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Nachhaltige GestalterInnen 2011

Sie überwinden Sachzwänge indem sie ungewöhnliche Wege gehen und Regeln verändern - die Nachhaltigen GestalterInnen 2011.

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Haben Sie schon von jemandem gehört, dass er unfair sein will? Nein? Wir auch nicht. Und doch gibt es unzählige Beispiele für gieriges, geiziges und ausbeuterisches Verhalten von Menschen und Unternehmen. Es reicht von unbezahlten Überstunden bis hin zur Kinderarbeit, von der Feinstaubbelastung bis hin zur Rotschlammkatastrophe. Warum kommt es soweit? Die Argumente kennen wir: Sachzwänge, Shareholdervalue oder Konkurrenzfähigkeit, die sonst gefährdet sei. Verstärkt werden diese Tendenzen durch die persönliche Wertehaltung der Menschen, die nach dem Motto „geiz ist geil“ leben.

Dass es auch anders geht zeigen die UnternehmerInnen und ManagerInnen, die wir Ihnen in dieser Ausgabe vorstellen. Sie überwinden Sachzwänge indem sie ungewöhnliche Wege gehen und Regeln verändern; sie sind innovativ, um konkurrenzfähig zu sein. Warum wählen sie diesen Weg und was gibt ihnen die Kraft dafür?

„Jeder Mensch hat seine Lebensaufgabe auf diesem Planeten. Ich will in meinem Wirkungskreis für ein zukunftsfähiges und achtsames Wirtschaften sorgen und sinnstiftende Arbeit ermöglichen“ erzählt Ernst Gugler. Dadurch könne er zeigen, dass dieser Weg möglich ist. Der Wunsch, etwas Richtiges, Sinnvolles zu tun zieht sich durch die Biographie aller GestalterInnen, wobei die Ausgangspunkte durchaus unterschiedlich sind. Für viele Pioniere waren ökologische Fehlentwicklungen, wie Atomkraft, Wasser- oder Luftverschmutzung Auslöser, sich zu engagieren. Dazu kommt die Erkenntnis, dass jeder Einkauf mittlerweile eine globale Geschichte erzählt. Das Sojafutter für das Rindsschnitzerl kommt aus Brasiliens Regenwald, T-Shirt und Handy werden in China unter den bekannten Arbeitsbedingungen produziert, der Elektroschrott landet in Ghana. „Alles Leben auf diese Erde ist miteinander verbunden“ meint Gugler „Wenn wir das verstehen, wird es uns nicht egal sein, wie unsere Klamotten in China hergestellt werden.“ Diese ganzheitliche Betrachtungsweise – Lebensqualität vor Ort, aber auch weltweit und die Verbindung von Umweltschutz, sozialer und ökonomischer Verantwortung – verbindet die GestalterInnen.

Geschäftschancen
Am Anfang neuer Geschäftsideen stehen häufig Überlegungen, Risiken zu minimieren und Ressourcenengpässen vorherzusehen – auch bei nachhaltigen UnternehmerInnen. Josef Zotter „Irgendwann habe ich mich erinnert, dass Lebensmittel nicht im Lager des Supermarktes wachsen sondern meistens noch draußen beim Bauern, und dass es riskant sein könnte, wenn man nicht gut mit ihnen umgeht.“ Ähnlich wird das bei REWE-International gesehen. Zukunftsszenarien hätten gezeigt, dass Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsfaktor werden wird. REWE reagiert darauf, indem das Angebot der ökologischen Produkte ausgeweitet, Energie eingespart und Mitarbeiter in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Reparieren statt wegwerfen ist schon lange ein Anliegen bewusst lebender KonsumentInnen. Allein die Kundendienste der Herstellerfirmen haben kein Interesse am Reparieren meint Sepp Eisenriegler vom R.U.S.Z „Sie fungieren lediglich als verlängerter Arm der Verkaufsabteilungen.“ Das R.U.S.Z nützt diese Marktlücke und bietet gleichzeitig Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.


Die Faziniation das Leben lebenswert zu gestalten
Nachhaltige GestalterInnen wollen gestalten, etwas bewegen und verbessern. Es fasziniert sie, mit der eigenen Arbeit, dem eigenen Unternehmen die wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Strukturen ändern zu können: „Wir können im Bereich der erneuerbaren Energiegewinnung tatsächlich Veränderungen herbeiführen. Damit leisten wir einen Beitrag zu Krisensicherheit, Unabhängigkeit und Auflösung zentraler Strukturen“ meinen Horst Ebner und Gudrun Stöger von oekostrom. Nachhaltiges Handeln wird als Herausforderung erlebt, die es zu meistern gilt und die vielfach auch lustvoll gemeistert wird. Besonders auffallend war für uns, dass aus allen Antworten kein „jammern“ zu lesen oder zu hören war. Alle GestalterInnen sind Menschen mit Energie, Ausstrahlung und Tatkraft, die die Herausforderungen erkennen und dann konsequent handeln.

Dialog zwischen Unternehmen und KundInnen
Nachhaltigkeit sei als Begriff mittlerweile sicherlich allgemein bekannt, meinen die GestalterInnen. Immer mehr Menschen gehen bewusste und verantwortungsvoll mit Mensch und Natur um. Klar sei aber auch, dass es eine noch größere Bewegung brauche. Dabei hoffen sie auf ein stärkeres Engagement der Zivilgesellschaft. Es brauche ‚Bottom-up’ - Aktivitäten, also Aktivitäten von Menschen wie du und ich, um Wirtschaft und Politik Gründe für nachhaltiges Handeln zu liefern. Notwendig seien Initiativen von Einzelpersonen, die im Dominoeffekt viele Menschen erreichen. Angie Rattay „Gerade in unserer Web 2.0 geprägten Welt kann man schnell einen Boom auslösen, siehe Nordafrika. Eine Anti-Plastiksackerl-Aktion wäre doch ein guter Anfang!“

Es gehe in erster Linie darum, den persönlichen Lebensstil – unsere Bedürfnisse und übersteigerten Ansprüche – an die begrenzten Ressourcen anzupassen und unser Leben so umzustellen, dass eine nachhaltige Entwicklung möglich wird. Das gelinge, indem man sich überlegt, was man braucht, um zufrieden zu sein. Gesundheit, erfüllte Beziehungen, Freude etc. liegen da weit vor Dingen, die man kaufen kann. Der erforderliche Wandel ist Fortschritt meint Rattay, denn er bedeute Ersparnis, Klugheit und Innovation. „Warum können wir auf den Mond fliegen, verpacken unsere Getränke aber noch immer in umwelt- und gesundheitsschädlichen Plastikflaschen?“

Was ist die Rolle der Unternehmen und der Politik?
Hier herrscht große Einigkeit: Unternehmen hätten verträgliche Produkte und Lösungen anzubieten. Die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die damit verbundene Verunsicherung werden als Chance und als Risiko gesehen. Mit den alten Rezepten, die auf Ressourcenverschwendung und „more of the same“ bauen, werde man nicht weiter ‚wurschteln’ können. Der Druck ist aber auch eine Chance, wenn er zu nachhaltigen Innovationen führt. Noch stelle es allerdings eine große Herausforderung dar, Verbündete zu finden, um mit nachhaltigen Modellen eine Erholung der Wirtschaft zu ermöglichen.
Interessant ist, dass die Politik in den Antworten der GestalterInnen praktisch nicht vorkommt. Warum das so ist – darüber kann man nur spekulieren. Die Unternehmen sehen sich selbst und die KonsumentInnen als jene, die den Wandel im Dialog vorantreiben werden. Allerdings werden in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten auch gesellschaftliche Widersprüche deutlich werden. SERI-Chef Fritz Hinterberger: „Sie sind unvermeidlich, aber wir wollen die Diskussion führen und gemeinsame Lösungen für ein größeres Ganzes finden.“ Zumindest hier sollte sich die Politik eine wichtige Rolle geben.
 

1. Ernst Gugler, gugler cross media

„Es wäre zwiespältig die privaten Werte beim Firmeneingang an den Nagel hängen. Wir versuchen Nachhaltigkeit in allen Ebenen unseres Hauses, in den Beziehungen zu unseren Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und Freunden zu leben.“ Der Melker Medienunternehmer, der neben einer Druckerei auch die größte Online- und Werbeagentur Niederösterreichs betreibt, ist nach wie vor Pionier der Branche und gibt unermüdlich den Takt vor. Eine Umweltzertifizierung alleine ist ihm zu wenig. „Ich sehe es als meine Lebensaufgabe, mich in meinem Wirkungskreis für ein zukunftsfähiges und achtsames Wirtschaften einzusetzen und durch unseren Weg zu zeigen, dass es möglich ist.“ Auf die Entwicklung von völlig schadstofffreien Druckprodukten, einzigartig in Europa wenn nicht sogar weltweit, ist er besonders stolz. Viele seiner Kunden kommen aus nachhaltigen Unternehmen. Sie haben ihn zum „Nachhaltigen Gestalter 2011“ gewählt.

2. Angie Rattay, neongreen, Erdgespräche
„Ich mag den Klimawandel nicht, ich mag keine pestizidbespritzten Lebensmittel essen und ich möchte saubere Luft atmen. Ich mag keinen Atommüll und ich möchte fair sein, besonders der Natur gegenüber.“ 2007 entwickelte die Wiener Grafik-Designerin eine „Gebrauchsinformation für den Planeten Erde“. Mit dem Verein Neongreen network will sie Bewusstseinsbildung zum Thema Natur- und Umweltschutz fördern. Die „Erdgespräche“ startete sie 2008 ehrenamtlich mit einigen Freunden. Jahr für Jahr ist es ihr und ihrem Team gelungen, spannende Persönlichkeiten nach Österreich zu bringen. 2011 Jahr füllten die „Erdgespräche“ die Redoutensäle der Wiener Hofburg und wurden zur größten grünen Vortragsveranstaltung Österreichs.

3. Horst Ebner & Gudrun Stöger, oekostrom
„Wir haben die Welt von unseren Kindern geliehen haben und daher schlicht und einfach eine Verpflichtung ihnen gegenüber.“ In der oekostrom Vertriebs GmbH sehen Horst Ebner als Geschäftsführer und Gudrun Stöger als Pressereferentin die Möglichkeit, in einem sehr wichtigen Wirtschaftsbereich Bewusstsein zu schaffen und an einer grundlegenden Systemänderung mitzuwirken. „Wir leisten damit einen Beitrag zu Krisensicherheit, Unabhängigkeit und Auflösung zentraler Strukturen und bieten allen KonsumentInnen die Möglichkeit, selbst im Alltag konkret und unkompliziert etwas für den Umwelt- und Klimaschutz zu tun.“

4. Monika Langthaler & Christian Nohel, brainbows
„Das Thema Nachhaltigkeit prägt unser berufliches Leben. Umweltschutz, Entwicklungshilfe, Ressourcen, die „Club of Rome“ Debatten - dem sind wir seit langem verbunden.“ Mit brainbows erstellen sie nachhaltige Konzepte für Unternehmen und Politik. Sie wollen unterschiedliche Interessen zusammen bringen und Brücken bauen.

5. Robert Rogner, Rogner Bad Blumau
„Es ist gesund, lustvoll, erfüllend, macht Spass und bereitet anderen und einem selbst Freude. Es nicht zu tun wäre deppert.“ In einer hart umkämpften Branche setzt Rogner das Thema Nachhaltigkeit konsequent in allen Bereichen durch. Mit der Etablierung der „gemeinnützigen badblumauer werkstätten" hat Rogner 2011 einen weiteren Meilenstein gesetzt.

6. Alfred Probst & Frank Hensel, REWE
„Wir möchten unseren Beitrag zu einer guten Entwicklung leisten“, beschreibt Hensel die Aktivitäten in den Bereichen „Grüne Produkte“, „Energie, Klima und Umwelt“, „MitarbeiterInnen“ und „gesellschaftliches Engagement“. Ein Beispiel ist das Programm PRO PLANET für nachhaltiges Obst und Gemüse. Alfred Probst steht als Motor hinter diesem Projekt.


7. Josef Zotter, Zotter Schokoladen
Bio & fair sind für den steirischen Schokoladenfabrikanten kein Geschäftsfeld, sondern eine innere Haltung. „Ich bin ein zufriedener Unternehmer und schätze es, so frei zu arbeiten und die vielen Visionen, die ich mir erdacht habe, auch umsetzen zu dürfen.“ Sein aktuelles Herzensprojekt ist der „Essbare Tiergarten“ der bereits im ersten Jahr mehr als 200.000 Besucher zählte.

8. Dr. Friedrich Hinterberger, SERI
„Wir verbrauchen zu viele Ressourcen und werden trotzdem nicht glücklich Die derzeitige Wirtschaftskrise ist der direkte Ausfluss dieser spürbar werdenden Grenzen.“ Ressourcenverbrauch und Lebensqualität sind die zentralen Themen seiner Arbeit. Er ist seit vielen Jahren „Motor der Nachhaltigkeit“, Vordenker und Vorreiter.


9. Christina und Georg Kindel
„Nach unserem Jahr in New York war uns klar, dass wir uns dem Thema Nachhaltigkeit widmen möchten. Wir wollen etwas verändern und möglichst viele Menschen erreichen.“ Mit der ersten „green expo“ im Juni 2011 ist ihnen das eindrucksvoll gelungen.

10. Sepp Eisenriegler, R.U.S.Z
„Wir dürfen nur soviel verbrauchen wie nachwächst. Alles andere ist Raubbau.“ Eisenriegler hat das Thema Reparatur um die soziale Komponente angereichert. Ehemals Langzeitarbeitslose bieten Produkte und Dienstleistungen an, die sozial Schwache dringend brauchen, um ein menschenwürdiges Leben zu führen.

Die Plätze 11 - 50 finden Sie hier

Zu den Gestalter*innen seit 2009.