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Transformation travels at the speed of trust

Wie Unternehmen mit großen Veränderungen umgehen.

CHANGE SURVEY 2025
Gestaltung: LIGA Graphic Design, Hintergrundbild: getty images

„Die Welt spielt verrückt.“ „Alles ist unplanbar geworden“. Das sind typische Antworten von Manager*innen, die wir im Frühjahr 2025 zu den aktuellen Herausforderungen befragt haben. Wir leben in einer Welt voller Veränderungen und Multikrisen, aber auch Chancen. Es ist eine Zeit des Übergangs, der Disruptionen, eine Zeitenwende.

Unsicherheit, Unplanbarkeit und Veränderung sind allgegenwärtig. Obwohl wir dies schon vor 30, 20 und 10 Jahren und zuletzt während der Covid-Pandemie gesagt haben, ist heute vieles anders. Die Ursache liegt in der Gleichzeitigkeit des enormen gesellschaftlichen sowie ökologischen Wandels und der Veränderung des Wirtschaftssystems. Das war in dieser Intensität und Geschwindigkeit noch nie der Fall.

Das politische System, das einen Rahmen bilden sollte, schwankt. Selbst scheinbar sichere Errungenschaften wie Demokratie, freie Medien oder die Entflechtung von wirtschaftlicher und politischer Macht sind im Wanken. Dies führt zu einem Klima der Unsicherheit, Angst und sogar einer Sinn-Erosion, die John Vervaeke als „The Meaning Crisis“ bezeichnet. Gleichzeitig werden in dieser Phase, auch Dekadenz genannt, Paradigmen und Glaubenssätze brüchig und veränderbar – das eröffnet neue Chancen und Perspektiven. Beides zeigen wir in diesem Artikel und dieser Ausgabe auf – und auch, wie Changemaker*innen und Organisationen erfolgreich damit umgehen können.

Die Herausforderungen

Unsicherheit/Unplanbarkeit sind überall angekommen: Die Auswirkungen von Klimakrise und Energiewandel sind in den Unternehmen angekommen – von der Lebensmittelbranche bis zur produzierenden Industrie. Unklare und wechselnde Strategien von Politik und Behörden dynamisieren diese Situation.

KI und neue Technologien disruptieren: Die Frage, wie neue Technologien adäquat und wertschöpfend einsetzbar sind, ist keine triviale und noch lange nicht beantwortet.

Finanzthemen und Kostendruck steigen drastisch: Liquiditätsengpässe, steigende Rohstoffpreise bis hin zu hohen Lohnabschlüssen: die Sparnotwendigkeiten haben sich in vielen Unternehmen massiv erhöht.

Arbeitsmarkt und Personalsituation sind angespannt: Mitarbeitende finden und halten, Generationenwechsel und Pensionierungen, Nachbesetzung von Schlüsselkräften – die Antworten sind erwartbar und schon länger bekannt.

Kund*innen agieren kurzfristiger und sparen: Kund*innen reagieren spontaner und machen vor allem das B2B-Geschäft volatiler und unplanbarer. Investitionen werden viel genauer und vorsichtiger getätigt. Im B2C-Business macht vor allem die steigende Sparneigung Investitionen schwieriger. Ein Cocktail, der Wachstum massiv behindert.

Die Chancen

Die Umfrage bestätigt die Erfahrungen aus der systemischen Beratung und zeigt, dass sich für die Gesellschaft und für Unternehmen, deren Führungskräfte gestaltend agieren, viele Chancen auftun:

Chancen für die Gesellschaft/das Wirtschaftssystem: Die Energiewende kann eine Transformation hin zu einer CO2-neutralen, umweltfreundlicheren Wirtschaft bewirken. Ein Zusammenrücken ist beobachtbar, sowohl geographisch als auch über die steigende Bedeutung von Kooperationen/Netzwerken. Die Disruption könnte Leitindustrien (in Europa) stärken.

Chancen für die Unternehmen: Über Vernetzung und Partnerschaften können neue Wege gegangen werden. Der Druck macht möglich, dass Unternehmen dynamischer und schneller werden, indem Entscheidungen rascher getroffen und Prozesse geschärft werden. Unternehmen können spezifische Nischen besser nutzen bzw. ausbauen, denn der Weg raus aus der Routine, um neue Ideen zu entwickeln, auszuprobieren und zu lernen, fällt leichter. Neu-/Reorientierung ist gefragt: Fokussierung, Strategie, Geschäftsmodelle und Produktportfolios werden hinterfragt und neu gedacht. Kurz: Es wird leichter, alte, weniger nützliche Muster zu verändern und Dinge zu beenden, die schon längere Zeit verändert werden sollten.

Schmerzpunkte in den Unternehmen

1. Strategische Unternehmenssteuerung

Geschäftsmodelle müssen neu gedacht und näher an die Märkte und Kund*innen gerückt werden und der Fokus muss auf Effizienz und Effektivität liegen. Entscheidend ist die evidenzbasierte (warm-data-basierte) Steuerung der eigenen Organisation, um besser fundierte Entscheidungen treffen zu können.

2. Führung

Es braucht eine Neudefinition des gemeinsamen Verständnisses von Führung und neue Glaubenssätze wie „Everyone is a Leader, Everyone is a Change Maker“. Entscheidungen sollten dezentraler und näher an den Kund*innen getroffen werden. Die Arbeit an den persönlichen Glaubenssätzen und organisationalen Mustern wird wichtiger.

3. Vernetzung

Durch Netzwerke und Partnerschaften, das Bauen und Halten von stabilen Beziehungen wird das eigene Ökosystem gestärkt. Dabei gilt für stabile Partnerschaften in der Lieferkette genauso wie für die Beziehungen mit Mitarbeitenden und Kund*innen. Communities („Fanbase“) rund ums Unternehmen sollen aufgebaut werden.

4. Digitalisierung

KI-Lösungen müssen auf die Anforderungen, Besonderheiten und Logik des eigenen Unternehmens angepasst werden. Was soll digitalisiert werden und was nicht? Wie können wir KI nutzen, um auf Veränderungen am Markt zu reagieren? Und wie können wir den Umgang mit und das Nutzen von neuen Technologien fördern? Diese Übersetzungsleistung fordert Führungskräfte.

Wie kann eine Transformation gut bewältigt werden?

Unternehmens-Steuerungs-Modell: Vision, Organisations-Design, Beitrag zur Welt, Wurzeln/Bewusstsein, Business Modell
Gestaltung: LIGA Graphic Design

Kräftige Bilder einer guten Zukunft

Change braucht „a story that moves us“ – ein kräftiges, verkörpertes Narrativ einer Zukunft, in der die Organisation kräftig, zuversichtlich und kompetent auf den Märkten auftreten, mit ihren Kund*innen interagieren und dafür die bestmöglichen Produkte und Services abliefern kann.

Solange Entwürfe fehlen, die tatsächlich die Menschen in der Organisation bewegen, die so zu ihnen sprechen, dass sie diese in ihrer täglichen Arbeit verkörpern (quasi automatisch umsetzen und leben) können, wird ein großes Ziel, eine Vision keine Chance auf Umsetzung haben. Dabei ist es weniger relevant, was auf dem Papier steht, wichtiger ist wie die Vision entstanden ist. Können die Key Player in einer Organisation fühlen und denken, wo es hingehen soll, dann werden sie eine ungleich größere Chance haben, diese zu leben und dann mit vielen gemeinsam an dieser Story mit voller Kraft arbeiten.

Die Firma Weitzer beispielsweise hat sich aus dem traditionellen Geschäft mit Holzböden heraus folgende Frage gestellt: „What if we redefined and changed wood”. Ein exzellentes Beispiel, wie man mit Glaubenssätzen arbeiten kann: „Wenn wir Holz neu denken, bis es keine Grenzen mehr kennt, stoßen vielleicht auch unsere Ressourcen nicht an ihre Grenzen.” Holz zu einem überall verwendbaren Rohstoff zu machen, leitet die Firma seither auf ihrem Weg. Da der Rohstoff durch die Arbeit verwendbar wie etwa Stahl geworden ist, entstehen ganze Innenausstattungen von Autos genauso wie Teile in Hochgeschwindigkeitszügen. Aus nachwachsendem Rohstoff, CO2 neutral und gut für uns alle.

Fokus auf Ressourcen

Gerade in schwierigen Zeiten und unter hohem Druck ist es wichtig, die vorhandenen Ressourcen bewusst in den Blick zu nehmen. Mit Ressourcen meinen wir nicht nur Zeit und Geld, sondern alles, was für eine Veränderung hilfreich und unterstützend sein kann. Wie zum Beispiel Kompetenzen und Haltungen, Allianzen oder unterstützende Entwicklungen im Inneren der Organisation, aber auch in der Gesellschaft. Mit „positive change“ ist keine Bewertung gemeint, sondern – „positiv“ abgeleitet vom lateinischen „ponere“ (setzen, stellen legen) – eine Veränderung, die das Vorhandene gut im Blick hat und gezielt nutzt. Ist sich eine Organisation ihrer Ressourcen bewusst, wird Energie frei, es entsteht Zuversicht. Und damit der Mut, auch tiefgreifende Veränderungen rechtzeitig anzupacken.

Muster und Glaubenssätze in den Blick nehmen

In der hohen Dynamik der Welt werden die nötigen Veränderungen immer tiefgreifender. Schlichte Optimierungen innerhalb der bestehenden Logik reichen nicht nur nicht aus, um noch antwortfähig zu bleiben. Ein Verharren in der alten Logik kann sogar gefährlich sein, weil es notwendige Veränderungen verzögert und die Menschen mit Scheinaktivität einlullt.

Tiefgreifende Veränderungen machen Veränderungen unserer Muster notwendig. Und dann ist Kultur nicht mehr Kontext, sondern auch selbst Gegenstand der Veränderung. Dann gilt es, eingeübte, aber unbewusste Muster und Glaubenssätze beschreibbar und besprechbar zu machen und infrage zu stellen. Die Brille, durch die wir auf die Welt sehen, muss auch selbst in den Blick genommen werden.

Beteiligung

Um große Veränderungen erfolgreich umzusetzen, braucht es das Mitwirken möglichst vieler Menschen. Damit wird ihre frühe und breite Beteiligung in Veränderungsprozessen noch stärker zum Erfolgsfaktor als bisher. Menschen unterstützen Ideen, Visionen, Prozesse, wenn sie mitgeholfen haben, sie zu erschaffen. Dafür bietet sich die Arbeit in dialogischen Großgruppenformaten wie Real-Time-Strategic-Change-Conference, Future Search, Open Space etc. an. Gleichzeitig braucht es mehr dialogische Kommunikation statt reiner Information.

Von B2B zu B2B und B2C: Bisher hatte das mittelständische Unternehmen seine Produkte ausschließlich über Zwischenhändler verkauft (B2B). Zunehmend wurden die Produkte für Gewerbetreibende und Händler optimiert. Die Herausforderungen und der Bedarf der eigentlichen Nutzer*innen ging nahezu verloren, weil es keinen direkten Kontakt gab. Deshalb sollten nun Konsument*innen auch direkt angesprochen werden (B2C). Ein fundamentaler Umbau des Business Modells und infolge der Strukturen und Prozesse wurde notwendig, neues Knowhow musste aufgebaut werden. Dafür wurden die Mitarbeiter*innen sehr früh und umfassend am Prozess beteiligt: Die neue Story, ein neues Leitnarrativ, das die Menschen bewegte, wurde gemeinsam entwickelt. Das war entscheidend, denn auch die Bedenken waren groß: „Wir haben doch gar kein Know-how, um mit den Endkunden zu reden, wir sind doch Produktbauer“. Die Veränderung gelang: Es wurden Sales-Einheiten und Flagship-Stores aufgebaut, um neue Gesamtlösungen für Endkunden zu schaffen. Im Endeffekt konnten durch eine verbesserte Lieferkette sogar wesentliche Schritte Richtung C02-Neutralität gesetzt werden.

A space that holds us

All dies braucht einen Rahmen, der hält, „a space that holds us“ – einen Rahmen, der Vertrauen entstehen und wachsen lässt. Denn Vertrauen ist die wichtigste Ressource in Veränderungsprozessen, oder anders gesagt: „Transformation travels at the speed of trust.“ Wer sich in einer Changemaker- oder Leadership-Rolle befindet muss zunächst einmal in sich selbst Vertrauen und Halt finden. Das bedeutet, die eigene Unsicherheit auszuhalten, mit Ängsten (ja, alle Menschen haben Ängste) umzugehen, sie nicht zu leugnen, sondern sie zu erkennen, anzunehmen und durch diese Phase durchzugehen. Das ist entscheidend. Denn Zuversicht entsteht erst, wenn wir uns mit dem Schwierigen beschäftigt haben. Brene Brown nennt dies „Braving the wilderness“. In Zeiten extremer Turbulenzen wird dies zur wichtigsten Ressource und damit auch zum Wettbewerbsfaktor. Neben dem Vertrauen in uns selbst, braucht es Vertrauen in andere (kollektives Vertrauen) und Vertrauen in Prozesse, wie zum Beispiel die Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen. Ein Erfolgsgeheimnis, um Vertrauen aufzubauen, ist wieder der Dialog in großen Gruppen. Dadurch entsteht fast beiläufig auch das Commitment für die Umsetzung. Wie im Fall eines Projektes einer der großen Universitäten des Landes, in dem die gemeinsam von den beteiligten Bereichen geschaffene und verkörperte Vision so überzeugend war, dass damit dutzende Kernprozesse überarbeitet werden können.

Transparente Entscheidungen

Damit der Rahmen hält, braucht es eine klare und sinnvolle Governance, die Beteiligung und schnelle, kluge Entscheidungen möglich macht. Ganz im Unterschied zu so vielen kreisförmigen Modellen, die häufig als Gegenmodell zu Hierarchie entstanden sind, braucht es ein funktionales Nutzen von Hierarchie und nicht ein Leugnen dieser. Alles andere überfordert die Menschen, verlangsamt bis verunmöglicht Entscheidungen und dauerhafte Motivation. Erst die eigene Transformations-Organisation, neben der bestehenden Struktur, ermöglicht das Beobachten von zu verändernden Mustern und das konsequente Intervenieren, um die Organisation Schritt für Schritt vom alten, dysfunktional gewordenen Ist zum veränderten Soll zu führen. In dieser Change-Organisation werden Entscheidungen in der neuen Form über Ressourcen aller Art getroffen.

 Lothar Wenzl, Johannes Köpl

WIR SIND FIT!

ECOWIND

1995 bauten Johann Janker und sein Partner, Günter Schelle, ihr erstes Windrad und gründeten ECOwind. Das Zwei-Mann-Unternehmen wuchs, expandierte 2008 nach Osteuropa und gründete Tochterfirmen in Kroatien, Rumänien, Bulgarien und Polen. Bald wurde klar, dass das Kapital für weiteres Wachstum fehlte. Daher verkauften die beiden das Unternehmen 2011 an einen großen deutschen Konzern. Das brachte wirtschaftliche Stabilität, aber mit der Zeit auch eine viel zu komplexe Struktur.

Janker: „Wir haben uns von unserer riesigen Mutterfirma, die in 28 Ländern der Welt mit 5.000 Mitarbeiter*innen organisiert ist, hinreißen lassen, deren Strukturen bei uns einzuführen: Geschäftsführung, Prokuristen, Abteilungsleiter, Gruppenleiter und Teamleiter – eine Matrix für 30 Leute!“ Matthäus Witek, technische Geschäftsleitung: „Dadurch waren wir viel zu langsam und hatten den Drive verloren. Gleichzeitig nahm der Wettbewerb massiv zu und wurde härter. Wir waren nicht mehr so schlagkräftig, wie wir hätten sein müssen.“

Um zum eigenen, erfolgreichen Weg zurückzufinden, wurden Claudia Wintersteiger und Sabine Zhang, beide Trainconsulting, beauftragt, das Unternehmen wieder an der Wertschöpfung und am Projektgeschäft auszurichten. Und wo steht ECOwind heute? Witek: „Wenn etwas Neues kommt, wissen wir, wie wir darauf reagieren und damit umgehen können. Wir sind fit!“

Die Erfolgsbausteine der gelungenen Transformation

+ Die Arbeit an der Wertschöpfungskette, bei der die Druckpunkte, aber auch die Chancen sichtbar wurden. Witek: „Das war wichtig, weil das eines der Hauptprobleme sichtbar gemacht hat. Wir haben den wirklich großen Sprung geschafft. Die ehemalige Bauabteilung, die jetzt eine Planungs- und Bauabteilung ist, begleitet die Projekte von Beginn an. Das ist so ein riesiger Hebel. Besser geht natürlich immer. Aber so, wie wir jetzt arbeiten, sind wir ziemlich nah am Optimum.“

+ Es gelang, die Projekte in den Vordergrund zu stellen. „Es dreht sich um die Projekte und nicht um Internes wie die Buchhaltung. Wir bauen alles um das Projekt“, sagt Johann Janker.

+ Das Zusammenrücken des Teams. „Das Team ist zusammengewachsen und wenn das Team harmoniert, ergibt sich der wirtschaftliche Erfolg von selbst“, so Matthäus Witek.

+ Die offene Kommunikation. Janker: „Ich habe stets gesagt: „Die Tür des Geschäftsführers ist immer offen. Kommt, wenn ihr irgendetwas braucht." Es ist aber nie wer gekommen. Im Prozess mit Sabine und Claudia haben wir es geschafft, Dialog und eine gemeinsame Sicht auf relevante Themen – inklusive Kostentransparenz – herzustellen. Das ist total gut.“