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Die Stunde der Nashörner

Wie Unternehmen die neuen geopolitischen Risiken managen. Von Ansgar Baums und Thomas Ramge, erschienen im Murmann Verlag, 2025, Hamburg.

Auf dem grauen Cover sieht man zwei schwarze Nashörner. Der Titel

Das Buch analysiert, wie Unternehmen mit den zunehmenden geopolitischen Spannungen – insbesondere zwischen den USA, China und Europa – umgehen können. Es stellt die These auf, dass geopolitische Risiken keine „schwarzen Schwäne“ (unvorhersehbare Ereignisse), sondern „graue Nashörner“ sind: offensichtliche, wahrscheinliche und dennoch oft ignorierte Bedrohungen.

Die Welt habe sich, ausgelöst durch den globalen Wettbewerb zwischen China und den USA, von einem „unipolaren Moment“ zu einer bipolaren Weltordnung verändert (Charles Krauthammer). Die internationale Ordnung, die sich nach 1990 etabliert hat und das Versprechen einer immer globalisierteren, hypereffizienten Wirtschaft beinhaltete, existiert nicht mehr. Unklar ist aber, was diese Ordnung ersetzen wird.

Aus unternehmerischer Sicht seien geopolitische Verwerfungen nichts anderes als Risiken, mit denen sie auch umgehen können – denn Risikomanagement sei Teil ihrer DNA. Und sie seien vorhersehbar gewesen – also graue Nashörner. Denn Trump habe seine Vorhaben in einem strategischen Handbuch für seine zweite Amtszeit skizziert. „Unternehmer*innen mögen sich nicht für Geopolitik interessieren – aber Geopolitik interessiert sich für beinahe jedes Unternehmen.“

Das sind die Hauptthesen des Buches

1. Unsere Zeit ist geprägt durch einen grundlegenden Wandel in der Weltordnung. Wir sind Zeugen der Ablösung des unipolaren Moments nach 1990 durch eine bipolare Welt mit den USA und China als Machtzentren. Diese neue Ära ist geprägt durch den geopolitischen Wettbewerb zwischen zwei Supermächten.

2. In diesem geopolitischen Wettbewerb spielt Technologie eine zentrale Rolle. Genauer gesagt: Im Zentrum steht der Versuch der Supermächte, die Verbreitung von kritischen Technologien zu kontrollieren. Die USA versuchen, das Wachstum Chinas zu verlangsamen, indem sie den Zugang zu westlichen Technologien einschränken. Der Fachbegriff lautet »Tech Containment«. China sucht zwar auch weiter Zugang zu Technologien aus dem Westen, ist aber vor allem bemüht, die Abhängigkeiten zu minimieren.

3. Aus Unternehmenssicht sind drei konkrete geopolitische Vektoren relevant: Erstens Ereignisse (eine geopolitische Krise mit direktem Einfluss auf Wertschöpfungsketten), zweitens Regulierung (Geotech Statecraft) und drittens die Folgen einer sich spaltenden digitalen Welt:

a. Ereignisse: Digitale Wertschöpfungsketten kreuzen sich mit den neuralgischen Konfliktherden, insbesondere in Südostasien. Eskalationen der geopolitischen Lage, ob bewusst herbeigeführt oder unbeabsichtigt ausgelöst, können einen dramatischen Einfluss auf Lieferketten haben.

b. Regulierung: Um ihre geostrategischen Ziele zu erreichen, entwickeln Washington und Peking immer neue Policy-Instrumente, die wir »Geotech Statecraft« nennen.

c. Teilung der digitalen Welt: Die Anwendung von Geotech Statecraft führt mittelfristig zu einer Teilung der digitalen Welt in zwei »hemisphärische IT-Stacks«. Die IT passt sich also der geopolitischen Metastruktur an und wird ebenfalls bipolar.

4. Deutsche und europäische Unternehmen sind auf diese neue Welt oft nicht hinreichend vorbereitet. Ihre Organisationsprinzipien sind für den unipolaren Moment optimiert, nicht für eine geopolitisch umkämpfte, ungeordnete Welt. Gleichzeitig gestalten Unternehmen den geopolitischen Wettbewerb mit, gehen mehr oder weniger clever mit neuen Regeln um oder schaffen dabei gar ihre eigenen Regeln. Geopolitisches Risikomanagement beinhaltet, dass politische Interventionen als Unternehmensrisiko bewertet und entsprechend gemanagt werden.

5. Auf der strategischen Ebene stehen global agierende Unternehmen vor einer schwierigen Entscheidung. Sie müssen wählen, ob sie in Zukunft »One-Stack-« oder »Two-Stack-Unternehmen« sein wollen, also Teile von beiden hemisphärischen Stacks nutzen oder sich auf einen konzentrieren. Ohne Klärung dieser grundsätzlichen Frage droht strategische Ambivalenz mit ständigen taktischen Abwägungen in Folgeentscheidungen.

6. Auf struktureller Ebene steht eine umfassende Unternehmensrevision an. Unternehmen müssen einen »geopolitischen Muskel« aufbauen, und zwar in allen Unternehmensbereichen. Eine solche Revision sollte sich auf sogenannte Enterprise-Level Business Capabilities beziehen, also tatsächliche Umsetzungsfähigkeiten, und nicht nur auf das Organigramm.

7. Besonders kritisch für die geopolitische Resilienz sind Hardware-Lieferketten. Dies gilt nicht nur für hardwareproduzierende Unternehmen, sondern auch für Anwender. Letztere unterschätzen die Risiken nach wie vor systematisch. Ziel muss es sein, das geopolitische Risiko in der Beschaffung zunächst transparent zu machen und in der Regel dann zu diversifizieren. Wenn ein Unternehmen auch weiter mit hohen Lieferkettenrisiken leben möchte, sollte dies zumindest eine bewusste Entscheidung sein.

8. Es mag verführerisch sein, die Geopolitik für Unternehmenszwecke zu nutzen und zum Beispiel für Markteintrittsbarrieren zu lobbyieren. Hier ist Vorsicht geboten. Geopolitik ist kompliziert, und der Schuss geht oft nach hinten los, wie im Buch an einigen Beispielen gezeigt wird.

Das Buch besteht aus drei Teilen.

Der erste Block (Kapitel 2 und 3) beschäftigt sich mit dem geopolitischen Kontext. Es beginnt mit der grundsätzlichen Frage: Wie sich Geopolitik, Technologie und Unternehmen zueinander verhalten und wirft einen Blick in die Geschichte. Darüber hinaus wird der geopolitische Wettbewerb zwischen den USA und China und wie die Wirtschaft hineingezogen wird analysiert.

Der zweite Block des Buches (Kapitel 4 bis 6) analysiert die drei wichtigsten geopolitischen Risikovektoren für Unternehmen: disruptive Ereignisse, geopolitisch motivierte Regulierung (Geotech Statecraft) und die Spaltung der digitalen Welt.

Der dritte Block des Buches (Kapitel 7 bis 10) beantwortet die Frage des »Was nun?«. Das geschieht aus der Perspektive betroffener Unternehmen (Unternehmensstrategie, das spezifische geopolitische Risikoprofil, Zielkonflikte, Anpassung von Strukturen und Prozessen, Aufbau von geopolitischen Muskeln). In Kapitel 10 werden die zehn wichtigsten Schritte zusammengefasst, die Unternehmen gehen müssen, um Geopolitik besser zu managen:

  1. Geopolitische Muskeln aufbauen
  2. Geopolitik ist Chefsache
  3. Radar anschalten und intern allen verfügbar machen
  4. Risikointelligenz erhöhen
  5. Grundsatzentscheidung zu IT-Stack treffen
  6. Sie entscheiden sich für zwei Stacks? Die wichtigsten fünf Schritte!
  7. »Geotech Statecraft« (Policy-Entscheidungen in Washington, Peking und Brüssel) verstehen
  8. Achillesferse Lieferkette analysieren
  9. Nicht mit dem Feuer spielen
  10. »Geopolitischer Schutzschirm« statt »Weißer Ritter«

Ansgar Baums und Thomas Ramge: Die Stunde der Nashörner – Wie Unternehmen die neuen geopolitischen Risiken managen.

Erschienen im Murmann Verlag, 2025, Hamburg.

ISBN 978-3-86774-843-8