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Sylvia Brenzel, plenum

"Liebe, was du tust, und tue was du liebst – dann wird es gut sein".

Ihre ganz besonderen Stärken ziehen sich durch die Biographie ihrer Familie. Der Großvater, der in den 1930er Jahren von Deutschland nach Venezuela auswanderte und dort eine Existenz aufbaute, der Vater, der 1987 mit der Familie nach Wien kam um die Geschäftsführung von Agfa Gevaert zu übernehmen und Sylvia Brenzel selbst, die die großen Lerngänge der plenum Akademie wie „Quint.Essenz – Meisterklasse für Nachhaltigkeitsmanagement“ und „Pioneers of Change“ begründete und seit vielen Jahren leitet. „Ich spüre, dass ich scheinbar Widersprüchliches gut zusammenbringen und Brücken bauen kann.“ Und Menschen spiegeln ihr, dass sie sie gut begleiten und auf die richtige Fährte bringen kann. FAS Research und Ashoka haben sie kürzlich als eine der wichtigsten weiblichen Change-Makerinnen Österreichs identifiziert.

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Foto: Aleksandra Pawloff Aleksandra Pawloff

BUSINESSART: Gibt es Muster, die man bei Interessenskonflikten erkennen kann?

Brenzel: Ja, die gibt es. Im Vordergrund steht oftmals der Konflikt von Interessen. Das ist aber meist nicht das, worum es eigentlich geht. Im Hintergrund geht es oft um Herzensbedürfnisse, um Anerkennung, Wertschätzung, Liebe, darum, einen Beitrag leisten zu wollen und Nutzen zu stiften.

Wie sollen Menschen mit dem Scheitern umgehen?

Scheitern ist ein wichtiges Element in der Realisierung von Projekten. In unserer Kultur wird dieser Teil der Realität gern verdrängt. Dadurch werden die Schätze, die im Scheitern liegen, nicht gehoben. Große Visionen und Träume weisen in eine Richtung. Wenn ein Hindernis auftaucht – sei wach und erforsche, was es dir aufzeigen will. An dieser Stelle passiert Entwicklung.

Woran merkst du, dass ein Mensch oder ein Projekt zu fliegen beginnen?

Wenn die Menschen aus ihrer Authentizität heraus handeln, wenn sie die Stärken, die sie haben, ganz einbringen können und Freude an ihrem Tun haben. Dann werden sie auch standhalten, wenn Widerstände und Gegenwind kommen. Und wenn ihnen das Miteinander gelingt. Es braucht PartnerInnen um etwas auf die Beine zu stellen.

1987, mit 13 Jahren, kam Sylvia Brenzel nach Österreich – ihr Vater übernahm die Geschäftsführung von Agfa Gevaert. Und so verschlug es die Familie von Caracas nach Wien. Aufgewachsen in Venezuela, in einer Kultur der offenen Türen, erlebte sie in Europa eine weitaus kühlere Art des Miteinanders. Zudem sprach sie deutsch sehr deutsch – wie sie es vom Großvater, der in den 1930er Jahren von Deutschland nach Lateinamerika ausgewandert war, und den Eltern gelernt hatte. Der deutsche Akzent kam zur damaligen Zeit in Wien gar nicht gut an – Brenzel erlebte einen Kulturschock. „Ich konnte die Skepsis und Ablehnung in den Gesprächen damals nicht gut deuten und habe mir das sehr zu Herzen genommen“, erzählt sie. Zum Glück wurde sie in einer Klosterschule liebevoll aufgenommen und fand viele gute Freundinnen. Vor allem der kulturelle Reichtum Österreichs beeindruckte sie – Musik, Oper und Theater kannte sie bis dahin kaum. Auch dass Österreich weniger streng ist als Deutschland kam ihrer südamerikanischen Mentalität entgegen: „In Österreich lässt sich über das eine oder andere besser verhandeln.“

Brenzel studierte Handelswissenschaften an der WU, obwohl sie spürte, dass es nicht ganz das ihre war. Die vielen Sprachen machten ihr Freude. Die Umwelt- Konferenz in Rio 1992 und das daraus entstehende Leitbild Nachhaltige Entwicklung hätten sie durch das Studium geführt. „Mich haben immer die sozialen, ökologischen und pädagogischen Themen interessiert, weniger die klassischen Wirtschaftsfächer wie Finanzen oder Marketing.“ Und Wirtschaftsgeschichte: „Das war eines der schönsten Fächer. Wir haben uns mit dem Kern von Wirtschaft beschäftigt – das gute und achtsame Haushalten mit Ressourcen, den Austausch, und dass es darum geht, gemeinsam Mehrwert zu schaffen. Das begeistert mich heute noch.“

In ihren nächsten Stationen – ÖGUT, Forum Umweltbildung, Industriellenvereinigung, ÖIN, Gründung von plenum – arbeitete sie im Spannungsfeld von Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. „Ich habe gespürt, dass ich scheinbar Widersprüchliches gut zusammenbringen und Brücken bauen kann.“ Das Leben fragt, dein Handeln ist die Antwort (Viktor Frankl). Ein gelebter Ausdruck dieses Mottos ist z.B. das Projekt Mentoring Refugees. „Als Österreich 2015 mit einer Welle geflüchteter Menschen konfrontiert war, habe ich aktiv gefragt was ich als Sylvia tun kann. Entstanden ist ein Projekt, in dem wir heute qualifizierte Menschen mit Fluchtbiographie in den österreichischen Arbeitsmarkt begleiten.“

Gibt es Muster, die man bei Interessenskonflikten erkennen kann?

Ja, die gibt es. Im Vordergrund steht oftmals der Konflikt von Interessen. Das ist aber meist nicht das Wahre worum es eigentlich geht. Im Hintergrund geht es oft um Herzensbedürfnisse, um Anerkennung, Wertschätzung, Liebe, darum, einen Beitrag leisten zu wollen und Nutzen zu stiften.

Auch in der Arbeit?

Ja, auch in der Arbeit. Das mag naiv klingen. Doch ich erlebe, dass es dort wo es hakt, meist um menschliche Themen geht. Eine herzliche Professionalität im Business ist möglich! Kunden und Lieferanten sind Partner und keine Gegenspieler. Es kommt darauf an, mit welchen Werten du deine Rolle (z.B. als Dienstleisterin) erfüllst. Mit einer Werthaltung des einseitigen Profits oder mit einer Werthaltung des Benefits für beide Seiten.

Freda Meissner Blau war eine wichtige Mentorin für dich?

Sie hat mir unzählige wichtige Inspirationen mitgegeben. Bei den Pioneers of Change war sie als Schirmpatin und Mutmacherin dabei, sie war mir ein großes Vorbild. Sie hat sich nicht so schnell mit meinen Antworten zufriedengegeben, wenn sie mich nicht ganz gespürt hat dabei, sie hat mich als junge Frau damals gefördert und gefordert. Sie hat mir vermittelt: „Lass dich nicht unterkriegen, stehe zu deiner Meinung und zu dem, was dir wichtig ist.“ Ich habe sie dafür bewundert, dass sie auf eine freundliche, achtsame Art ihren Standpunkt und ihre Wahrheiten ganz klar ausdrücken konnte und dann versucht hat, von diesem Standpunkt aus in den respektvollen Dialog mit dem Gegenüber zu gehen.

Ist es wichtig, von älteren Menschen zu lernen?

Man muss nicht jeden Fehler selber machen – von Älteren kann man ganz viel lernen, so wie ich von meinen Eltern und Großeltern und insbesondere von Gisela Bosch, Susanne Patzleiner-Rieser und Peter König lernen durfte. Auch in unseren Lerngängen laden wir daher zu Kamingesprächen mit lebenserfahrenen Menschen ein, die offen über ihr Leben, ihre Erfolge und ihr Scheitern erzählen. Von ihnen können wir mehr lernen als nur aus dem Lehrbuch. In unserer Gesellschaft wird oft übersehen, dass die Alten eine ganz wichtige Stimme sind, wenn es um Enkeltauglichkeit und unsere Zukunft geht.

Was treibt dich an?

Ich habe im Laufe meiner Arbeit gemerkt, dass mir die Moderation von Gruppen, die Begleitung von Teams, die Konzeption von Bildungsangeboten leicht von der Hand geht. Menschen spiegeln mir, dass ich sie gut begleiten und auf die richtige Fährte bringen kann. Ich erkenne selbst meine Qualitäten und Kompetenzen, das macht Spaß und die Welt braucht‘s.

Wenn du heute eine Zwischenbilanz ziehst – was hast du erreicht? Bist du zufrieden?

Ich bin zufrieden mit dem, was ich bis jetzt schon alles erreicht habe. Ich erlebe immer wieder Menschen, die auf mich nach Jahren zukommen und erzählen, dass unser Gespräch in ihrem Leben viel verändert hat. Die Ernte meines Tuns fängt jetzt erst so richtig an, wenn ich solche Rückmeldungen erhalte, sehe wie die Augen strahlen und Menschen ihren Weg gefunden haben.

Woran merkst du dass ein Mensch oder ein Projekt zu fliegen beginnt?

Wenn die Menschen aus ihrer Authentizität heraus handeln, wenn sie die Stärken, die sie haben, ganz einbringen können und Freude an ihrem Tun haben. Dann weiß ich, dass sie sich eigenständig weiterentwickeln werden und auch standhalten, wenn Widerstände und Gegenwind kommen.

Und wenn ihnen das Miteinander gelingt. Es braucht PartnerInnen und HelferInnen, um etwas auf die Beine zu stellen.

Nicht alles kann gelingen. Wie sollen Menschen mit dem Scheitern umgehen?

Scheitern ist ein wichtiges Element in der Realisierung von Projekten, weil man aus den Erfahrungen unglaublich viel lernen kann. In unserer Kultur wird dieser Teil der Realität gern verdrängt. Dadurch werden die Schätze, die im Scheitern liegen, nicht gehoben. Bei unseren Team- und Projektbegleitungen haben wir einen Zugang dazu gefunden. Wir sagen: probiere es aus, scheitere früh und lerne schnell. Große Visionen und Träume weisen in eine Richtung. Ein mögliches Scheitern darf als Teil des Prozesses gesehen sein. Wenn ein Hindernis auftaucht – sei wach und erforsche, was es dir aufzeigen will. An dieser Stelle passiert transformatives Lernen und Entwicklung. Klar ist: wo Licht ist, ist auch Schatten. Sich der Schatten bewusst zu sein, macht Möglichkeiten auf. Wir thematisieren das in unseren Trainings, das soll unsere TeilnehmerInnen ermutigen, rasch erste Schritte zu setzen und sich in Bereiche des Nicht-Wissens zu trauen. In den letzten zwei Jahren habe ich mit drei europäischen Partnerorganisationen hilfreiche Methoden und Interventionen dazu zusammengetragen.

Hat sich der Zugang zum Scheitern in Österreich verbessert?

Ja, ich denke schon. Heute erkennt man das Potential dahinter. Immerhin.

Wie soll sich Nachhaltigkeit weiterentwickeln?

Wir alle haben Nachhaltigkeit buchstabieren gelernt. Jetzt könnten wir als gesamte Menschheit noch mehr in die Wirkung und ins Tun kommen. Das muss nicht Nachhaltigkeit heißen, doch es soll eine nachhaltige Werthaltung drin haben. Ob die Realisierung und Vertiefung gelingt, hat viel mit uns selbst zu tun. Ich wünsche mir, dass wir Menschen in unsere ganze Kraft kommen. Dass es uns gelingt, in „gesunder“ Weise zu Wirtschaften, wodurch es uns und anderen gut geht. Lasst uns die Herausforderungen unserer Zeit meistern! Nicht mit Ängste schüren und Katastrophenpädagogik, sondern vielmehr mit allem dem was wir können – mit unseren sozialen Kompetenzen, unseren Netzwerken, unserem Wissen und unserer Weisheit. Wir vermögen viel, davon bin ich zutiefst überzeugt.

Was wünschst du dir von der neuen Regierung?

Sie möge Altes, Verkrustetes aufbrechen und auch für jene nahbar sein, die sie nicht gewählt haben. Sie möge die Kultur des Gegeneinanders beenden und eine Kultur des aufeinander Hörens einüben. Von uns mündigen Bürgerinnen und Bürgern, erwarte ich mir eine aktive politische Beteiligung und Wachheit.

Wir dürfen uns trauen Vieles neu zu denken und vor allem eine Kultur des Miteinanders zu entwickeln. Man muss nicht einer Meinung sein, aber man kann miteinander reden.

Wo siehst du dich in 10 Jahren?

Vor 10 Jahren haben wir unsere Firma plenum gegründet und seither zahlreiche Menschen und Unternehmen inspiriert und begleitet. In 10 Jahren wünsche ich mir, die zentralen Hebelpunkte für eine nachhaltige Gesellschaft noch besser erkannt zu haben, damit ich tiefer in meine Mentorinnenrolle schlüpfen kann.

Vor 10 Jahren haben wir unser Wohngemeinschaftsprojekt pomali gestartet. Damals waren wir ein Pionierprojekt in Österreich. In 10 Jahren möchte ich immer noch in pomali leben und gut verbunden sein durch ein Netzwerk vieler weiterer Gemeinschaftsprojekte.

Was ist deine Leidenschaft?

Eine meiner Leidenschaften ist Länder und Kulturen kennenzulernen. Das Abenteuer Leben hat für mich viel mit Reisen zu tun, sei es beim mehrere tausend Jahre alten Schaftrieb über die Ötztaler Berge dabei zu sein oder Longomai, ein Nachhaltigkeits-Pionierprojekt in Costa Rica zu besuchen, und zu schauen, was wir voneinander lernen können.

Mag.a Sylvia Brenzel

  • Geboren am: 2. Juni 1974 in Caracas, Venezuela
  • Ausbildung: Studium der Handelswissenschaften an der WU Wien, akkreditierte CSR-Managerin, Coach und Trainerin nach der FUTURE Methode, Heilkräuterfachfrau, Peter Koenig International Master Class for Money and Source Work
  • Berufsweg: Forum Umweltbildung, Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT), ÖIN (Österreichisches Institut für Nachhaltige Entwicklung), ASD (Austrian Business Academy for Sustainable Development), plenum – gesellschaft für ganzheitlich nachhaltige entwicklung
  • In einer Studie von FAS Research und Ashoka wurde sie als eine der wichtigsten weiblichen Change-Makerinnen Österreichs identifiziert.
  • Motto: Liebe, was du tust, und tue was du liebst – dann wird es gut sein.
  • www.plenum.at | pioneersofchange | pomali.at | hostingtransformation.eu