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Marketing & Verkauf: Von der Kunst, die richtigen Worte zu finden

Immer mehr Menschen wollen umwelt- und sozialverträglich reisen. Nur kaum jemand fragt in einem Reisebüro explizit nach einer nachhaltigen Reise meint Matthias Beyer, Marketingexperte für nachhaltigen Tourismus. Es geht heutzutage darum, überzeugend zu kommunizieren. Roswitha M. Reisinger.

Matthias Beyer, Mascontour
Matthias Beyer, Mascontour Foto: Mascontour

Seit den 1990er Jahren werden KonsumentInnen zunehmend umweltbewusster, kritischer und mündiger. Damit sind auch die Ansprüche an touristische Produkte gestiegen: Verschmutzte Strände, Müll im Meer oder laute Hotelzimmer werden nicht mehr akzeptiert. Gefragt sind umweltfreundliche und gesunde Produkte, Ruhe und Sicherheit. Und auch die Sensibilisierung für soziale Probleme nimmt zu und hat eine kritische Masse erreicht. „Nachhaltigkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ erklärt Beyer. Die Reiseanalyse 2014 zählt 22% der deutschsprachigen Wohnbevölkerung zur Kerngruppe, die „immer und sehr auf Nachhaltigkeit achtet“, 61% würden ihre Urlaubsreise „gerne nachhaltig gestalten“.

„Das sind schöne Zahlen“ meint Beyer. „Sie spiegeln nur leider nicht das reale Verbraucherverhalten wider“. Das hat mehrere Gründe. Der Mythos – Nachhaltig reisen sei teuer und man müsse auf viel verzichten – hält sich hartnäckig. Dazu kommt eine hohe Preissensibilität bei Urlaubsentscheidungen und die vielen kaum bekannten Nachhaltigkeitssiegel im Tourismus verwirren mehr, als dass sie Klarheit schaffen. Zudem ist die Buchung einer Reise ein sehr emotionaler Entscheidungsprozess: Ein Urlaub ist keine alltägliche Konsumentscheidung wie der Kauf von Biolebensmitteln. Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres. Man will sich etwas gönnen und genießen. Alles andere ist zunächst einmal zweitrangig.

Die Grafik zeigt, dass Konsument*innen befürchten, wenn sie das Wort Nachhaltigkeit hören:
55 % zusätzliche Kosten
49 % glauben, dass ihre Urlaubwünsche nicht berücksichtig werden können
40 % fehlen Informationen über die Vorzüge nachhaltigen Reisens
Grafik: ligagrafikdesign

Die Chance der Reisemittler

Genau bei den Reisebedürfnissen müsse man ansetzen, meint Beyer. Im Auftrag von atmosfair haben er und sein Team ein mehrstufiges Trainingsprogramm entwickelt, das Reisebüro-MitarbeiterInnen in die Lage versetzen soll, klimafreundliche und nachhaltige Reisen erfolgreich zu verkaufen.  Sie lernen den Zusammenhang zwischen Klima und Tourismus kennen und wissen, woran sie nachhaltige Reiseangebote erkennen. Des Weiteren sind sie in der Lage, für die Reisewünsche Ihrer Kunden klimafreundlichere, nachhaltige Alternativen aufzuzeigen und kennen Argumente, mit denen Sie Ihre KundInnen von klimafreundlicheren, nachhaltigen Reiseangeboten überzeugen können.

In methodischer Hinsicht stehen hierbei die Kundenwünsche sowie die Prüfung der Flexibilität auf Seiten der KundInnen bzgl. Destination, An- und Abreise, Unterkunft sowie Aktivitäten und Mobilität vor Ort im Mittelpunkt. Auf dieser Grundlage werden konkrete Reiseangebote unterbreitet, die sowohl den Bedürfnissen der KundInnen gerecht werden als auch nach Möglichkeit klimafreundlicher bzw. nachhaltiger sind als deren ursprünglicher Reisewunsch.

Im Beratungsgespräch werden zunächst die konkreten Reisewünsche der KundInnen erfragt (z.B. Strandurlaub, Naturtourismus, Aktivtourismus). Je nach Verbrauchertyp gilt es daraufhin individuell relevante Kaufargumente zu berücksichtigen. Hierzu zählen der Preis, die Produktqualität, der Erlebniswert sowie Nachhaltigkeit. Für Strand- und BadetouristInnen steht z.B. der Preis an erster Stelle, gefolgt von Produktqualität und Erlebniswert. Nachhaltigkeit spielt für sie kaum eine Rolle und sollte daher auch nicht als Argument verwendet werden, um sie für eine nachhaltigere Reise zu begeistern. Für Natur- und Outdoor-Urlauber ist die Nachhaltigkeit eines Produktes hingegen von großer Bedeutung und kann ebenso wie der Erlebniswert und die Produktqualität als Argument herangezogen werden.

Szenario

Jens und Ines Schneider, 39 und 35 Jahre mit Paul und Lotta, 7 und 5 Jahre, Berlin: „Ich möchte gerne im Juli unkomplizierten und stressfreien Urlaub am Meer mit meiner Familie machen. Damit meine Frau und ich uns entspannen können, sollte es genügend Angebote für unsere Kinder geben und die Unterkunft natürlich familienfreundlich sein. Ich habe gehört die Türkische Riviera soll sehr schön sein.“

Reisebüros können anhand der Bedürfnisse der Kunden ein klimafreundliches Alternativangebot erstellen. Die wesentlichen Kaufargumente für diese Familie sind Erlebniswert und Preis

Die Grafik zeigt, wie eine Kundenanfrage aussieht (Antalya/Türkei, 4-Sterne, all-inclusive, Wellness, Kinderclub, ab 858 Euro) und welches Alternativangebot nachhaltiger wäre (Zadar, Kroatien, 4-Sterne, Familienzimmer, Vollpension, Wellness, Kinderprogram

Reiseart (Pauschalreise), Dauer (7 Tage), An- und Abreise (Flug) und Anbieter sind bei beiden Angeboten gleich.

Argumente (mit Mehrwert für den Kunden)

  • Flug nach Zadar ist kürzer: Zadar ca. 2h, Antalya ca. 3-4h. 525 kg CO2 p. P. eingespart.
  • Reise ist insgesamt kostengünstiger
  • Die Temperatur ist im Juli in Zadar (28°C) angenehmer als in Antalya (34 °C)
  • Die Wassertemperatur ist ähnlich (Antalya 25 °C, Zadar ca. 23°C)
  • Das Hotel ist speziell auf Familien ausgerichtet
  • Es befindet sich inmitten schöner Natur
  • Es bietet großzügige Familienzimmer, ein abwechslungsreiches und großes, deutschsprachiges Erlebnisangebot für die Kinder z.B. mit Streichelzoo, Indoor Erlebnispark und Wasserwelt, außerdem eine größere Auswahl an Wellnessangeboten für die Eltern zu einem geringeren Preis als in Antalya.

Persönliche und individuelle (Nachhaltigkeits-)Beratung kann speziell für Reisebüros ein Wettbewerbsvorteil sein wie sie auch und gerade gegenüber der Online-Konkurrenz notwendig ist. So können neue Kundengruppen gewonnen werden und Kunden zu Stammkunden gemacht werden. Wichtig wäre laut Beyer, dass MitarbeiterInnen entsprechende Schulung aber auch technische Unterstützung erhalten, damit nachhaltige Reisebausteine und Angebote während des Beratungsgesprächs auf Knopfdruck gefunden und kundengerecht kommuniziert werden können.

„Tourismus lebt von intakter Natur und Kultur. Wer sich nicht um dessen nachhaltige Entwicklung kümmert, schneidet sich ins eigene Fleisch“ meint Beyer abschließend. Global betrachtet sei dies im ureigensten Interesse der Branche, unabhängig von der Nachfrage durch die KonsumentInnen.

Wenn ein Flug notwendig ist - wie mache ich ihn „grüner“?

  • Fliegen Sie nur Strecken, die weiter als 700 km entfernt sind
  • Buchen Sie möglichst Direktflüge ohne Zwischenlandungen
  • Es gibt Airlines, die „grüner“ sind als andere
  • Nutzen Sie für den Transfer zum Flughafen die Bahn
  • Kompensieren Sie die CO2 - Emissionen ihres Fluges
  • Bleiben Sie mindestens 10 Tage vor Ort
Die Weltkarte zeigt in Kreisen von gelb über grün bis rot, ausgehend von Europa, für welche Destinationen es sinnvoll ist, zu fliegen.
Quelle: atmosfair

Marketing- und Verkaufstipps für Hotels und Destinationen

  • Das Produkt muss erkennbar nachhaltig sein und im Mittelpunkt stehen, und nicht das (nachhaltige) Unternehmen. Das wird oft falsch gemacht.
  • Bevormunden Sie Ihre Kunden nicht. Es geht nicht um den moralischen Zeigefinger. Arbeiten Sie nicht mit Verboten sondern zeigen Sie Alternativen auf.
  • Vermeiden Sie den Begriff Nachhaltigkeit und sagen Sie stattdessen konkret worum es geht: regionale Küche, umweltfreundlicher Verkehr,…
  • Machen Sie deutlich, dass Sie für Werte stehen: Einhaltung der Menschenrechte, Umweltschutz,…
  • Finden Sie dafür das richtige Wording mit klaren glaubwürdigen Botschaften. Erzählen Sie Geschichten (Storytelling): Bilden Sie den lokalen Fischer ab, dessen Fische die Gäste dann auf der Speisekarte finden. Entwickeln Sie eine attraktive Bildsprache.
  • Zeigen Sie und leben Sie, dass Nachhaltigkeit keine Spaßbremse ist!
  • Wenn Sie Fakten transportieren wollen: Bringen Sie nicht die nackten Zahlen sondern setzen Sie sie ins Verhältnis: so viele CO2 Emissionen eingespart – das entspricht einem ganzen Jahr Auto fahren.
  • Berücksichtigen Sie die Grundsätze: ehrlich, transparent und glaubwürdig. Kein touristisches Produkt ist hundertprozentig nachhaltig! Zeigen Sie plakativ auf, was Sie machen und dass Sie auf dem Weg sind, sich immer weiter zu verbessern.. So verhindern Sie den Verdacht des Greenwashing.
  • Achten Sie auf eine „One voice policy“. Das beginnt bei der Geschäftsführung bis zu den MitarbeiterInnen und retour. Nachhaltigkeit muss Teil der Geschäftsphilosophie sein.

Matthias Beyer, geschäftsführender Gesellschafter und Mitbegründer der mascontour GmbH.

Aus seiner Leidenschaft zum Reisen machte er einen Beruf und gründete 2005 das Beratungsunternehmen mascontour, das nachhaltige Lösungen im Tourismus für Destinationen, touristische Unternehmen, die Entwicklungszusammenarbeit sowie die Tourismuspolitik entwickelt. Bisher war das Unternehmen in über 40 Ländern tätig. Neben der Veröffentlichung von Fachpublikationen zum nachhaltigen Tourismus arbeitet er als Dozent an der Hochschule Bremen. Er ist Mitglied des Ausschusses „Nachhaltigkeit“ beim Deutschen ReiseVerband (DRV) sowie im Sustainability and Social Responsibility (SSR) Committee der Pacific Asia Travel Association (PATA).