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Schaffen wir die Wende Richtung Nachhaltigkeit?

Das haben wir 10 Nachhaltige Vorreiter*innen gefragt.

Jemand steht auf einem Weg, man sieht die Beine und Schuhe von oben. Rund um den Standpunkt weisen weiße Pfeile in verschiedene Richtungen.
Foto: iStock / Sergei Chekman

Fazit: Wir sind am richtigen Weg, aber es geht nicht rasch genug. Die einen hoffen, dass es sich ausgeht „weil es sein muss“, die anderen sind skeptisch. Fix ist, dass alle Gesprächspartner*innen ihren Teil zur Wende beitragen wollen.

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Christopher Schöpf, CEO & Founder e.battery systems GmbH

Das Thema Nachhaltigkeit ist in allen Branchen und Industrien angekommen. Trotzdem finde ich, dass vielfach an falschen Stellschrauben Nachhaltigkeit gedreht wird. Die Energiewende muss das zentrale Thema für alle Staaten, Organisationen und Forschungseinrichtungen sein. Wir hätten durch die Erreichung der CO2 Ziele die Möglichkeit dem Planeten und somit unseren Kindern und Enkelkindern eine Zukunft zu geben. Ohne reine Luft, reines Wasser und ohne einer Reduzierung/Beendigung der Klimaerwärmung hat alles nicht viel Sinn.

Werden wir den Wandel schaffen? Wenn ich das wüsste… ich werde meinen Teil dazu beitragen. Das steht fest.

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Matthias Zawichowski, carsharing Österreich, Traismauer

Es gibt viele Pioniere, aber in der Breite sind wir leider erst am Beginn, obwohl uns die Notwendigkeit bereits seit mehr als 20 Jahren bewusst sein sollte. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass Innovationen, die das Thema Nachhaltigkeit nicht mitdenken, keine Zukunft haben.

Sind wir rasch genug unterwegs?

Nein, bei weitem nicht – aber es sind viele Menschen bereit, mitzumachen. Es braucht bessere Rahmenbedingungen und viel mehr Bewusstsein für die Zusammenhänge und – leider noch immer Thema – das Ende von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen. Mit Klimaticket und CO2-Bepreisung sind jedoch zwei wichtige Projekte in Österreich realisiert worden. An der Weiterentwicklung dürfen wir konsequent arbeiten und damit auch die Möglichkeit für zukunftsfähiges, individuelles Handeln verbessern.

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Herta Stockbauer und Petra Ibounig‐Eixelsberger, BKS Bank

In Österreich sind wir in vielen Bereichen gut aufgestellt. Das Bewusstsein für faire Arbeits‐ und Produktionsbedingungen sowie Umwelt‐ und Klimaschutz ist da. Viele Unternehmen leisten bereits wertvolle Beiträge für eine nachhaltige Wirtschaft, Privatpersonen ändern ihren Lebensstil. Die BKS Bank unterstützt schon sehr lange den TRIGOS und ich bin Jahr für Jahr begeistert, welche tollen Initiativen in unserem Land gesetzt werden. Die BKS Bank betreibt das Bankgeschäft auch in Slowenien, Kroatien und der Slowakei. Hier merken wir, dass Nachhaltigkeit im Bankgeschäft erst am Beginn steht. Beispielsweise gibt es deutlich weniger nachhaltige Bankprodukte als in Österreich.

Der Weg ist sicherlich steinig und wird durch die vielen Krisen wie die Covid‐Pandemie, den unsäglichen Krieg in der Ukraine und die hohe Inflation nicht einfacher. Aber ich bin zuversichtlich, dass der Wandel gelingen wird. Der Krieg in der Ukraine wirkt ja auch als Beschleuniger bei der Energietransformation.

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Nicole Traxler, Two Next GmbH und Alles Clara, - Verein zur Entlastung pflegender Angehöriger

Eine gute und sehr schwere Frage in Zeiten von Pandemie, sich verstärkenden Naturkatastrophen und Energiekrise. Sicher nicht dort, wo wir als Menschheit stehen sollten und müssten, um unseren Planeten und damit unsere Lebensgrundlage zu bewahren.

Sind wir rasch genug unterwegs? Nein.

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Benedikt Narodoslawsky, Journalist, Falter

Das Thema ist gesetzt, die gesamtgesellschaftliche Umsetzung fehlt aber noch.

Wir sind unterwegs, das Ziel stimmt, aber das Tempo nicht.

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Stefan Eisinger-Sewald, GF KALLCO Development GmbH & Co KG

Die Klimaziele sind klar definiert, die Immobilienbranche ist sehr ambitioniert unterwegs. Im Übrigen werden wir alle aufgrund der vorherrschenden Krisen zur Nachhaltigkeit in allen Lebenslagen gezwungen ... hoffentlich nicht zu spät!

Global und realistisch betrachtet, wird sich die CO2-Neutralität bis 2050 nicht ausgehen.

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Mathieu Lebranchu, Green Roofs - Plantika GmbH

Ich möchte mich aus politischen und makroökonomischen Stellungnahmen raushalten, jedoch ist die Klimakrise eine reale und unmittelbare Gefahr, die es zu bewältigen gilt. Dies wird ein langer Weg und solange die Krise nicht überwunden ist, kann nicht genug darangesetzt werden, Lösungen zu finden.

Im Bezug auf die Klimakrise kann von „rasch genug“ keineswegs die Rede sein. Vor über 40 Jahren wurde auf den menschengemachte Klimawandel aufmerksam gemacht. Es wurden Milliardensummen verwendet, um Fakten zu diskreditieren, anstatt diesen Betrag in nachhaltige Industrien und Energien zu investieren.

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Natalie Glas, Umweltbundesamt

Wir haben die planetaren Grenzen nicht nur ausgereizt, sondern bereits deutlich überschritten. Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, wie etwa die Sachstandsberichte des IPCC, der Living Planet Report des WWF und der vom Umweltbundesamt erstellte nationale Umweltkontrollbericht belegen das eindrucksvoll mit Zahlen.

Der “Earth Overshoot Day“ (Welterschöpfungstag), der jährlich vom Global Footprint Network berechnet wird, ist heuer auf den 28. Juli gefallen. Das bedeutet, dass an diesem Tag bereits alle natürlichen Ressourcen verbraucht waren, die sich im Laufe eines Jahres regenerieren können. Das heißt umgekehrt, dass wir in einem Jahr die natürlichen Ressourcen von 1,75 Planeten Erde verbrauchen. Mit unserem Lebensstil hier in Österreich sieht die Situation allerdings noch einmal bedeutend kritischer aus: Wir verbrauchen jährlich die natürlichen Ressourcen von 3,5 Planteten Erde und haben unsere natürlichen Ressourcen heuer schon am 6. April aufgebraucht. Das ist in etwa so, als hätte man sein gesamtes Budget, das man für ein Jahr zur Verfügung hat, bereits bis zum 6. April ausgegeben. Danach lebt man auf Kredit, den man selbst nicht mehr zurückzahlen kann und mit dem man seine Kinder und Enkelkinder belastet. Das ist keine angenehme Vorstellung, entspricht aber leider den Tatsachen.

Wir sind eindeutig zu langsam unterwegs. Die Emissionen steigen weltweit immer noch und auch in Österreich sind wir noch weit davon entfernt, das 1,5°C Ziel zu erreichen. Dabei müssen ab 2025 die globalen Treibhausgas-Emissionen bereits deutlich sinken. In Österreich müssen wir bis 2030 rund die Hälfte unserer Emissionen einsparen (im Vergleich zu 2005).

Aber wir schaffen den Wandel. Ich bin mir da so sicher, weil wir keine Wahl haben. Wir müssen den Wandel zur klimafreundlichen und nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft schaffen. Denn wir alle wollen unseren Kindern und künftigen Generationen eine lebenswerte Erde hinterlassen.

Die Klimakrise und die Biodiversitätskrise werden zunehmend spürbar, für jede und jeden Einzelnen. Und die meisten wollen selbst etwas beitragen, um die Krise einzudämmen. Auch wenn wir noch weit weg sind vom Ziel, so gibt es bereits mehr und mehr Pionierinnen und Pioniere, mutige Menschen und Entscheidungsträger*innen, die vorzeigen, dass Nachhaltigkeit und ökonomischer Erfolg Hand in Hand gehen. Richtig gestaltet, wird der Wandel zur Erfolgsgeschichte und zu einem besseren Leben für alle führen. Nicht zuletzt zeigt die EU bereits vor, dass wirtschaftliches Wachstum bei gleichzeitiger Senkung von Treibhausgasemissionen möglich ist. Eine Analyse des Umweltbundesamts im Auftrag der Bundessparte Bank und Versicherung der WKÖ zeigt, dass in den Sektoren Energie, Mobilität, Gebäude und Industrie bis 2030 jährlich rund 16,2 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden müssen, um die neuen Klima- und Energieziele zu erreichen. Das Geld ist aber nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht gut investiert, denn es generiert zusätzliche Wertschöpfung und schafft bzw. sichert jährlich 70.000 Arbeitsplätze.

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Andreas Sator, Journalist

Es ist wahnsinnig viel in Bewegung. In vielen Städten, Dörfern, Unternehmen und Ländern tut sich so viel wie noch nie zuvor – mit neuen Radwegen, E-Bikes, PV- und Windanlagen, Mobilitätskonzepten, in der Ernährung und so weiter.

Wir sind aber definitiv nicht rasch genug unterwegs. Die Treibhausgasemissionen stagnieren, obwohl sie längst massiv sinken müssten. Die Politik traut sich leider zu wenig. In der Landwirtschaft wird das Problem eher noch größer als kleiner.

Ich achte bei Fleisch auf das Bio-Siegel, ich hätte aber gerne wie in Deutschland eine Tierwohlkennzeichnung. Ich hätte auch gerne ein staatlich standardisiertes Klima-Siegel auf den Verpackungen. Und ich hätte gerne in der Gastronomie die Information, wo die Produkte herkommen. Beim Einkaufen schaue ich auf Siegel wie etwa GOTS.

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Hans Holzinger, Robert Jungk Bibliothek

Wir wissen genug über die drohenden Gefahren – der aktuelle Club of Rome-Bericht spricht von einem „planetaren Notstand“. Wir kennen auch die notwendigen Zukunftswenden – von der Energie- und Mobilitätswende über die Ernährungs- und Stadtwende bis hin zur Konsum-, Arbeits- und Industriewende.

Wir wissen genug, aber nur wenige, insbesondere die jungen Menschen der Klimabewegung, öffnen sich emotional der Herausforderung, dass sich vieles ändern muss. Als ältere Generationen tun wir uns schwer, uns von etwas zu verabschieden, das wir als positiv erlebt haben – Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Ich nenne das „Konsumparadox“ – wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen, durch die Art wie wir leben, wirtschaften und konsumieren. Die jungen Menschen von Fridays for Future werfen uns zu Recht Gegenwartsversessenheit und Zukunftsblindheit vor.

Dazu kommt die Komplexitätsfalle. Niemand möchte, dass andere verhungern. Niemand möchte, dass wir unsere Lebensgrundlagen zerstören – aber was sollen wir als einzelne Bürger*innen oder Unternehmen schon dagegen tun? In einem online verfügbaren Arbeitspapier „Wann lernen Gesellschaften?“ für die Robert-Jungk-Bibliothek beschreibe ich psychologische, anthropologische, ökonomische und politische Hürden, aber auch Ansätze, wie Mehrheiten für das notwendig Neue gewonnen werden können. Link einfügen.

Sind wir rasch genug unterwegs?

Wenn man bedenkt, dass 80 Prozent des Weltenergieverbrauchs noch immer aus fossilen Quellen stammt, wenn weiterhin Regenwälder abgeholzt und fruchtbare Böden durch zu viel Kunstdünger und Monokulturen ausgelaugt werden, wenn die Kluft zwischen Reichen und Armen weiterwächst, dann lautet die Antwort klar „Nein“.

Aber die Zahl der Menschen, die erkennt, dass es so nicht weitergehen kann, steigt und diffundiert auch in Entscheidungsebenen. Gepaart mit neuen Technologien etwa im Bereich der Erneuerbaren Energien, der Speicherkapazitäten oder kohlebasierter Werkstoffe kann die Wende gelingen. Wir können es uns nicht leisten, daran nicht zu arbeiten und daran zu glauben. Wahrscheinlich werden wir eine stärkere Orientierung an den Grundbedürfnissen erleben. Putins Angriffskrieg auf die Ukraine bringt nicht nur unzähliges menschliches Leid und Zerstörung, er war auch ein Fingerzeig auf die Fragilität unserer Versorgungssysteme. Die aktuelle Verteuerung der Energie muss eine zusätzliche Motivation sein, so rasch als möglich auf dezentrale solare Energieversorgungsstrukturen umzusteigen – machbar ist das aber nur in einer „Solarspargesellschaft“.

In der Wirtschaftswelt und Politik nehmen wir nur wahr, was wir messen können. Erweiterte Indikatoren für Unternehmenserfolg sowie die Qualität einer Volkswirtschaft sind daher wichtig. Sie verändern die Wahrnehmung. Ebenso wichtig sind verbindliche Standards, an die sich alle Unternehmen halten müssen – dazu zählt das Ringen um Lieferkettengesetze ebenso wie Vorschriften für Ressourceneffizienz. Nur so sind nachhaltige Unternehmen im Wettbewerb nicht benachteiligt.