dominiert echtes Vollholz, dazu extra lange metallfreie Betten, extralange Decken und Reinwollteppiche. Rechnet sich das? Ulli Retter: „Die Gäste sagen, sie schlafen hier so gut. Es rechnet sich weil die Gäste zufrieden sind.“

Die Gäste beim Retter schlafen nicht nur gut, sie speisen auch hervorragend. Retter: „Seit 1992 sind wir biozertifiziert. Schon meine Mama hat in meinem elterlichen Gasthof als eine der ersten Vollwertköchinnen der Steiermark Wert auf gesunde Küche gelegt. Darauf kann man aufbauen, muss jedoch permanent dran bleiben und Produkte verbessern. Wir lassen vieles weg, wie Meeresfische und andere exotische Dinge. Bei uns gibt es Hausmannskost.“ Damit das auch akzeptiert wird, ist die Kommunikation mit den Gästen sehr wichtig. „Sie probieren und lernen neue Dinge kennen. Viele fühlen sich geborgen, weil sie wieder ihr Heimatessen bekommen.“

Zur Kommunikation gehört auch, dass die Lieferanten transparent dargestellt werden. „In die erste Speisekarte habe ich reingeschrieben, wo unsere Lebensmittel herkommen. Die Gäste haben dann bei der Heimfahrt noch beim Bauern vorbeigeschaut und das wunderbare Kernöl mitgenommen. Mit der Zeit sind wir als regionaler Leitbetrieb immer wichtiger geworden. Sehr viele Bauern haben für uns auf Bio umgestellt, weil sie den Retter beliefern wollen. Heute können wir unseren Bedarf an Bioprodukten großteils direkt aus der Region decken.“

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Die Managerin im Kürbisfeld: Melanie Franke. Foto Rogner Bad Blumau Hundertwasser Architekturprojekt Die Managerin im Kürbisfeld: Melanie Franke. Foto Rogner Bad Blumau Hundertwasser Architekturprojekt

Die Managerin im Kürbisfeld

Quasi ums Eck liegt mit dem Rogner Bad Blumau ein weiterer touristischer Leitbetrieb, der auf biologische Lebensmittel aus der Region setzt, viele sogar aus eigener Landwirtschaft. Der Biobauer Franz Wagner aus Blumau bewirtschaftet die Felder rund um die Hundertwasser-Therme und betreut die Tiere gemeinsam mit MitarbeiterInnen und dem Küchenteam. Direktorin Melanie Franke: „Gemeinsam werden die Felder gepflegt und geerntet. Das alles kostet mehr als der Zukauf der Produkte. Aber es sensibilisiert für die Hochwertigkeit und Kostbarkeit von Lebensmitteln.“

Auch Franke selbst und ihr Management-Team trifft man bei der Feldarbeit. „Andere Unternehmen fahren in Kletterparks oder besuchen diverse Incentives. Bei uns sind 20 ManagerInnen mit Gummistiefel und Haue um 5 Uhr in der Früh unterwegs und jäten Unkraut. Das macht irrsinnig Spaß. Danach frühstücken wir gemeinsam. Das ist ein psychologischer Ausgleich und hilft auch, Stress abzubauen.“ Mittlerweile werden sogar Ringelblumen und Damascena Rosen in biologischer Qualität angebaut. Die MasseurInnen verarbeiten diese zu hochwertigen Auszugsölen.

Zufriedene MitarbeiterInnen

Die wahrscheinlich größte Herausforderung in der Tourismusbranche sind zufriedene MitarbeiterInnen. Eine hohe Fluktuation bindet sehr viel Energie für die Personalsuche, vor allem bei Schlüsselpositionen in Küche und Service. „Wir haben vor zwei Jahren ein eigenes Haus gebaut, mit Einzelzimmern und gleichem Standard wie die Hotelzimmer, wo MitarbeiterInnen kostenlos wohnen können und sich wohlfühlen. Zusätzlich bieten wir kostenloses Essen und bezahlen über dem Kollektivvertrag. Sauna und Schwimmbad können benutzt werden und die Liftkarten gibt es zu günstigeren Preisen. Trotzdem finden sich kaum ÖsterreicherInnen, die den Job wollen“, klagt Markus Kegele. Neben einigen Einheimischen kommt seine Mondschein-Crew aus Deutschland, Kroatien, Spanien und Ungarn. „Wir investieren beim Marketing ähnlich viel für Mitarbeiter wie für Gäste. Und wenn wir sehen, dass jemand den Job auch wirklich will, fördern wir das auch. Einem finanzieren wir gerade eine Barkeeper-Schule.“

Im Rogner Bad Blumau sind 330 Menschen beschäftigt, 27 davon sind Lehrlinge. Melanie Franke: „Mit den MitarbeiterInnen sind das wertvollste Gut im Unternehmen. Unsere Aufgabe ist es, für sie Lebensraum zu schaffen und nicht bloß Arbeitsplätze.“ Dazu gehört in der oststeirischen Therme eine kostenlose Kinderbetreuung, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr, inklusive Verpflegung, unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, Ausbildungen und Aufstiegsmöglichkeiten. Franke: „„Ich versuche immer die Stärken der Menschen zu erkennen und auf denen aufzubauen. Damit haben wir beide Erfolg und es macht zudem auch noch Spaß.“ Wichtig ist Franke auch, dass sich die MitarbeiterInnen mit ihren Ideen und Wünschen einbringen können. Der Erfolg dieses Engagements zeigt sich in beeindruckenden Fluktuationszahlen von 2,53% im Jahr 2016.

Ganz anders sieht der Durchschnitt der Branche aus: Laut einer Studie der Arbeiterkammer aus 2011 kommen auf jedes bestehende Beschäftigungsverhältnis im Laufe eines Jahres 1,4 Abmeldungen. Das bedeutet eine Fluktuationsrate von 144%. Die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), Michaela Reitterer, relativiert diese Zahl. Sie beinhalte die Zahlen der Saison-Betriebe, bei denen alle MitarbeiterInnen nach der Saison abgemeldet werden. Viele Köche wollen auch in verschiedenen renommierten Betrieben arbeiten und wechseln daher häufig. Zudem diene die Hotellerie und Gastronomie als Einstiegsbranche, zum Beispiel für StudentInnen, oder als Überbrückung für Arbeitslose.

Gute Reise

Ganze 75% der CO2 Belastung eines Urlaubs entfallen für An- und Abreise sowie die Autofahrten im Urlaubsort. Die zu reduzieren ist vielen Hoteliers ein Anliegen. Georg Maier vom grünen Hotel zur Post in Salzburg belohnt beispielsweise Gäste, die mit Bahn, Rad oder E-Mobil anreisen und direkt buchen mit 10% Rabatt auf den tagesaktuellen Zimmerpreis. Zudem erleichtert er die Benutzung der Öffis in der Stadt: „In der Rezeption haben wir einen Monitor installiert, auf dem der Echtzeitfahrplan der leicht erreichbaren Buslinien 1, 10 und 27 abgelesen werden kann. So kommen die Gäste ohne Stress zu den Haltestellen.“

Am Land ist der Urlaub ohne Auto für die meisten Gäste nicht vorstellbar. Doch auch das ist möglich. Wer ohne Auto zum Trattlerhof nach Bad Kleinkirchheim will, wird vom Bahnhof Spittal oder Villach abgeholt. „Rund 100 Gäste nutzen dieses Angebot im Jahr“, erzählt Hotelchef Jakob Forstnig. Bei ca. 20.000 Übernachtungen im Jahr ist das noch ziemlich überschaubar. Einmal angekommen ist das Auto gar nicht mehr so wichtig: „Im Winter lassen 90% der Gäste ihr Auto die ganze Zeit bei uns stehen und nutzen die kostenlosen lokalen Busverbindungen“, schätzt Forstnig. „Im Sommer verzichtet etwa die Hälfte auf das eigene Auto.“ Der Trattlerhof bietet zusätzlich zum Gratis Wander-Thermen-Bus Fahrräder, E-Bikes und ein Elektroauto zum Ausleihen. Und weil ihm der Klimaschutz ein großes Anliegen ist hat Forstnig noch eine Besonderheit parat. Auf seiner Website kann jeder Gast die CO2 Bilanz von An- und Heimreise und Aufenthalts ermitteln und mit CO2 Zertifikaten aus der Überschussproduktion seines Wasserkraftwerkes ausgeglichen werden. Etwa 10% der Gäste nutzen das Angebot.