Win-win-win für Alt und Jung und Unternehmen
Die Nachhaltigen Gestalterinnen Alexandra Ballaun von Ankerbrot und Vanessa Ossinger vom Sozialunternehmen Vollpension holen Pensionist*innen in den Arbeitsmarkt zurück – ein Win-win-win-Projekt
Gute Mitarbeiter*innen sind rar. Alexandra Ballaun, Leiterin der Human Ressources von Ankerbrot, und Vanessa Ossinger, Personalabteilungsleiterin des Sozialunternehmens Vollpension, haben erkannt, wo sich motivierte Kräfte verstecken: unter Pensionist*innen. Die beiden Top-Managerinnen wissen, wie wertvoll die Arbeit von erfahrenen Senior*innen für Unternehmen ist: Junge Kolleg*innen lernen vom Know-how und der Lebensweisheit der Älteren. Die wiederum profitieren vom Potenzial und der Perspektive der nächsten Generationen. Und was fehlt vielen erfahrenen Semestern? Ein flexibler Job, der Altersarmut abfedert und ihnen ein wertschätzendes soziales Umfeld bietet. „Wir haben daher gemeinsam mit der ‚Vollpension‘ die Recruiting-Initiative ‚Erfahrene Semester‘ gestartet“, sagt Ballaun.
Beim Generationen-Mix gibt es bereits Erfahrung
Die Vollpension bringt schon seit Jahren Senior*innen mit Jüngeren zusammen, etwa in den Generationencafés in Wien. Dort backen und servieren über 50 „Omas und Opas“ nach ihren alten Familienrezepten gebackene Mehlspeisen gemeinsam mit jungen Kolleg*innen. Frau Maria zum Beispiel. Sie hat bereits Erfahrung als Back-Oma: „Bei meiner Arbeit im Generationencafé hab ich ganz liebe Menschen kennengelernt, Kolleg*innen und Gäste. Das nimmt mir das Gefühl des Alleinseins.“ Der gelernten Köchin und Kellnerin war in der Pension schnell fad. Seit zehn Jahren schon verdient sich die „Strudeloma“ mit ihrer Back-Leidenschaft ein Körberlgeld und bekommt viel Anerkennung – um ihren köstlichen Apfelstrudel stellen sich regelmäßig Kund*innen aus aller Welt an.
„Die Lebenserfahrung und die Kompetenz der Senior*innen sollte auch außerhalb der Vollpension einen festen Platz finden“, ist Vanessa Ossinger überzeugt. „Unsere soziale Wirkung über unser eigenes Unternehmen hinaus zu skalieren, war deshalb der logische nächste Schritt.“
Dieser Schritt führte zur Partnerschaft mit Ankerbrot. „Vollpension hat Erfahrung im Arbeiten mit Senior*innen, wir die Ressourcen und Strukturen, um ein solches Projekt im großen Maßstab umzusetzen“, erklärt Alexandra Ballaun den Benefit für den Backkonzern. Sie nennt es „das Beste aus beiden Welten verbinden“.
Flexibel auf die „Erfahrenen Semester“ zugeschnitten
Seit dem Start im Mai 2025 wurden bereits elf „Erfahrene Semester“ bei Ankerbrot in individuell auf sie zugeschnittenen Teilzeitmodellen angestellt.
Die Initiative bietet flexible Jobs und geht auf die Bedürfnisse der älteren Menschen ein. Wie auf jene von Agnes. Drei Mal in der Woche befüllt die 65-Jährige ab 5:30 Uhr zwei Stunden lang frische Weckerl – mit viel Liebe zum Detail. Warum sie das macht? Nicht weil sie muss, sondern weil sie will.
„Während der Corona-Pandemie ist mir bewusst geworden, wie wichtig ein geregelter Tagesablauf und ein stabiles soziales Umfeld sind.“ Nachdem sie sich fünf Jahre lang um ihre Enkelkinder gekümmert hatte, ist Agnes initiativ und zur Wiedereinsteigerin geworden. „Es ist toll zu arbeiten. Man fühlt sich wichtig und gebraucht, nimmt wieder an der Gesellschaft teil.“
Agnes arbeitet gern in der Früh, gern mit den jungen Kolleg*innen. „Die sind freundlich und fröhlich. Sie sagen jedes Mal, wenn ich mich verabschiede: ‚Danke, Agnes, dass du da warst.‘“ Mit dem Zuverdienst finanziert sich die Seniorin einen kleinen Luxus: das Reisen. „Mein Traumziel ist Australien. Dort möchte ich gerne tauchen gehen.“
Forderungen an die Politik
Beide Kooperationspartner sind begeistert von der spürbaren Freude der „Erfahrenen Semester“. „Senior*innen gehören nicht aufs Abstellgleis, sondern in die Mitte unserer Gesellschaft, sie bereichern jedes Team“, sagt Vanessa Ossinger. „Wir wünschen uns, dass viele weitere Betriebe diesem Beispiel folgen.“ Denn der Arbeitsmarkt der Zukunft lässt sich nur generationenübergreifend denken. „Es geht um eine Veränderung in der Unternehmenskultur: eine, die Alter nicht als Hindernis sieht, sondern als wertvolle Ressource.“
Bei Ankerbrot unterstützt man diese Einstellung, evaluiert, welche Jobs sich in den Filialen für Senior*innen eignen. „Das funktioniert am besten in den größeren Geschäften, in einem größeren Team. Denn die Arbeit ist anstrengend. Das unterschätzen viele. Zehn bis 15 Stunden sind für die meisten am attraktivsten“, weiß Ballaun.
Damit Pensionist*innen als Fachkräfte auch für Unternehmen attraktiver sind, erhofft sich die Recruiterin eine Kooperation mit der Pensionsversicherungsanstalt mit Schnuppertagen für Pensionist*innen – ähnlich wie es sie bei Schüler*innen gibt. So könnten ältere Menschen ein bis zwei Tage unverbindlich in einem Betrieb mitarbeiten und herausfinden, ob die Tätigkeit für sie passt – mit klarer rechtlicher Absicherung, einfacher Dokumentation und fairer Aufwandsentschädigung. Das würde die Win-win-win-Situation für Senior*innen, für Unternehmen und das Pensionssystem vorantreiben.
Beate Steiner
Alexandra Ballaun, Leitung HR Ankerbrot und Vanessa Ossinger, Leitung HR Vollpension
„Erfahrene Semester“ ist ein innovatives Recruitingmodell von Ankerbrot und der Vollpension. Es spricht aktive Pensionist*innen an, um den Herausforderungen bei der Personalgewinnung gezielt zu begegnen. Die Initiative bietet flexible Jobs, geht auf individuelle Bedürfnisse ein und fördert das generationenübergreifende Arbeiten. Eine Initiative, die im Sinne von sozialer Nachhaltigkeit zeigt, wie Generationenvielfalt, gesellschaftliche Verantwortung und unternehmerischer Erfolg Hand in Hand gehen können.