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Matthias Zawichowski, carsharing Österreich (CSÖ)

mit Niko Fischer, Renate Brandner-Weiß, Martin Tschurtschenthaler, Max Orlowski, Martin Auer und Norbert Rainer.

"Wir wollen ein wesentlicher Teil der Mobilitätswende sein."

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Zawichowski Matthias Foto: Maria Hoermandinger

Das Netzwerk carsharing Österreich - das sind 26 carsharing-Betriebe mit mehr als 3.000 Kundinnen und Kunden wurde ausgezeichnet weil sie mehrheitlich im ländlichen Raum das Teilen von E-Fahrzeugen anbieten. Bislang wurden rund sechs Millionen Kilometer zurückgelegt und rund 1,2 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Die Autos werden ausschließlich mit Ökostrom geladen. Seit Juli 2021 gibt es einen betriebsübergreifenden Roaming-Tarif für einen Teil der Flotte. Die Verrechnung erfolgt durch den jeweiligen regionalen Partner vor Ort.

BUSINESSART: Was war das Schlüsselerlebnis dafür, dass Sie diesen Weg eingeschlagen haben?

CSÖ: Uns verbindet das Thema E-carsharing als ebenso spannendes wie herausforderndes Puzzleteil für zukunftsfähige Mobilität. Aufgrund der gleichen Geschäftstätigkeiten lernten wir uns immer besser kennen und beschlossen österreichweit zu kooperieren. Gemeinsam sind wir stärker! Unsere Kunden wollen und sollen österreichweit mobil sein. Daher wollen wir in ein verkehrsträgerübergreifendes Mobilitätsangebot in ganz Österreich schaffen und das Thema E-carsharing als wichtigen Beitrag dazu – gerade im und für die Mobilität im ländlichen Raum - tatkräftig positionieren. Außerdem haben alle carsharing-Betriebe ähnliche Herausforderungen, die wir besser und leichter gemeinsam bewältigen können. Nach etwas mehr als 2 Jahren können wir sagen, dass das auch wirkt und dass wir mit der Gründung des Dachverbands richtig gelegen sind.

Was sind die größten Herausforderungen?

carsharing ist kein einfaches Geschäftsmodell. Gerade in ländlichen Regionen ist der Gemeinnutzen im Vordergrund und als Nischenbetrieb nur schwer ein wirtschaftlich ausgeglichener Betrieb möglich. Daher geht es um eine Entwicklung in die Breite und dafür war von Beginn an klar, dass das gemeinsame Handeln und Agieren sinnvoll und notwendig ist. Wir sind eine vielfältige und differenzierte Gruppe von Akteur*innen, deren Organisation nicht trivial ist. Daher stellte sich die Herausforderung, wie eine solche Plattform dauerhaft geschaffen und finanziert werden kann.

Wie haben Sie sie bewältigt?

Einerseits unterstützt uns der Klimafonds großartig im Rahmen eines Leitprojektes. Andererseits wollen wir über Mitgliedsbeiträge, die die einzelnen Betreiber auch wirtschaftlich vertreten können, eine dauerhafte Basisfinanzierung aufstellen. Nichtsdestotrotz streben wir für Projekte bzw. Öffentlichkeitsarbeit auch die Zusage von Fördermitteln an. So hat zum Beispiel das Land Steiermark die Wichtigkeit des Themas erkannt. Unsere steirischen Mitgliedsbetriebe werden vom Land Steiermark gesondert unterstützt.

Was war Ihr schönstes Erlebnis auf diesem Weg?

Mit Abstand war das Highlight zuletzt, dass wir den VCÖ Mobilitätspreis im Jahr 2021 erhielten – sowohl den Preis in Niederösterreich, die Branchenauszeichnung (mobility as a service) als auch den Gesamtsieg. Diese Auszeichnung verhalf uns zur österreichweiten Bekanntheit. Wir verzeichnen aktuell ein großes Interesse und ein starkes Wachstum unserer Mitgliederzahl.

Wie hat sich die Akzeptanz von Carsharing-Systemen in den letzten Jahren entwickelt?

Jeder Anfang ist schwer: Da wir uns vor allem mit carsharing am Land beschäftigen, haben wir nicht so starke Nachfragedichten wie in einer Großstadt. Außerdem ist im ländlichen Raum der private PKW oft unverzichtbar bzw. auch ein Statussymbol. Da müssen wir noch viel tun, um die Akzeptanz von carsharing und anderen Mobilitätsdienstleistungen im Sinne einer zukunftsfähigen Mobilität zu heben. Wir sind aber überzeugt, dass es künftig ohne carsharing nicht gehen wird.

Ist das Angebot im ländlichen Raum ausreichend in Bezug auf die Nachfrage?

Aus Sicht des Angebots ist es nicht so. Aber diese Angebote bzw. die Infrastruktur dafür müssen kostenneutral zu finanzieren sein – das ist der Haken an der Sache. Die Errichtung eines neuen carsharing Standorts bedingt eine gewissenhafte Planung, um die Finanzierung von Elektrofahrzeug und Stromtankstelle inkl. aller Betriebskosten gewährleisten zu können.

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Roswitha Reisinger, BUSINESSART, Renate Brandner-Weiß und Matthias Zawichowski, carsharing, Christian Brandstätter, LEBENSART. Foto: Martina Draper

Die Preise für Benzin und Diesel sind in den letzten Monaten stark gestiegen. Hat das Auswirkungen auf die Nachfrage nach carsharing?

Generell steigt das Interesse an carsharing. Zum einen entwickelt sich das Angebot ständig weiter, zum anderen wurde mit dem Klimaticket eine preiswerte Öffi-Fahrkarte geschaffen, und da passt carsharing als Ergänzung perfekt dazu. Die Höhe der Treibstoffpreise ist natürlich ein Thema, aber nicht das einzige. Wir können daraus aktuell noch kein endgültiges Resümee ziehen, weil die Entwicklung hier sehr dynamisch ist. Fest steht, dass wir nur durch dauerhafte Kundenbeziehungen unsere Geschäftstätigkeiten vergrößern können.

Wer sind die typischen Kund*innen von carsharing?

Es gibt nicht den einen typischen Kunden bzw. typische Kundin. Das geht quer über alle Generationen. Die Nutzung geht von Einkaufen, über Ausflüge bis zu Dienstreisen oder Besuche bei Verwandten. Grundsätzlich agieren unsere Kund*innen umwelt- und preisbewusst. Deshalb ist der Preis immer wieder ein wichtiges Kriterium, um konkurrenzfähig zum eigenen Auto zu sein.

Gibt es in Ihrem Bereich Qualitätskriterien, auf die die Kund*innen achten sollten?

Grundsätzlich bedienen unsere Mitgliedsbetriebe ausschließlich Elektroautos, geladen mit Ökostrom. Daher ist aus Sicht der Nachhaltigkeit hier eine wesentliche Grundvoraussetzung geschaffen. Mit carsharing werden zusätzlich zu dem hohen Wirkungsgrad des Elektromotors die Anzahl der Fahrzeuge insgesamt reduziert, was zusätzlich wirksam hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasen und Ressourcenbedarf ist.

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Tschurtschenthaler Martin Foto: privat

Wie sieht Ihre Mitgliederstruktur aus? Sind es regionale Initiativen, Vereine oder Unternehmen? Wie viele Autos gibt es in den jeweiligen Fuhrparks?

Wir sind aktuell 26 Mitgliedsbetriebe (Stand September 2022) und in sieben Bundesländern vertreten. Die Betreiber sind großteils regional verankert, manche auch überregional tätig. Die Organisationsform der Betreiber ist sehr vielfältig und reicht von Vereinen über Gemeinden bis hin zu GmbH‘s bzw. Genossenschaften. Die Zahl der Fahrzeuge im Fuhrpark variiert von einem bis zu - 35 Elektroautos.

Was ist Ihr langfristiges Ziel?

Langfristig sollen die Partnerbetriebe von carsharing Österreich mit ihrer ökologischen und sozialen Mobilitätsdienstleistung ein bedeutender Partner im Mobilitätsnetzwerk Österreichs sein. carsharing ist nicht die alleinige Lösung für die Mobilitätswende, aber wir sind ein wesentlicher Teil, speziell für die so genannte letzte Meile im ländlichen Raum. Wenn carsharing als Teil des Mobilitätsmixes eines/r jeden einzelnen wahrgenommen und angenommen wird, haben wir unser Ziel erreicht.

Gibt es so etwas wie einen Leitsatz, ein Motto Ihres Lebens?

Matthias Zawichowski: Mein persönliches Motto seit mehr als 20 Monaten lautet: Nichts ist so wertvoll, wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist (Victor Hugo). Die Zukunft liegt nicht darin, dass man an sie glaubt oder nicht an sie glaubt, sondern darin, dass man sie vorbereitet (Erich Fried).

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Niko Fischer Foto: caruso

carsharing Österreich, Traismauer

Branche: Mobilitätsdienstleistungen, Bewusstseinsbildung

Anzahl der Mitarbeiter*innen: es handelt sich um insgesamt 26 Mitgliedsbetriebe, die großteils gemeinnützig unterwegs sind. Einzelne Betriebe sind gewerblich aktiv. Bei carsharing Österreich gibt es kein fixes Personal.

www.carsharing-oesterreich.at